Im kommenden Jahr geht es um die Verlängerung des Mietvertrages für dieses Haus. |
Zum 34. Jahrestag der Wiedervereinigung der Reste des ehemaligen Deutschen Reiches ist das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik vergiftet. Ost und West sind gespalten, der Naziblock marschiert, die Zeiten, als "Merkel muss weg" noch als schrecklichste Ausprägung eines Missbrauchs der vom Staat gewährten Meinungsfreiheit galt, sind lange vorüber. Trotz aller Schutzmaßnahmen, die von den deutschen Geheimdiensten und der EU getroffen wurden, sind Hetzer und Hasser überall unterwegs, um Zweifel zu säen.
Im großen Einheitsinterview mit PPQ hat mit Werner Sauber von der Deutschen Stiftung für Engagement für den guten Zweck (DSEGZ) über ein Land gesprochen, das immer mehr einem Mann gleicht, der verzweifelt versucht, sich aus einem mächtigen Berg aus Treibsand zu befreien. Je heftiger er rudere, desto schneller sinke er ein, sagt Sauber, der die Zeit für gekommen halt, lieber zu Vereinen, nicht zu Spalten, und zu versöhnen statt zu verhöhnen.
Der wichtige Strippenzieher der Zivilgesellschaft, geboren im brandenburgsichen Mirow, spricht zum neuerlichen "Tag der deutschen Einheit" erstmals Klartext zu den sich häufenden Anfeindungen gegen die Demokratie und er empfiehlt eine klare Strategie der Einheit der demokratischen Parteien mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl.
Ein neuerlicher Hitzesommer, Attacken auf Politiker, Übergriffe gegen Engagierte,
Kriege, Krisen, Vorwürfe gegen die Regierung - die Atmosphäre in Deutschland ist
angespannt wie immer. "Wir erleben ein erschreckendes Maß von
Anfeindungen gegen unsere Demokratie", sagen Sauber mit Blick auf die Scharfmacher.
"Die Wortwahl wird immer radikaler und schlägt auch in Gewalt um. Das
bereitet mir große Sorgen."
Werner Sauber, der zuletzt als Wahlkampfbeobachter in Thüringen unterwegs war,
plädiert vor diesem Hintergrund dafür, die Reihen der Demokraten entschlossen zu schließen.
Was die Minderheit am rechten Rand tue, sei dann egal. Die Bundestagswahl im
kommenden Jahr habe eine besondere Bedeutung. "Barfuss oder Lackschuh,
das ist diesmal wieder die Frage." Es gehe wie immer darum, "unserem
Land und unserer Demokratie einen Dienst zu erweisen - und die richtige
Parteienkonstellation zu wählen", warnt Sauber.
PPQ: Herr Sauber, die Sicherheitsbehörden haben in diesem Jahr schon
mehr Übergriffe auf Politiker registriert als jemals seit Beginn der Zählungen. Bei über der Hälfte
kommen die Täter nicht einmal aus dem rechten Spektrum. Was ist los in
diesem Land?
Sauber: Die hohe Zahl von
Übergriffen auf Politiker ist eindeutig ein Warnsignal. Wir müssen auf der Hut sein. Die Stimmung ist schlecht, aber aufgeheizt, den Menschen geht es gut, aber sie haben schlechte Laune. Das wird von bestimmten Adressen genutzt, um ein eigenes Süppchen zu kochen. Wenn wir nicht aufpassen, verdirbt sich das Land daran den Magen.
PPQ: Wie unerwartet kommt das für Sie?
Sauber: Wir erleben ein erschreckendes Maß von Anfeindungen gegen
unsere Demokratie. Mal sind Politiker die Zielscheibe, mal die Medien,
mal Demonstranten, mal Gegendemonstranten. Aber eben auch zunehmend
unser Staat insgesamt. Die Polizei habe ich jetzt ganz vergessen. Aber
die Wortwahl wird immer radikaler und schlägt auch in Gewalt um.
Zerstörte Plakate, Geschrei an Wahlkampfständen, Widerworte, die selbstbewusst vorgetragen werden und nicht mehr hinter vorgehaltener Hand. Das bereitet
mir große Sorgen.
PPQ: Haben wir eine Situation wie in den 30er Jahren des 20.
Jahrhunderts? Ist Hitler bald wieder da? Wie sehen Sie das?
Sauber: Wir sind noch längst nicht so weit wie in der Weimarer
Republik. Aber auch damals haben sich Worte und Taten immer mehr
hochgeschaukelt. Kneipenschlägereien, rechts gegen links, links gegen
rechts. Wenn Sie sich umschauen, erinnert manchmal schon manches daran.
Aber am Ende ist die Weimarer Republik nicht an zu vielen
Nationalsozialisten zugrunde gegangen, sondern weil es zu wenig
aufrechte Demokraten gab und zu viele Kommunisten. Das hat sich
glücklicherweise geändert.
PPQ: In manchen Parteien gibt es die Kommunisten ja noch, andere bestehen gerichtlich festgestellt aus Faschisten. Was kann demokratische Politik tun, damit sich das Klima trotzdem wieder entspannt?
Sauber: Wir Demokraten müssen zusammenstehen. Wir dürfen keine Zweifel
daran nähren, dass unser Weg richtig ist, weil er wahr ist. Wir müssen
noch besser erklären, dass es keine Alternative gibt, dass die Renten
stabil bleiben, dass die Armut weiter bekämpft wird, dass wir Europa neu
denken und neu handeln müssen, wo es um die Sicherheit geht. Natürlich
werden in der Politik auch Fehler gemacht. Aber selten.
Letztlich leben
wir alle in einem sehr guten Staat und in einer wirklich funktionierenden
Demokratie in einem guten Europa mit einer funktionierenden
Völkerfamilie. Das müssen wir selbstbewusster sagen und uns gegen die
Feinde der Demokratie wehren, die anderer Ansicht sein zu müssen
glauben. Und das kann nicht die Politik allein, sondern muss die
Gesellschaft insgesamt tun, einschließlich der Medien: Hartnäckig
widersprechen, wo Kritik kommt, Nörgler und Zweifler in die Schranken
weisen. Dann wird es.
PPQ: Das ist leicht gesagt, aber die Republik polarisiert sich immer
mehr. Die Rechten eilen von Erfolg zu Erfolg, weil sich die, die an die
Alternativlosigkeit nicht glauben wollen, hinter den Fahnen dieser
Hetzer versammeln. Was will die Union dagegen tun?
Sauber: Alle Parteien im Bundestag verlieren an die AfD. Das ist nicht
gut, aber besser, als wenn es deren Fantasien vom Staatsstreich umgesetzt worden wären. Die Entwicklung
bietet uns so sicher Gelegenheit, zu mehr Gemeinsamkeit zu finden. Ich
rate dazu, weniger über die AfD zu reden, sondern vielmehr darüber, wie
gut es Deutschland geht. Seien wir doch selbstbewusst! Sagen wir ruhig,
dass wir 79
Jahre nach einem verlorenen Weltkrieg die sind, die in Europa ein Wörtchen mitreden,
die ihren nachhalrig, wertschätzend und gerecht erneuern und der
Welt ein gutes Beispiel geben! Wir haben Wachstum, Renten, Diäten und Reallöhne steigen, all
das haben viele andere nicht. Das müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern
nur immer wieder sagen.
PPQ: Aber viele Menschen glauben, Deutschland verändere sich zu ihrem
Nachteil. Ein Argument, das einst auch die Grünen groß gemacht hat.
Sauber: Die deutsche Urangst war damals die um das Klima. Das war legitim.
Heute müssen wir noch besser erklären, was wir alles schon erreicht
haben: Der Atomausstieg ist beendet. Das Ozonloch verdübelt. Der Energieausstieg
auf einem guten Weg. Auch die Zahl der Flüchtlinge ist ganz leicht
zurückgegangen, und wir wollen sie möglichst weiter reduzieren oder
zumindest auf dem gegenwärtigen Niveau halten. Wir kontrollieren auch
unsere Grenzen. Ist das nichts? Wir arbeiten mit anderen Ländern an
Vereinbarungen für Grenzverfahren und schauen dabei nicht kleinlich darauf, ob es sich um
eine Diktatur handelt, die gegen die Menschenrechte verstößt. Die Welt
ist eben komplizierter geworden, die Antworten müssen einfacher werden.
Die demokratischen Parteien arbeiten hart,
sie zu finden. Und wir haben Erfolg.
PPQ: Indem die CDU, die SPD, die Grünen und die FDP ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik korrigiert
haben, meinen nun aber besonders Schlaue, das habe man ja schon immer gesagt. Delegitimiert das mit Blick auf die Bundestagswahl
nicht Bemühungen, das tun tun, was mancher Wähler schon 2015 und 2016 gefordert hat?
Sauber: Richtig, das Ziel der demokratischen Parteien ist inzwischen auch, die Zahl der Flüchtlinge
spürbar zu verringern. Dank er europäischen Lösung, die die EU gefunden hat, kann das erreicht werden, ohne dass wir
selbst etwas tun müssen. Es dauert eben nur seine Zeit. Normalerweise hätte
dieser kluge Schachzug die Wähler überzeugen müssen. Aber das braucht
noch Weile und in dieser Übergangsphase nicht einzuknicken, das ist unser Ziel. Die Aufgabe bleibt also vor allem, den Sturm durchzustehen, bis die europäische Lösung greift. Das kann aber gelingen, weil in der nationalen Politik niemand mehr auf seine eigene Verantwortung festgenagelt werden kann.
PPQ: Das klingt nach einer klaren Strategie. Aber im kommenden Jahr müssen sich alle Parteien dem Votum der Wählerinnen und Wähler stellen. Wenn nun alle durch eine Tür wollen, wo bleibt denn da die Unterscheidbarkeit? Könnten die
Koalitionspartner und die anderen demokratischen Parteien nicht ebenso gut gleich mit
einem Konsenskandidaten in den Wahlkampf gehen?
Sauber: Das ist wäre gerade in diesen Zeiten schön, verbietet sich aber aus Respekt vor den demokratischen Institutionen. Zu gut sind vielen Älteren noch die DDR-Sitten mit der Nationalen Front in Erinnerung. Nein, diese Bundestagswahl
hat eine besondere Bedeutung, enorm, wegweisend. Diesmal geht es vielleicht mehr denn je
darum, unserem Land und unserer Demokratie einen Dienst zu erweisen -
und aus einer Parteienkonstellation, die wie unsere seit Jahren für
Stabilität, Sicherheit und Gesundheit in ganz Europa steht, sollen Wählerinnen und Wähler weiterhin frei wählen können, wem sie am besten zutrauen, gemeinsam mit den anderen Demokraten die besten Lösungen zu finden.
PPQ: Sind denn die Bewerber um den Platz im Kanzleramt aus ihrer Sicht geeignet?
Sauber: wenn wir uns aus demokratietheoretischerf Sicht jemanden backen könnten, wäre das sicher eine Persönlichkeit, die leitend und
wertbildend in die großen Debatten eingreifen kann, charismatisch, jung, eloquent und sympathsich. Talkshowerfahren,
aber nicht verschlissen. Telegen, aber kein Schauspieler. In Dingen der
Globalisierung ebenso zu Hause wie in der Kommunalpolitik, unängstlich, in den europäischen Partnerländern angesehen, in der Welt
der Wissenschaft geschätzt. Musikalisch wäre auch schön,wichtiger aber. Er oder sie müsste zupackend wirken. Gern auch mit einer soliden
wissenschaftlichen Ausbildung oder zumindest einem sauberen Doktortitel.
Sie oder er müsste die Gesellschaft zusammenführen können. Zugleich
sollte es aber auch jemand sein, der die Rechten ausgrenzen kann. Und
der im harten politischen Geschäft auch physisch standhält. So jemanden haben wir aber nun mal nicht.
OT
AntwortenLöschenBettina Sauer auf Dschuhwotsch:
>> Die Gallionsfigur der sich neu erfundenen deutschen Kommunisten und Sozialisten, Sahra Wagenknecht, wird am 3. Oktober ... <<
Galloppi, galloppi!