Freitag, 7. März 2025

Stabile Renten: Ein bisschen Schwund ist immer

Wie versprochen: Stabile Renten hat Olaf Scholz auch geliefert.

Es war eines der zentralen Versprechen, mit denen Olaf Scholz seinerzeit hoffnungsfroh in das "eigentliche Projekt" startete, wie es sein erfolgsverwöhnter Gesundheitsminister Karl Lauterbach wenig später stolz nannte. "Stabile Renten" hatte Scholz den 21 Millionen Seniorinnen und Senioren versprochen.  

Scholz packte das an. Im ersten Jahr unter seiner Verantwortung kletterten die Renten in Ost und West um 6,1 und 5,35 Prozent. Das war beinahe genug, um die Inflation von 7,9 Prozent auszugleichen. Und gemeinsam mit seinem Arbeitsminister Hubertus Heil, einem Schwergewicht der Sozialpolitik, blieb Scholz auf Kurs. 2023 gab es im Westen schon fast 4,4 Prozent mehr, im Osten immerhin 5,85. Da die Inflationsrate auf 5,9 Prozent gefallen war, entsprach das beinahe wieder einer stabilen Auszahlung, gemessen in Kaufkraft. 

Die deutsche Renteneinheit

Der Schluck, der 2024 ausgegeben wurde, war dann auch etwas kleiner, wenn auch erstmals endlich einheitlich in Ost und West: 4,4 Prozent mehr für alle. Die Inflation war nun auf offizielle 2,2 Prozent gefallen. Jeder konnte sich wieder mehr leisten. Seit 2021 hat der Euro in Deutschland etwa 18 Prozent an Kaufkraft verloren, die Renten aber stiegen um fast 16 Prozent. Genau das meint Stabilität, wie sie der von so vielen unterschätzte Bundeskanzler immer meinte. 

Allen etwas nehmen, aber nicht zu viel, dieser Weg hat sich im zurückliegenden Vierteljahrhundert als goldrichtig erwiesen. Zwischen 2000 und 2024 stiegen die Verbraucherpreise um fast 60 Prozent. Die Brutto-Standardrente humpelte im gleichen Zeitraum zumindest für West-Rentner und -Rentnerinnen mit einem Anstieg von etwa 54 Prozent hinterher. Oder wie es Gundula Roßbach, die Präsidentin Deutsche Rentenversicherung Bund knapp zusammenfasst: "In der Vergangenheit sind die Renten zudem im Durchschnitt stärker gestiegen als die Verbraucherpreise". 

Ein besseres Leben

So ein besseres Leben in einer besseren Welt gibt es freilich nicht umsonst. Es braucht Vorbereitung, es braucht die großen Linien, die einer zieht und zwischen denen die anderen sich bewegen. Olaf Scholz, der den Unmut vieler einfacher Bürger zu spüren bekam, als die Preise sich vom Boden lösten und die Politik scheinbar ratlos danebenstand, hat die Erhöhung der Bezüge für die vielen alten, ehemals fleißigen Menschen in einer Regierungserklärung unumwunden als "einen richtigen Schritt" und "ein Zeichen der Sicherheit" bezeichnet. 

Zwar ist es ein gesetzlich festgeschriebener Automatismus, der über die Rentenhöhe bestimmt, aber Scholz war trotzdem stolz auf seine Leistung und sein Ohr, das immer noch so nahe am Volk ist. Er schätze, dass bei einer Volksabstimmung 80 bis 90 Prozent der Deutschen für eine Rentenerhöhung stimmen würden, wagte der selbst kurz vor dem Ruhestand stehende Niedersachse sich mit einer Vermutung weit vor.

Automatisierte Bescheidenheit

Es ist fast anzunehmen, dass er auch damit richtig liegen würde. Der Deutsche Bundestag etwa, der sich vor Jahren zur Vermeidung unnötig aufgeheizter Diskussionen um die Vergütung der Anstrengungen der Abgeordneten einen Mechanismus hatte einfallen lassen, nach dem die Diäten automatisch im selben Maße steigen wie der Nominallohnindex. Rein theoretisch könnten die Diäten sinken, dazu müssten allerdings die Löhne in Deutschland rein numerisch fallen. Das tun sie jedoch nie, weil für das Sinken die Geldwertverluste zuständig sind, die in der Politik gern als eine Art Naturgewalt namens "Inflation" beschrieben werden.

Der Wechsel vom öffentlich zelebrierten Selbstbedienungsmodell am Steuerzahlerbüfett zur vermeintlich bescheidenen Automatenausgabe höherer Diäten war für die Bundestagsabgeordneten ein Geschenk. Die leidige Debatte um die Angestellten der Wählerinnen und Wähler, die sich einmal im Jahr selbst die Gehälter erhöhen, ist verstummt. Und zugleich hat der kluge Schachzug dazu geführt, dass ein Anstieg der Diäten um rund 76 Prozent in nur zehn Jahren möglich wurde: 2013 musste ein Bundestagsabgeordneter noch mit schmalen 8.252 Euro im Monat auskommen. Derzeit bekommt er im Monat bereits Höhe 14.558 Euro.

Der Index will es

Und die nächste Erhöhung um sechs Prozent, der Nominallohnindex will es nun mal so, dagegen kann niemand etwas machen, steht unmittelbar bevor. Sie folgt auf eine von sechs Prozent im vergangenen Jahr, der Erhöhungen von 3,1 und 2,6 Prozent in den Jahren 2022 und 2023 vorausgingen. Summiert freuen sich die Abgeordneten heute über 17,3 Prozent Entgeltsteigerung in vier Jahren. Der Langzeitvergleich zeigt echte Wohlstandsgewinne: Die Renten kletterten um 54 Prozent, die Preise um 60, die Diäten um stolze 76.

Rentnerinnen und Rentner kamen mit ihren fast 16 Prozent nicht ganz so gut weg, aber auch beim ZDF zeigt sich eine solidarische neue Bescheidenheit: Statt der 3,74 Prozent mehr Rente, einer Erhöhung, die erstmals seit fünf Jahren über der offiziellen Inflationsrate liegt, gibt es beim ehemaligen "Zweiten" Lohn- und Gehaltserhöhungen von knapp fünf Prozent. 

Die als „lineare Anhebung der Grundvergütung um 4,71 Prozent“ bezeichnete Gehaltserhöhung bekommen auch "außer- wie übertariflich Beschäftigte des Senders", als die Mitglieder der Geschäftsleitung, der Intendant, die vier Direktoren und der Justitiar. Wenn nun Regierungsjahre ins Haus stehen, in denen andere Prioritäten gesetzt und viele Entscheidungen der Bundesregierung noch viel besser erklärt werden müssen, wird beim ZDF mit Sicherheit weiterhin gute Arbeit im Dienst der guten Sache geleistet werden.

3 Kommentare:

  1. Ansage! Hat bei mir verschissen. Da kann ich ja gleich die taz abonnieren.

    „Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen“, polterte Hitler am 1. September 1939 in der Krolloper vor dem deutschen Reichstag, dem deutschen Parlament, in dem heute schon wieder gelogen wird. Nein, es wurde nicht “zurückgeschossen” – sondern mit dieser Lüge begann der Überfall auf Polen und damit dann der Zweite Weltkrieg.

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  2. Gänsefüßchen vergessen, Schulligung.
    @ Le Penseur: Die Wäbbßeid "Ansage!" - Herregud ...

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  3. Ansage: [sic]
    Wer ein Schneeballsystem stabil hält, hat durchaus Respekt verdient.
    [Eine über das Neutrale hinausgehende rechtlich-moralische Einordnung würde ohnehin weggefaesert, kann daher von vornherein unterbleiben.]

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