Montag, 14. April 2025

Alle auf Amerika: Werwolf mit Einkaufswagen

Antiamerikanismus ist Antifaschismus.
Immer mehr Deutsche wollen US-Waren byokottieren, bis Donald Trump seinen Zollkrieg aufgibt.


Aus, vorbei, für immer. Diesmal haben es sich die Vereinigten Staaten wohl endgültig mit ihrem europäischen Mündel verscherzt. Donald Trumps "Angriffe auf den Welthandel" (Lars Klingbeil), die den früheren Grünenchef Joschka Fischer um die Weltordnung fürchten lässt, die er selbst als junger Straßenkämpfer hatte zerstören wollen, zwingen Deutschland zu einem Zweifrontenkrieg. 

Militärisch muss die Ukraine nun mit noch mehr Engagement unterstützt werden. Zugleich gilt es aber, eine Brandmauer samt Burggraben zum aggressiven Autoritarismus der Washingtoner Administration auf der anderen Seite des Atlantik zu errichten.  

Neue Kennzeichnungswelle

Seit dänische Supermärkte Trumps Abwerbeangebote an Grönland mit einer Markierung echter europäischer Waren im Stil der großen Kennzeichnungswelle für jüdische Waren beantwortet haben, um Verbraucher von der Teilnahme an der großen "Buy European"-Kampagne im Rahmen der EU-Initiative "Europe First" zu begeistern, boykottieren auch immer mehr Deutsche gezielt US-Produkte. Die verzichten auf Urlaubsreisen in die Vereinigten Staaten, greifen zum Döner statt zum Big Mac, kaufen Volla- und Nothing-Smartphones, suche mit "Quant" statt mit Google und trinken Mecca-Cola aus Frankreich statt Pepsi und Coke. Verzicht wird zur Waffe. Der Supermarktkunde zum Werwolf mit Einkaufswagen.

Antiamerikanismus ist Antifaschismus.
Antiamerikanismus ist Antifaschismus.

Boykottaufrufe von Verbrauchern und Unternehmen gegen amerikanische Produkte sind 92 Jahre nach der letzten großen deutschen Boykottwelle Volkes Wille. Die Ablehnung von "Made in USA" gilt als Ausdruck des europäischen Wehrwillens.  

Um vom Kauf abzuschrecken, stellen Freiwillige US-Produkte im Supermarkt auf den Kopf. US-Marken werden links liegengelassen, amerikanische Internetseiten gemieden und aus Solidarität wird bei kaufland.de statt bei Amazon gekauft. Gemeinsinnsender wie der Bayrische Rundfunk erstellen derweil Listen mit europäischen Internetalternativen für Suchanfragen, E-Maildienste und Messenger. 

Die Macht der Masse

Amerika soll die Macht der europäischen Verbraucher zu spüren bekommen, bis Donald Trump klein beigibt. Wenn niemand mehr US-Produkte benutzt, keine iPhones mehr, keine Android-Software, keine Microsoft-Programme und keine sozialen Netzwerke außer Tiktok, weil 440 Millionen Nutzer im größten Binnenmarkt der Welt nur noch bei den eigenen Herstellern kaufe und nur alternative Dienste aus der EU benutzen, würden US-Konzerne Druck auf Trump machen und ihn veranlassen, seine im Moment nur aufgeschobenen Zollerhöhungen dauerhaft zurückzunehmen.

Der Protest begründet ein neues Zeitalter des Antiamerikanismus. Galt die Ablehnung der USA bisher zumindest im Westen Deutschland immer als regressiver Rückfall in die Zeit vor 90er Jahren, als Adolf Hitler das Land auch für seine Innovationen bewunderte, es aber zugleich als "Zentrale des Weltjudentums" hasste, wird verächtliche Ablehnung der ältesten Demokratie der Welt jetzt als schickes weltanschauliches Modeaccessoire

Alle gegen Amerika

Den Vereinigten Staaten nachzusagen, dass sie dabei seien, sich in eine faschistische Diktatur zu verwandeln, gehört in den Leitmedien zum guten Ton. Donald Trump als Menschheitsbedrohung in einem Atemzug mit Wladimir Putin zu nennen, ist Ehrensache. Die EU scheint sogar bereit, sich lieber mit der kommunistischen Diktatur in China ins Benehmen zu setzen, als das Angebot von US-Vizepräsidenten J.D. Vance anzunehmen, sich auf die ehemals geteilten grundlegenden Werte zu besinnen.

Die mediale Front gegen die jahrzehntelang genossene amerikanische Vormundschaft sprießt aus Wurzeln, die tief in deutscher Erde gründen. Zwar haben Deutsche die USA und die Blüten ihrer Kultur in den Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur angenommen, sondern verinnerlicht. 

Von Hollywood über Graceland bis zu Netflix, Rolling Stones und Levis-Jeans führt eine Linie ins deutsche Herz, das seiner romantischen Liebe für die früheren Indianer zwar nur noch als Verehrung für Natives und Indigene frönen darf. Zugleich aber eine junge Generation großzieht, die ihre enorme Welt- und Zukunftsangst am liebsten in einem denglischen Pidgin-Dialekt ausdrückt.

Verachtung für die Freiheitsschutzmacht

Die Verachtung, mit der viele Deutsche schon immer auf amerikanische Politik, amerikanische Kultur, die amerikanische Wild-West-Wirtschaft und die nach europäischen Maßstäben unzureichend normierte Gesellschaft schauten, muss sich erstmals seit den Tagen des Vietnam-Krieges nicht mehr verstecken. 

"Ami go home", ehemals eine Parole linker Extremisten, und der rechtsextreme Vorwurf des "Kulturimperialismus" legen in eins nun die Hände: Die Linke versucht, sich auf ihre einstige Radikalität zu besinnen. Die Rechte sieht sich bestätigt in ihrer Kritik, das Ziel aller amerikanischen Politik sei "die Vernichtung der kulturellen Eigenständigkeit eines Volkes" und seiner "völkischen Identität".

Ende einer Ära

Nach acht Jahrzehnten unter dem Schutz Amerikas wird man doch wieder sagen dürfen, dass man das Mutterland des mordenden Westens nicht mehr für eine Freiheitsmacht hält, sondern für dekadent, kulturlos, materialistisch oder aggressiv-imperialistisch. 

Trump ist nur das Symptom, seine Wähler sind die, die Europa verraten haben. Mit ihrer Entscheidung gegen Europas erklärte Favoritin Kamala Harris haben sie das Tischtuch zerschnitten, das Europa und Amerika so lange verband. Mit diesem Fehler müssen sie nun leben. 

Europa sieht in den Vereinigten Staaten das "Land der Bösen und Blöden" (Cicero). Endlich  darf jeder das "politisch heikle Gefühl" (Die Zeit) nach Herzenslust ausleben, ohne fürchten zu müssen, für seine Auffassung als Anhänger der Idee einer Überlegenheit der europäischen Vorstellung von unsere Demokratie und in Brüssel zentralisierter multistaatlicher Verwaltung verlacht zu werden. 

Fantasie der Eliten

Die Fantasie der europäischen Eliten, sie wüssten besser, was gut und richtig für Gesellschaft, Wirtschaft, Klima und Weltfrieden sei und der amerikanische Weltpolizist solle sich weiterhin darauf beschränken, die auf dem alten Kontinent produzierten Waren aufzukaufen und sich dafür mit militärischem Schutz zu revanchieren, ist zur Grundlage der kritischen Haltung gegenüber der Führungsmacht geworden. 

Es soll nicht einmal mehr verhandelt werden. Es gelte, "unabhängig von den USA" zu werden, heißt es in der linken Wochenschrift "Freitag", bei der EU-Kommission, bei der FDP, aber auch bei CDU, SPD, Linkspartei und in den Leitmedien von FAZ bis "Spiegel".

Der neue Antiamerikanismus, er trägt die modische Maske des Antifaschismus. Dieses Kostüm ist nach neun Jahren der beständigen Beschwörung von Donald Trump als neuem Hitler, Amerika als neuem Zugang im Lager der Autokratien und Reich des Bösen und der Erklärung von 77 Millionen US-Bürgerinnen und Bürgern zu "Faschisten" prächtiger denn je. 

Scheiten die Leitmedien in Erinnerung an ihre Gründung auf dem Acker Amerikas lange davor zurück, sich zum Teil einer Bewegung machen zu lassen, die den Bruch mit dem Verbündeten vorantreibt, sind es jetzt nur noch wenige Stimmen, die an der Feier der Abnabelung nicht mitprosten. 

Der Rest im Rausch

Der Rest ist im Rausch, auf der Suche nach einem neuen Selbstbewusstsein, das sich selbst als neue Weltmacht sehen will und die in Washington herrschenden Befürworter von Meinungsfreiheit, schlankem Staat und freier Wirtschaft erklärtermaßen ablehnt. 

Der USA wird - damit kennt sich Deutschland aus - ein "Blitzkrieg" vorgeworfen, "überfallartig" und mit "größenwahnsinnigen Ziele". Man selbst ist "besonnen" (Weser-Kurier) und bleibt "gelassen"

Pat und Patachon haben die Rollen sind vertauscht: der große Bruder jenseits des Atlantik ist nur noch ein kleines Licht. Europa Großmacht, zumindest in Gedanken. Den früheren Verbündeten schmerzhaft zu erwischen, etwa so, wie es der Links- und spätere Rechtsextremist Horst Mahler nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit seinem Satz "endlich sind sie mal im Herzen getroffen" verzückt gelobt hatte, ist das Ziel. 

Amerika soll fallen. Der Versuch, die Führungsmacht des Westens neu zu gründen, soll scheitern.

Geschwächter Westen

Er muss es, damit die Demokratien im alten Europa nicht Gefahr laufen, selbst unter Reformdruck zu geraten. Wie der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zeigt, langt die Kraft der Parteien der Mitte in Deutschland allenfalls noch zu einem durchparagrafierten Weiterso. In vielen Teilen der EU sieht es sogar noch schlimmer aus - Partnerstaaten sind schon abgefallen, bei anderen bestehen ernst Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit oder es wird schon überlegt, wie sie zum Besten der Gemeinschaft ausgeschaltet werden können. 

Der neue Antiamerikanismus funktioniert in diesem zusammenhang nicht nur wie der alte als Schreckgespenst, bevölkert von überdicken, dumpfen, schießwütigen und Anti-Demokraten, die die in ihrer Verfassung niedergelegten Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten fortwährend ignorieren. Sondern auch als gemeinsames Feindbeild, das nach innen verbindend wirkt. Den Mangel an eigenen Erfolgen auf irgendeinem Gebiet ersetzt eine demonstrative Amerikaskepsis. 

Leider nützlich

Seit die Vereinigten Staaten 1776  unabhängig wurden und als erstes und einziges Land der Welt die Verwirklichung der Ideale von Aufklärung, Demokratie und Liberalismus zum Staatsziel erklärten, halten Demokraten in Frankreich, Deutschland und Italien die USA für anmaßend und arrogant. Leider wurden sie immer gebracht, zum Schutz vor der Sowjetunion und dem Warschauer Park, als Weltpolizist, der in Krisengebieten für Ruhe sorgt, und nicht zuletzt auch als Lieferant von Technologie und Innovation.

Jetzt ist die Gelegenheit günstig, sich abzunabeln von einem Land, das bei allen Problemen und Mängeln zeigt, dass eine liberale, multikulturelle, multiethnische und pluralistische Gesellschaft funktionieren kann, ohne dass eine Überlast aus Vorgaben, Bürokratie und Reglementierungen jede Initiative erstickt. Einst galten die USA ihren Feinden als staatgewordenes Werkzeug des Judentums, später waren sie die von Blackrock und Goldman Sachs gelenkten Profiteure der Globalisierung und Kriegstreiber, unterwegs zur Weltherrschaft. 

Die aktuelle Erscheinungsform des Antiamerikanismus sieht sie nur zur Abwechslung als Globalisierungszerstörer und friedensbesoffene Kapitulanten.

6 Kommentare:

  1. „Trump ist dabei, eine faschistische Diktatur zu errichten“
    Nun verlassen prominente Historiker und Philosophen das Land. (tagesspiegel.de)

    Die Witzbolde machen einen auf Opfer des Faschismus, weil sie für ihren Marxistenschrott keine Abnehmer mehr finden.

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  2. OT bzw irgendwie auch nicht da Mashup aus akademischer Heißluft und Trump (via Anmerker)

    Atomwaffenexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Peter Rudolf, einer der wenigen ausgesprochenen Spezialisten der atomaren Abschreckung in Deutschland: „Bei der nuklearen Abschreckung handelt es sich um ein Konstrukt, ein System von nicht verifizierbaren Annahmen, das geradezu ideologischen Charakter hat. Abschreckungspolitik beruht auf Axiomen, für die es keine empirische Evidenz im wissenschaftlichen Sinne gibt, sondern allenfalls anekdotische Evidenz, deren Interpretation also glaubensgeleitet ist. Der Glaube an die nukleare Abschreckung ist ebendies – ein Glaube.“

    Die hochbedeutende Analyse startet mit einem Erklärungsversuch, was nukleare Abschreckung sei und crasht dann in einer platten Analogie mit der Erklärung, was der Glaube an sie sei: Ein Glaube. Bin beeindruckt und schätze, dass alle Papers von dem so funktionieren.

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  3. >> BARISSIMO bietet frisch geröstete Kaffeepulver

    Wie röstet man Kaffeepulver?

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  4. >Kaffeepulver

    Die Frage stellt sich bald nur noch theoretisch, wenn deutsche Demokraten komplett auf einheimischen Kaffee umstellen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kaffee%C3%A4hnliches_Getr%C3%A4nk

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    1. Auf dem Weg in die DDR 2.0 kommt auch Erichs Krönung zurück.

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  5. Einheimischen Kaffee gibt es schon. Er heißt " ImNu" und schmeckt besser als jeder Bohnenkaffee.

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