Samstag, 12. Oktober 2024

Zurück zur Volkspartei: Das grüne Chamäleon

Auf den ersten Blick zu erkennen: Christian Ulmen (l.) in seiner bisher größten Rolle als künftiger Grünen-Chef "Felix Banaczak".

Er ist offiziell ein Stubenhocker aus Leidenschaft, aber bekannt für seine großen Rollen in Film und Fernsehen. Christian Ulmen verbringt seine Freizeit gern in den eigenen vier Wänden, er ist keiner, der unentwegt in Talkshows auftaucht oder mit Hobbys, sportlichen Leistungen oder prominenten Freunden hausieren geht. Im "Tatort" gab er einen zauseligen Kommissar, in "Herr Lehmann" einen typischen westdeutschen Aussteiger und für seinen Auftritt in "Mein neuer Freund" heimste er den bayrischen Filmpreis ein. Ein Sympath, eher still und unaufgeregt, aber immer an Experimenten interessiert.

Sein größtes Abenteuer

Sein größtes Abenteuer bereitet Ulmen offenbar in diesen Tagen vor. Nach der Neuordnung der Grünen-Spitze durch den Bundesklimawirtschaftsminister, der die bisherige Parteiführung suspendierte und sich anschickt, die einstige Öko-Partei kampagnenfähig für die kommende Bundestagswahl zu machen, tauchte mit Felix Banaszak ein bis dato weitgehend unbekannter Kandidat für die Nachfolge der beliebten Doppelspitze aus Omid Nouripour und Ricarda Lang auf. Ansatzlos verkündete der neue Mann ein neues Mantra: "Wir Grüne haben uns viel zu lange von anderen definieren lassen. Ich will dabei helfen, dass diese Zeiten enden - und die Grünen zu alter Stärke zurückfinden." 

Banaszak definiert die nach dem plötzlichen Umbesetzungsmanöver schon als "Bewegung Robert Habeck" kritisierte frühere Volkspartei als Problemlösungskraft, die weiß "wie man arbeitet". Er strahlt Tatkraft aus, Charisma und Entschlossenheit, verweist auf eine Biografie, die Jahre an der Spitze der grünen Jugend und die für Nomenklatura-Kader übliche lange, harte Schule im Parteiapparat und in den Abgeordnetenbüros mehrerer grüner Parlamentarier zeigt. 

Kein "typischer Grüner"

Der Mann, offiziell aus dem "Ruhrpott", wolle kein "typischer Grüner" sein, belegt ein Porträt in der "Zeit", das sich liest, als habe es eine KI nach der Vorlage früherer Greta-Thunberg-Porträts geschrieben. Er sei weder verbiestert noch zeigt er die typischen Allüren spätgrüner Dekadenz.  "Als der 34-Jährige im Bundestag wie aus dem Nichts im Erdgeschoss des Jakob-Kaiser-Hauses auftaucht, grinst er bubenhaft und wie oft etwas schelmisch", schildert Jana Hensel ihre Begegnung mit dem Kandidaten aus den grünen Hinterbänken, der das Abrutschen der Grünen in die Bedeutungslosigkeit aufhalten soll. Was für ein Mann. Was für ein Hoffnungsträger.

Kinobesucher und Fernsehfans allerdings stutzten sofort. Aber den kennt man doch? Ist das nicht? Endlich sieht man den mal wieder, raunte es in Foren von Filmkunstfreunden und Kinofans. Der Augenschein vermag in der Tat kaum zu täuschen: Dieses verschmitzte Lächeln. Der Dreitagebart. Die Windfrisur mit den bescheidenen Locken. Christian Ulmen, 2020 zuletzt im Kino zu sehen und 2021 damit seinem letzten Fernsehauftritt, ist offenbar wieder da, bereit zu seiner bislang größten Rolle als "Felix Banaszak".

Der Glückliche

Der Name ist Programm. "Felix" heißt "der Glückliche", "Banaszak" steht im Polnischen für "mir wesentlich" oder auch "mir wichtig". Literaturkennern fallen natürlich sofort die berühmten "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" ein, den Thomas Mann zwar nur in Notizen fertigstellte, der aber dennoch Millionen bewegt hat.

Hanskenvin Jamosch, der hinter der Entwicklung der ersten aus echten Spielszenen echter Schauspieler in echten Parteigremien und Parlamenten stehenden Streaming-Doku "Am grünen Tisch" (Arbeitstitel) steht, lächelt. "In Manns ,Der Memoiren erster Teil' erfährt man nur etwas über die Jugend des Titelhelden", sagt der Literariker und Exposeexperte, der schon für Amazon und Paramount gearbeitet hat. Die Fortsetzung mit Christian Ulmen solle nun, angesiedelt in einer gänzlich anders gearteten Zeit, "den nach dem Vorbild des prominenten Hoteldiebes Georges Manolescu modellierten Helden aus der Tradition des Abenteuer- als auch des Schelmenromans herausführen".

Im bürgerlichen Heldenleben

 Ziel sei es, ihm einen Platz im "bürgerlichen Heldenleben" (Carl Sternheim) zu sichern, wie der studierte Kinderbuchautor Jamosch sagt. Die Chancen für das am Vorbild des großen Günter Wallraff orientierten Vorhabens stehen gut. Christian Ulmen gilt als wahres Chamäleon, der allen seine Rollen seinen ganz persönlichen Stempel aufzudrücken weiß. Egal, in welche Rolle er schlüpft, am Ende steht immer Christian Ulmen vor der Kamera, ein sympathischer Kerl, dem keiner böse sein kann. 

"Wir gehen davon aus, dass seine Bekanntheit auch die Sympathiewerte für die Grünen wieder nach oben schnellen lässt, sobald die Ausstrahlung der ersten Staffel beginnt", sagt Hanskevin Jamosch. In vergleichbaren Fällen hätten Dokumentationen stets nicht nur die Bekanntheit ihrer Protagonisten gesteigert, sondern immer auch deren Beliebtheit. "Das war auch der Grund, weshalb sich die Grünen auf unser Angebot eingelassen haben, nach all den Jahren mit Amateuren ohne höhere Abschlüsse und Qualifizierung einen Profi aus der Schauspielbranche an der Parteispitze zu platzieren."

Sympathiepunkte sammeln

Jamosch, der "House of Cards" und "Borgen" als zwei seiner Lieblingsserien nennt, gibt zu, selbst gespannt zu sein, "inwieweit es uns gelingt, mit Christian in der Hauptrolle so viel Sympathiepunkte zu sammeln, dass die politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre und die Skandale bei der Bundestagswahl keine Rolle mehr spielen". Dem bisherigen grünen Vorstand aus Omid Nouripour und Ricarda Lang habe er bei der Vorstellung des Projektes versprochen, dass es gelingen werde, das Ruder herumzureißen und auf den Weg zur Volkspartei zurückzukehren. "Beide sind Ulmen-Fans, beide haben sofort gesagt, okay, für dieses Vorhaben opfern wir uns sehr gerne."

5 Kommentare:

  1. Das paßt zu der Meldung, daß sich der größte Wirtschaftsminister aller Zeiten damit rühmt, mehr Bewegung in die Wirtschaft gebracht zu haben als alle anderen Minister.
    Und damit hat er völlig recht. Jetzt müßte nur noch jemand die Richtung der Bewegung um 180° drehen, aber das wird ganz gewiß kein Grüner sein.

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  2. Das größte Wählendenpotential der Grünen sind die angejahrten Aktivistinnen, denen Habeck allmählich zu fertig und abgeledert erschien. Der neue Sonnyboy dürfte da einige Prozent zurückholen.

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  3. Der neue Sonnyboy dürfte da einige ...

    Aber ganz genau so! Leider.

    Meinen Respekt dem Blogwart, dass er sich "Die Zeit" antut - ich hätte Schiss, dass mir da Bejkeles wachsen würden.

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  4. Colleen ist aber schon eine heiße Braut.

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  5. Aber ganz genau so! Leider.
    Wird gut ankommen bei güsten Kühen!

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