Der Wahlkampf der SPD setzt auf das Prinzip "Teile und herrsche". |
Die Idee ist schon älter, sie stammt noch von Kevin Kühnert, dem inzwischen aus gesundheitlichen Gründen abgetretenen SPD-Generalsekretär, der vorerst nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter sein will. Im Frühjahr, als die Umfragewerte der deutschen Sozialdemokratie keine freundliche Reaktion auf die Wahlkampagne mit Katarina Barley als "stärkster Stimme Europas" zeigten, kam der gewiefte Stratege Kühnert auf den Einfall, es stattdessen mit dem alten römischen Rat Divide et impera zu versuchen.
Teile und herrsche
Teile und herrsche, zuletzt von der kapitalismuskritischen Bewegung Occupy Wall Street verwendet, um eine gefühlte Mehrheit für die Hinwendung des Westens zum Sozialismus zu simulieren, wurde in den letzten Tagen des EU-Wahlkampfes auf Großplakate gedruckt. "Politik für die unteren 99 Prozent" versprach die SPD von oben herab. Wenigen nur werde es schlechter gehen, vielen aber besser.
Die SPD zielte klar auf eine Mehrheit, die sie am breiten unteren Rand der Gesellschaft vermutete. Angesichts der Zustimmungsraten, die die frühere Arbeiterpartei in Umfragen erreicht, ein cleverer Schachzug: Wenn nur die Hälfte der Adressaten der frohen Botschaft die SPD wieder wählen würde, könnte sie im Bund allein regieren. Dass das eine übrige Prozent sie auf keinen Fall wählen wird, spielt dann keine Rolle.
Kühnerts Rettungsplan
Kühnerts kluger Rettungsplan ging nicht im ersten Anlauf auf. Das Versprechen an die 99 Prozent kam zu spät, die Massen ließen sich so kurzfristig nicht mehr erreichen. Womöglich spielte auch der Umstand eine Rolle, dass nicht jeder glücklich damit ist, von Sozialdemokraten zu den unteren Gesellschaftsschichten gezählt zu werden, nur weil er weniger verdient als Bundestagsabgeordneter.
Doch diese Betreuungsbedürftigen machen aus Sicht der deutschen Sozialdemokratie 99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger aus - genug Menschen, um im kommenden Jahr eine absolute Mehrheit bei der Bundestagswahl zu erobern, wenn nur die Hälfte von ihnen zurückgelockt wird auf das, was CDU-Chef Friedrich Merz vor zwei Jahren vergeblich als "Narrenschiff" zu denunzieren versucht hatte.
Der Weg zur Macht
Der Weg zur Macht, er führt über Mehrheiten, das hat die SPD-Zentrale in 36 Monaten experimental ermittelt, in denen die Ampel entschlossen gegen die Mehrheit regiert hat. Bei der letzten Bundestagswahl hatte die Partei mit dem Versprechen eines Klimageldes und eines Mindestlohnes auf Jungfacharbeiterniveau überraschende Erfolge erzielt.
Diesmal nun sollen Steuersenkungsversprechen und Staatsgeschenke für nahezu alle und fast jeden das Ruder herumreißen. Vorbild sind die Sozialisten in Litauen, denen das Versprechen, mit höheren Steuern für "Wohlhabendere" Mehrausgaben für das Gesundheits- und das Sozialwesen zu finanzieren, gerade einen Wahlsieg beschert hat.
Für 95 Prozent der Menschen plant die SPD niedrigere Steuern, wenn sie endlich den Kanzler stellt und regiert. Vier Prozent dürfen behalten, was sie heute haben. Und das eine Prozent, das übrig bleibt, soll die Ausfälle kompensieren, in dem es "etwas stärker zu Verantwortung gezogen" (Matthias Miersch) wird.
Mediale Begeisterung
Medial ist die Begeisterung gewaltig. Endlich wieder eine Partei, die sich um die kleinen Leute kümmert. Endlich eine Partei, die gegen den überbordenden Reichtum am oberen Rand vorgeht. Dort wo unanständige Nettoeinkommen von und über 170.000 Euro im Jahr bezogen werden - das ist der monatliche Durchschnittsverdienst der Menschen aus dem reichsten einen Prozents -, wird die SPD ohnehin nicht gewählt, ebenso wie weiter unten. Aber das Zugewinnversprechen für viele wird einige überzeugen, für den SPD-Plan zu stimmen.
Denn selbstverständlich braucht heute kein Mensch in Deutschland ein Jahreseinkommen von mehr als 66.000 Euro. Die es doch haben, und dazu womöglich noch sogenanntes "Vermögen" oder ein nicht selbst erarbeitetes Erbe, müssen in Bälde abgeben: Wie Kollegin Kamala Harris in den USA die Steuern für alle erhöhen will, die Einkünfte von mehr als 400.000 Dollar im Jahr haben, zielt die Sozialdemokratie auf alle, die als Fach- und Führungskräfte, Mittelständler und Freiberufler weniger hart arbeiten.
Mehrheit gegen Minderheit
Das oberste Prozent der Verdiener trägt derzeit nur knapp 25 Prozent zum Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer bei und nur 60 Prozent vom verewigten Solidaritätszuschlag. Um die deutlich größere Gruppe der unteren 95 Prozent spürbar zu entlasten, wird die nächste SPD-geführte Bundesregierung den Spitzensteuersatz auf 59 Prozent erhöhen - ein Schritt, der sich problemlos gehen lässt, denn die Minderheit der Betroffenen wird sich zumindest an der Wahlurne nicht wirksam wehren können.
Teile und herrsche, so geht Steuer-Populismus. Neid schüren, den Hass auf andere, denen es besser geht. Und den Rahm der Missgunst dann auf Flaschen ziehen. Mit der Axt des Fiskus spaltet die SPD das Land entlang eines in Aussicht gestellten persönlichen Vorteils. Was Franz Müntefering einst die "Manager" und "Spekulanten" waren, ist seinem Nachfolger Matthias Miersch die hart arbeitende Mitte oberhalb der Armutsgrenze.
Jeder Gerechtigkeitswahlkampf braucht einen Bösen, Gierigen, dem es ans Leder gehen soll, das weiß Miersch, der neue Kühnert, und noch besser weiß es Parteichef Lars Klingbeil, der den "Kampf gegen rechts" als Zugnummer lange ausprobiert, nun aber umgesattelt hat.
Zurück beim "Welterklärer"
In Bad Godesberg hatte die SPD Karl Marx vor 65 Jahren unsanft vor die Tür gesetzt, der Klassenkampf musste gleich mit gehen.2018 feierte sie den Inspirator von Massenmorden, eingesperrten Völkern und schon als ihren Ahnen, der "ein Welterklärer" gewesen sei und zu "unserer kulturell-intellektuellen DNA gehört". Mit dem Wahlprogramm - nationalistisch blinkender Arbeitstitel "Wir kämpfen für Deutschlands Zukunft: Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze sichern, Beschäftigte entlasten" - ist die Partei nun wieder zurück im Schoß des bärtigen Philosophen mit dem ausgeprägten Judenhass, der so viel "wissenschaftlich" vorhergesagt hat, dass er nahezu allem irrte.
Honecker hat immer die 99% mobilisiert, soweit sind die Scholzialisten nocht nicht. Kommt vielleicht noch.
AntwortenLöschenDie "PDS" hatte doch in den Neunzigern schon einmal eine "Besserverdienendensteuer" auf"s Tapet gebracht.
AntwortenLöschenMein Tableau spinnt. Die "FDP" keilte dagegen: Das hätte nicht nur OP-Schwestern oder fremder Zungen kundiger Sekretärinnen betroffen, sondern auch - gab es damals noch - gut verdienende Facharbeiter ...
AntwortenLöschenNur mal so zur gefälligen Kenntnisnahme.