Mittwoch, 6. November 2024

The Day after: Eiszeit in Amerika

Gespalten und ohne Zukunft. Amerika.

Der Clown gegen die Lady. Der Irre gegen die Dame. Die, die alle wollen, Und der, den keiner mag. Der Election Day hielt Deutschland tagelang so sehr im Bann, dass Messerverbot, Wirtschaftskrise, Koalitionskrach und Brandmauerfall zur Nebensache wurden. Dann war es so weit. 

Die ARD hatte den Schauspieler Hannes Jaenicke und den Moderator Cherno Jobatey als Experten aufgeboten, dazu Beatrix von Storch und Karl-Theodor zu Guttenberg. In Brüssel, notierte die Financial Times, hat sich Kommissionspräsidentin von der Leyen mit ihren Getreuen im 13. Stock des Berlaymont-Gebäudes im "War Room" eingeschlossen, um das Schlimmste abzuwarten.

Trump ist nun auch Höcke


Von draußen drangen dieselben Geräusche herein wie seit Wochen schon. Trump log. Er rottete sich selbst ganz zuletzt noch mit seinem Gefolge zusammen. Kamala Harris war bereit, ihre Niederlage einzugestehen. Der Verlierer aber wetterte schon wieder über "Wahlbetrug", wegen einer Softwarepanne beim Auszählen, die überall passieren kann, wo Handauszählung verboten ist. Jetzt erst gelang es, die ganze Wahrheit herauszubekommen: Trump ist nicht nur Hitler. Er ist Höcke.

Müll überall. Demokraten im deutschen Fernsehen. Alte Männer. Ältere Frauen, die noch einmal als "jünger" (Sandra Maischberger) bezeichnet werden dürfen. Eine "unfassbar kompetente Frau" (Constance Chucholowski). Ein Lügner. Und beide verblüffend lange gleichauf in der Beliebtheit beim Volk. 

Möglicherweise folgenreich


"Die USA begehen eine der möglicherweise folgenreichsten Wahlen der vergangenen Jahrzehnte" (Die Welt). Der "Spiegel" hat eine Kompanie nach Übersee geschickt, wo Luisa Neubauer bis zuletzt Klinken geputzt hat. Jörg Schönenborn ist wie immer mit seinen Zahlen und Karten und Erläuterungen gekommen. Die Angst ist groß in Deutschland, dass schwere Zeiten kommen, und das sogar, wenn die Richtige gewinnt. Die Kandidatin, die anfangs fliegen zu können schien, musste kämpfen.

Kann das Deutschland auch? Wird es Europa können, wenn der faschistische Diktator wieder ins Weiße Haus einzieht? Oder Kamala Harris, die bisher nicht erkennen lassen hat, wie ihre Befehle Erwartungen an die EU aussehen werden? Die Ungewissheit ist groß und im Fernsehen geht es um die "hohen Spritpreise", die in den USA etwa ein Drittel so hoch sind wie in Deutschland, am Ende aber alles entscheiden könnten, wenn sich nicht ausreichend Amerikaner dazu bekennen, gern ein wenig mehr zu zahlen, wenn es dem Klima hilft.

Grausen im Kanzleramt


Olaf Scholz, von dem nicht bekannt gemacht wurde, ob er mit Robert Habeck und Christian Lindner gemeinsam mit bibbern wird, muss es grausen bei der Aussicht, dass es auf die Wirtschaft und den Wohlstand ankommt, den die Bürgerinnen und Bürger fühlen. Obgleich der Kanzler meist wirkt, als habe er schon lange mit seinem Amt abgeschlossen, nach außen hin beharren er und seine Partei darauf, dass es nach der nächsten Wahl weitergehen wird mit dem ganzen Fortschritt und der großen Transformation. Besonders traurig: Aufgrund der Gesetzeslage in Deutschland wird Scholz nicht einmal die Abtreibungsgesetze als Trumpf ziehen können.

Deutschland schläft den Schlaf der Sorglosen, während in Übersee die Fundamente der westlichen Wertegemeinschaft abgerissen werden. Die Menschen in Georgia machen den Eindruck, als wollten sie einen Riesenfehler begehen. In vielen anderen der Bundesstaaten, die zuerst ausgezählt werden, war nichts anderes zu erwarten. Wer gewinnt? Harris oder Trump? Umfrageinstitute oder Wahlwettbörsen?  Demokratie oder Chaos? Eichhörnchen oder Katzen? Pest oder Cholera? Putin oder wir?

Keine richtige Demokratie


Die Nacht ist lange jung, weil Amerika so groß ist und das Wahlsystem sehr antiquiert. In einer richtigen Demokratie wie der deutschen wäre schon um zehn nach Sendeschluss der ganze Spaß vorbei und der strahlende Sieger würde für die Runde mit den anderen Elefant:innen geschminkt. So bleibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Ungeliebten mit dem Ungeheuer. 

"Ein Traumpaar der rechten Propaganda", hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach analysiert, der definitiv nicht zur Wahlparty ins Kanzleramt geladen ist. Der Sozialdemokrat meint natürlich Trump und Musk, denen "eine unvergessliche Nacht zusammen" wünscht, "in der eine erfolgreiche, intelligente und sympathische farbige Frau auf die Bühne der Weltpolitik steigt".

Selbst Hilfe aus Berlin


Dort wird sie jede Hilfe brauchen, selbst die aus Berlin, einer Stadt, in der man sich selbst kaum mehr helfen kann. Außenministerin Annalena Baerbock hat ihre Konsequenzen gezogen: "In dem Moment, in dem die Welt gebannt auf die USA blickt, gibt es keinen besseren Ort, als hier bei Euch in der Ukraine zu sein", hat sie noch vor Schließung der Wahllokale gekabelt. "Wir", schreibt sie, "bleiben an Eurer Seite". Ob aber die Amerikaner zum Wir gehören, weiß auch sie noch nicht.

Ist auch egal, sagt Gregor Gysi. "Unabhängig davon, wer 2025 ins Weiße Haus einziehen wird, muss sich Deutschland endlich von seiner Vasallen-Haltung gegenüber den USA lösen und eine eigenständige Rolle als Vermittler in den internationalen Beziehungen finden", sagt der letzte SED-Chef. Dazu brauche es "keine gigantische Aufrüstung", sondern "diplomatisches Geschick". Putin um den Bart gehen. Keine Angst vor Hunden. Auf den langen Tisch hauen, aber leise.

Keine Flinte ins Korn


So einfach, so leicht. Geht es aber schief in den Vereinigten Staaten, stehen Europas vereinige Staaten allein, nach Gysi "Vasallen" ohne Herr und in Kürze vielleicht auch ohne Regierung, was Deutschland anbelangt. Im politischen Berlin steht die Brandmauer insoweit, als keine Koalition die Flinte ins Korn werfen darf, wenn der größte Verbündete um den Erhalt seiner demokratischen Verfasstheit ringt. Es muss weitergehen, wenigstens in Berlin, wo "Sparkurs" mit "Schuldenbremse" kämpft und "Kaputtsparen" mit "Investitionsbremse" und "Rekordeinnahmen". 

Trump sammelt Stimmen, Harris Sympathien. Im Verlauf der Nacht zieht der Bitcoin nach einem Dip wieder an und die Leichenbittermienen der Ansager im deutschen Fernsehen werden länger und länger. By an inch steht es Spitz' auf Knopf und der Fehler, den die Amerikaner gegen guten deutschen Rat gemacht haben, wird immer historischer und die Zeichen an der Wand flüstern nicht mehr, sie schreien. Der Neue wird der Alte sein, we the people, der verhasste, gefürchtete Richter, hat gesprochen und nicht einmal leise.

Wasser auf die Mühlen


Das wird Wasser auf die Mühlen der Feinde von Wasauchimmer. Die Frauen, auf die das Gute seine Hoffnungen gesetzt hat, haben die Gefolgschaft versagt. Die Latinos, die Schwarzen, die LGBTQ-Gemeinschaft auch, alle diese kleinen Gruppen, die dem Wunsch und der Vorstellung der deutschen Beobachter und Ratgeber zufolge für Harris hätten votieren sollen.

Rettet sich das Gute nun in ein Gerangel? Muss man anerkennen, was einem nicht gefällt? Noch ist am Morgen nicht aller Tage Abend, nicht einmal in Deutschland, wo sich die Zuschauenden der Gemeinsinnmedien die Augen reiben werden, weil das ja nun nie hätte passieren können.

8 Kommentare:

  1. Man muss sich ja konzentrieren, allein unter Woken nicht ständig mit einem Grinsen herumzulaufen. Trump wäre nicht 5% so interessant, wenn er nicht die weltweit vereinten Gutmenschen derart zum Verzweifeln bringen täte.

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  2. Vielleicht kann Deutschland die Flüchtlinge aus den USA aufnehmen. Wir schaffen das 2.0.
    D.h. nicht nur die Illegalen, auch die Hollywoodstars und Journalisten, die nun der Verfolgung durch den Diktator ausgesetzt sind.

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    1. Da kenne ich schon jemanden, der hier lebt und eventuell Asyl beantragt, weil der "Faschist" an der Regierung ist.

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  3. Stand 9:13 Uhr (266 Elektoren für Trump): Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen!

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  4. Damals 2016 kündigten schon diverse "Stars" und Sternchen an, bei einem Wahlsieg Trumps quasi auszuwandern, ja zu "flüchten". Nichts passierte.
    Klonovsky übertreibt ja mindestens bei seiner Darstellung D.T.s als den Katechon. Aber "victrix causa diis placuit sed victa (catoni)" erwärmt mein Herz erheblich.

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  5. Ich bin gespannt, wann der erste Journalist (weibliche Form eingeschlossen) in Hinblick auf das Wahlergebnis abschätzig von „Swingerclub“ spricht.

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  6. das kommt jetzt, wie eine riesige blaue welle. wir sind da schon dran

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