Freitag, 18. April 2025

Strategische Seitenwechsel: Schwarz-grünes Traumpaar

Carsten Linnemann  und Ricarda Lang sind das neue Traumpaar
Der junge Maler Kümram hat die beiden Jungpolitiker, die sich für größere Aufgaben aufsparen, auf einer Blumenwiese skizziert.

Der Plan, den Ricarda Lang wohl direkt nach ihrem Rauswurf zu schmieden begann, war bestechend. Eben hatte die 31-Jährige sich sagen lassen müssen, dass nicht die Amtsführung der grünen Minister, sondern ihr engagiertes Bemühen um Schadensbegrenzung durch Talkshow-Auftritte die Grünen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen auf den Status einer Nischenpartei zurückgeworfen habe. Lang, pfiffig, sympathisch und flink im Kopf, sah sich aussortiert, ohne jede Gelegenheit, einen Machtkampf auch nur anzufangen.

Ohne zu Murren

Ohne zu Murren folgte die Frau aus Filderstadt der Aufforderung, Platz zu machen für neue Kräfte. Und im Gegensatz zu ihrem Vorstandskollegen Omid Nouripur verweigerte die Partei ihr, der Frau, trotzdem die Zusicherung, bei nächster Gelegenheit einen prestigeträchtigen Posten als Parlamentspräsidentin, Verfassungsrichterin oder Verwaltungsvorsitzende der Vereinten Nationen zugeschanzt zu bekommen.

Der Plan, den Ricarda Lang daraufhin entwickelte, zeigte sich schon nach wenigen Wochen der Absenz in ersten Ansätzen. Die nach allen Vorschriften der grünen Kaderentwicklungsrichtlinien von der Grünen-Jugend-Chefin bis zur Parteivorsitzenden aufgestiegene Bildhauertochter gestand zur besten Sendezeit im Gemeinsinnfunk Fehler ein. Statt der bekannten grünen Kampfmaschine saß da eine verletzte Seele voller Funktionsreue, die mit ihren Sorgen nicht länger hinter dem Berg halten konnte.

 Auf einmal ohne Wordings

 "Manchmal verbringen wir in Berlin so viel Zeit damit, Wordings untereinander abzustimmen, dass wir dabei vergessen, ob da draußen überhaupt noch jemand versteht, was wir sagen", hatte Lang in dem Moment bemerkt, in dem niemand mehr mit ihr Wordings absprechen wollte. Über Jahre war sie so eingespannt gewesen, dass ihr das nie aufgefallen war. Zu tief drin. Zu viel zu tun, um irgendwann einmal nachzudenken.

Der Abschied, das war zu spüren, fiel ihr schwer. Aber die Zukunftsaussichten machten ihre offenbar auch große Lust darauf, beim nächsten Mal weniger über Klimaschutz zu reden, dafür aber "mehr über Jobs, Wachstum, soziale Sicherheit". 

Unverdrossen für ein Comeback

Lang, deutlich jünger als die jetzt scheidende Generation der Habeck, Özdemir, Baerbock, Paus und Lemke, begann unverdrossen an ihrem Comeback zu arbeiten. Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit verändert ihre Position. Lang rutschte unaufhörlich nach rechts. Sie distanzierte sich vom linksradikalen Behütungsversprechen, mit dem die Grünen unter Habeck so tragisch gescheitert waren. Der Anführer, der Chef, der Leitstern einer ganzen Generation, er geht jetzt still. Robert Habeck ist vom Volk enttäuscht, er wird sich ein neues suchen.

Ricarda Lang hat es kommen sehen. Schon vor Monaten brach mit einer der wichtigsten grünen Traditionen und eine Lanze für die Meinungsfreiheit. Und sie widersprach denen in der Partei, die meinen, man müsse die eigene, von vielen als grundfalsch verstandene, Politik das nächste Mal nur besser erklären, dann werde das schon mit dem Habeck als Bündniskanzler. Es wäre ein aufsehenerregender Schritt aus dem Ruhestand auf einer Hinterbank des Deutschen Bundestages gewesen. Doch er fiel nicht auf.

Abnehmen als Ausweg

Der Trick dabei: Parallel zu ihrer Neuerfindung als Vorsitzende der AG Realisten bei Bündnis90/Die Grünen speckte Lang drastisch ab. Nein, sie sei nicht müde der Vorwürfe, so viel mehr breit als Lang zu sein, sagte sie. Ihr sei nur halt gerade so danach. Weniger Reisen, mehr Zeit - auch zum Kochen. Die Machtdiät tat ihr sichtlich gut.

Als gewiefte Taktikerin weiß die Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Backnang – Schwäbisch Gmünd, die noch niemals außerhalb der Politik einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, dass Haut zeigen muss, wer nicht nach dem gefragt werden will, was er im Kopf hat. Die persönliche äußerliche Transformation dient Ricarda Lang als Schutz ihrer inneren Zeitenwende: Beim jüngsten Klassentreffen unserer Demokratie im feinen Hotel Adlon ging Lang auf offene Konfrontation. Wie Annalena Baerbock kam sie im roten Kleid

Kampfansage an die Konkurrenz

Eine Kampfansage an die innerparteiliche Konkurrenz. Ja, wenn sie zurückkehrt, dann so rank und schlank und schön wie die Außenministerin: Und mindestens so intellektuell und beliebt wie Robert Habeck. Nur eben ohne dessen ewige Seeleningenieursattitüde. Ricarda Lang wird nicht vorgeben, Leben gestalten zu können und die Wirtschaft lenken zu wollen wie Gerhard Schürer und Robert Habeck. Sie wird angekommen sein, wenn sie wieder dort ist, wo sie war, ehe ihr eine neue Parteispitze aus blutigen Amateuren und provinziellen politischen Leichtgewichten vor die Nase gesetzt wurde. 

Es wird nicht lange dauern

Als intime Kennerin des politischen Berlin weiß Lang, dass es nicht lange dauern wird, bis die Brantner, Banaszak, Edalatian, Giegold, Knopf und Audretsch abgewirtschaftet haben werden wie die aktuelle grüne Ministerriege. Niemand wird sich in ein, zwei Jahren noch an Namen wie Dröge und Haßelmann  erinnern. Niemand wird der Zeit nachtrauern, als sich führende Figuren der Partei ihren Platz im Parlament über Nebenwege und Menschenopfer verschaffen mussten.

Ricarda Lang wird bereit sein, wenn an der Basis die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten wächst und die meisten grünen Mitglieder aller Zeiten verunsichert und verängstigt Parteibasis danach rufen, doch wieder Volkspartei werden zu wollen. Dann werden sich alle daran erinnern, wer damals am Ruder stand, als es ganz nach oben zu gehen schien und die Grünen nicht nur einfach mitregierten, sondern den Kurs bestimmten.

Ein anderer im zweiten Glied

Ein Comeback, auf das sich auch Carsten Linnemann heute schon vorbereitet. Der jugendliche Generalsekretär der CDU hatte seine glücklosen ostdeutschen Vorgänger Mario Czaja erst im Sommer 2023 abgelöst und die Union in kürzester Zeit auf Umfragewerte von 34 Prozent geführt. Auch zur Bundestagswahl reichte es noch zu 28,5. Genug, um das zweitschlechtesten Abschneiden aller Zeiten als Kantersieg über alle anderen Parteien der demokratischen Mitte zu feiern.

Für Friedrich Merz war Linnemann, ein gedienter Soldat mit Wirtschaftsstudium, das konservative Fähnchen, hinter dem die Garde der Merkelianer hinterhermarschieren musste. Der Münsteraner hatte den Paderbornen handverlesen. Der knapp 20 Jahre jüngere galt als künftiger Kanzlerflüsterer, der für seine Dienst in der Partei mindestens mit einem der drei wichtigen Ministerien belohnt werden würde.

Ausgeschlagenes Angebot

Vom Grundinteresse her kam nur Wirtschaft infrage. Das Angebot lag auf dem Tisch. Doch Linnemann will es nun nicht. In einem bizarren Film, dessen setting an eine Satiresendung erinnert, teilte er Partei und Bevölkerung seinen Entschluss mit, lieber Generalsekretär bleiben zu wollen als dort zu dienen, wo es angesichts der verfahrenen Lage am wichtigstens wäre.

Mit dem Satz "Hallo zusammen, ich wollte mich mal schnell melden", hat der 47-Jährige einen modernen Klassiker der politischen Unterhaltung geschaffen. Er stehe hier in einer "tollen Kulisse", nämlich "an den Fischteichen", sagt Linnemann ohne eine Miene zu verziehen, "und wer mal in der Nähe unterwegs ist, muss das unbedingt anschauen". 

Richtig lustig wird es anschließend, wenn Linnemann verkündet, dass er Generalsekretär bleibe und das "gut, richtig gut" finde, weil es "genau mein Ding" sein. Den Kabinettsposten habe er abgelehnt, denn "es muss auch passen, sonst macht das keinen Sinn". Cartsen Linnemann, ein jugendlich, aber meist ernsthaft wirkender Politiker, gibt den Clown. Hier ist einer unverkennbar schwer enttäuscht vom Gang der Dinge. Von einem künftigen Kanzler, der noch im Hafen alles über Bord wirft, was man sich vorgenommen hatte.

Aufgesparter Politikwechsler

Carsten Linnemann hätte auch ein rotes Kleid tragen können, um zu signalisieren, dass er sich lieber für später aufsparen will, wenn der "Politikwechsel", der er jetzt "als Generalsekretär besser forcieren" zu können glaubt, erst mit Wumms vor die Brandmauer gefahren ist. Nein, der ewige Nachwuchskader ist kein besonders guter Diplomat. Immerhin aber erspart sich der "Favorit für das Amt des Wirtschaftsministers" deutliche Hinweise auf die Gründe seiner Demission. 

Die Fischteiche. Die Einladung sich das "unbedingt" anzuschauen und die Anspielung auf das "Forcieren" müssen reichen. Paderborner Pathos.

Es wird nicht vorbei sein


Wie Ricarda Lang meldet da einer Ansprüche an, ohne zu drängeln. Soll Friedrich Merz sich doch verkämpfen zwischen einer SPD, die die fehlende Volksbegeisterung für ihre erstickende Fürsorge- und Verbotspolitik am liebsten mit einem kräftigen Linksrutsch befeuern würde. Und dem rechten Rand, den Merz hatte halbieren wollen, der ihn aber nun wohl bald halbiert haben wird. Wird Friedrich Merz sich den Affront bieten lassen? Diese unausgeprochene Illoyalität? Oder wird er die Entscheidungsschalcht suchen und Linnemann den Gefallen tun, ihn wegzumerkeln?
 
Dem Generalssekretär kann es gleichgütkig sien. Muss er gehen, hilft ihm das. Darf er bleiben, hilft es auch. Wenn es vorbei ist, wird es noch lange nicht vorbei sein. Die wirklich Cleveren halten sich zurück, sie treten im richtigen Moment auch mal ganz aus dem Glied, um sich dann - vielleicht erst nach vielen Jahren - als Erlöser wieder zu materialisieren.
 

Jetzt ist nicht die Stunde

Jetzt ist nicht die Stunde, die besten Kräfte in einem aussichtslosen Kampf zu opfern, mag Carsten Linnemanns "Bauchgefühl" (Linnemann) seinem Besitzer gesagt haben. Der Job, den er ausgeschlagen hat, liegt jetzt als unwiderstehlicher Köder vor seinem schärfsten Konkurrenten Jens Spahn. Mag der sich doch daran verschlucken. 

Friedrich Merz, Linnemanns Mentor, hat es vorgemacht. Als der heutige CDU-Chef und künftige Vielleicht-Kanzler beiseite trat, nachdem Angela Merkel ihn geschoben hatte, war er 49 Jahre alt. Bei seiner Wahl zum Parteichef 49. Linnemann hätte Zeit bis 2043. Dann könnten er und Ricarda Lang das Traumpaar sein, das Deutschland mit einer schwarz-grünen Fortschrittskoalition aus dem Koma weckt.

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