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Spielzeugschwerter von Spielzeugrittern müssen künftig fest mit der Figur verbunden bleiben, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren. |
Sie kommen harmlos daher, verkleidet als glitzerndes Einhorn, als sprechende Puppen, als Ritter von trauriger Gestalt oder als kleiner, tapferer Nato-Soldat. Sie sind bunt, vielfältig und lassen sich zum Teil sogar fernsteuern wie Tagesschau-Redakteure. Auch sie wurden in den zurückliegenden Jahren nicht von der Inflation verschont, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst hat. Doch Spielzeuge gehören trotz ihrer oft stolzen Preise immer noch zu den beliebtesten Artikeln, die Eltern und Großeltern ihren Jüngsten kaufen.
Mehr Sicherheit für die EU
Ahnungslos und im blinden Vertrauen darauf, dass die Puppen, Baukästen, Teddys, Actionfiguren, Puzzlespiele und Bälle die Fantasie anregen, erste Fertigkeiten von Kindern und Enkeln schulen und den Kleinen ein treuer Begleiter auf dem Weg ins Erwachsenenleben sind. Gerade in der rapide alternden Gesellschaft ist Spielzeug ein Zeitvertreib für mehrere Generationen: Häufig tauchen Spielzeuge, die für Minderjährige angeschafft wurden, später auf den Tischen in den Gemeinschaftseinrichtungen von Pflege- und Altenheimen wieder auf.
Zum zweiten Mal sind sie hier gefragt, um anregen und zu unterhalten, den Geist auf Trab zu bringen und die Finger zu beschäftigen. Vorausgesetzt wird dabei stets, dass Spielzeug zuallererst sicher ist: Keine kleinen Teile sollen sich unverhofft lösen und nichtsahnenden Spielern im Rachen steckenbleiben. Auch sorgen umfangreiche Rechtssetzungsakte von EU und Einzelstaaten seit Jahren dafür, dass Giftchemikalien, gefährliche Gene und Weichmacher, wie sie sich in Farben, Kosmetika, Klebstoffen und Kabeln finden, bei Spielzeugbagger, Spielzeugpanzer und Spielzeuggewehr nicht finden.
Mit Pigmenten vollgestopft
Trotzdem tauchen sie immer wieder auf, verseuchte Puppen und mit schwermetallhaltigen Stabilisatoren und Pigmenten vollgestopfte Importe aus Drittstaaten. Längst ist die EU alarmiert, seit Jahren schon verhandeln Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedstaaten über schärfere Maßnahmen gegen problematische Spielzeuge. Nun endlich liegt eine große europäische Lösung vor, die die bisher geltende Norm EN 71-3 ergänzt und die sogenannte "Migration" von potenziell schädlichen Elementen wie Schwermetallen und organischen Verbindungen aus Spielzeug in den Körper von Kindern verbietet.
Auch Spielzeuge mit scharfen Kanten, Spitzen, Zinken und freiliegenden Drähten fallen unter das neue Verbot. Verkauft werden darf nur noch Ware mit einer CE-Kennzeichnung, die sicherstellt, dass ein Spielzeug den EU-Richtlinien entspricht. Um die CE-Kennzeichnung zu erhalten, muss der Hersteller im Rahmen des umfassenden Bürokratieabbaus in der Union sicherstellen, dass das Spielzeug alle relevanten europäischen Sicherheitsnormen erfüllt.
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, dass in Europa benutztes Spielzeug das sicherste der Welt sein soll. Damit reagiert die Gemeinschaft direkt auf Aussagen von großen Teilen der Bevölkerung in fast allen Mitgliedsstaaten, nach denen die Sicherheitslage eine der großen Sorgen der Menschen zurzeit ist.
Unbekannte Opferzahl
Bislang ist nicht bekannt, wie viele Opfer verseuchtes Spielzeug in der Gemeinschaft Jahr für Jahr fordert, doch die neuen EU-Vorschriften werden dafür sorgen, dass es weniger werden. Die Spielzeugrichtlinie, auf die sich EU-Verhandler und Mitgliedsstaaten in mehr als zwei Jahren intensiver Verhandlungen vorläufig geeinigt haben, sieht strengere Vorgaben für Hersteller, mehr Transparenz bei Inhaltsstoffen und als ganz neuen Schwerpunkt die Einführung eines digitalen Produktpasses für jedes Spielzeug vor. Eltern und Großeltern können damit schon beim Kauf eines neuen Baggers, einer Puppe oder eines Fußballs über einen QR-Code den Sicherheitssteckbrief zum Produkt abrufen.
Eine hochmoderne europäische Spielzeugsicherheitsdatenbank enthält künftig alle Informationen über verwendete Chemikalien, krebserregende oder fortpflanzungsschädigende Gene und spitze und scharfe Bestandteile. Zudem werden Warnhinweise geliefert.
Kontrolllücken im Kinderzimmer
Damit werden erstmals weltweit bestehende Kontrolllücken im Kinderzimmer geschlossen. Bereits heute sind Stoffe verboten, die schädlich sein könnten, mit den neuen Regeln fallen auch endokrine Disruptoren, die das Hormonsystem beeinflussen, und alle Chemikalien, die das Nerven-, Atem- oder Immunsystem schädigen können, unter ein Verwendungsverbot.
Besonders problematische Stoffgruppen wie die als PFAS bekannten "Ewigkeitschemikalien", die sich im kindlichen Körper kaum abbauen und sich in Umwelt anreichern, müssen künftig draußen bleiben. Mit Bioziden behandelt werden dürfen nur noch Spielzeuge, die ausdrücklich für den Außenbereich gedacht sind. Die Unart vieler Hersteller, diese Substanzen, die gegen Schädlinge und Lästlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien verwendet werden, auch auf Kuscheltiere, Magnetbausteine und Metallbaukästen aufzubringen, wird verboten.
Nur wenige Ausnahmen
Ausnahmen gelten nur für unzugängliche Spielzeugkomponenten mit elektronischen Funktionen, die sich aber sicher verplombt im Inneren der Spielgegenstände befinden müssen. Lose Teile wie bei Puzzles, kleinen Schwertern bei Actionfiguren und Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen müssen im Spielzustand fest verbunden mit dem Hauptspiel bleiben, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren. Allergieauslösende Duftstoffe werden verboten, wenn Spielzeug für Kinder unter drei Jahren bestimmt ist und in den Mund genommen werden kann. Eltern sind verpflichtet, eventuell vorhandene Duftkerzen oder Spielzeug älterer Geschwister, das nicht unter das Duftstoffverbot fällt, eigenständig mit entsprechenden Warnhinweise zu versehen.
Ziel des umfangreichen Maßnahmenpakets, das die Mitgliedsstaaten nach dem Ende der laufenden Verhandlungen um die detaillierte Ausgestaltung nur noch umsetzen müssen, ist ein besserer Schutz der Kindergesundheit in Zeiten großer Unsicherheit. Die Regeln werden weltweit gelten, also auch für Online-Shops, Internet-Marktplätze und Händlerportale, die aus dem Ausland versuchen, zweifelhafte Ware in die Gemeinschaft einzuführen.
Sicherheitsfreigabe für Puppe und Ball
Alle Anbieter müssen sicherstellen, dass sie nur europarechtskonformes Spielzeug anbieten – dazu ist ein unbürokratisches Verfahren angedacht, das es erlaubt, den vorgeschriebenen amtlichen QR-Code mit der Sicherheitsfreigabe für Puppe, Ball und Gummikrake binnen weniger Monate von der geplanten neuen EU-Spielzeugbehörde zu erhalten. Nötig ist dazu nur die Einreichung einer Testcharge des Artikels.
Nachdem die Einigung zwischen Parlament und Mitgliedstaaten steht, kann das alles jetzt ganz schnell gehen. Die beiden wichtigsten Gremien für die Spielzeugsicherheit müssen die Einigung nur formell annehmen. Nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt tritt die Verordnung dann umgehend in Kraft. Händlern bleibt dann noch eine kurze Übergangsfrist von viereinhalb Jahren, um die neuen Anforderungen umzusetzen. Ab 2029 werden die Vorschriften dann verbindlich und die Hersteller können die zusätzlichen Belastungen auf der Kostenseite an ihre Kunden weitergeben.
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