Viel muss weg, damit es teurer werden kann. |
Der Abriss gehörte zum großen Plan des Visionärs. Patrick Graichen, der die Strategie zum Umbau Deutschland zu einer nachhaltig abgasfeien Wirtschaft ausgetüftelt hatte, ließ sich auch von Krieg und Krisen nicht beirren. Was im Frieden gut gewesen war, würde im Krieg nur umso besser werden. Im Mai 2022, Putin marschierte beinahe noch auf Kiew, stellte der Staatssekretär im Berliner Bundesklimawirtschaftsministerium das womöglich kühnste Vorhaben der Fortschrittskoalition vor.
Das deutsche Erdgasnetz, als Verteilungsinfrastruktur mitverantwortlich für Deutschlands desaströse CO2-Bilanz, werde innerhalb der nächsten paar Jahre abgerissen, um die weitere Verwendung nachhaltig zu verhindern. Nur einige wenige Stränge könnten verbleiben, um künftig umweltfreundlichen grünen Wasserstoff zu transportieren.
Hunderttausende Kilometer Leitung
511.000 Kilometer Leitungen, davon 380.000 größeren Umfangs, stehen seitdem auf der Streichliste. Das Ganze muss raus dem Boden, weg unter den Straßen, aus den Häusern und Wohnungen, um Deutschland freizumachen. Graichen, studierter Politikwissenschaftler und ausgewiesener Visionär, wies jede Idee zurück, die Rohre doch zu belassen und das Land eines Tages mit klimaneutralem Wasserstoff zu beheizen.
Pure Träumereien. Das Bundesklimawirtschaftsministerium habe nach dem Ende der Kernenergienutzung und dem Ausstieg aus der Kohleverstromung bereits eine Weichenstellung auf einen Verzicht auf gasförmige Energieträger vorgenommen. Ausschließlich Strom und Fernwärme würden Deutschland noch durch die Winter bringen. Die Hälfte der deutschen Haushalte sei damit aufgerufen und verpflichtet, sich neu zu orientieren.
Handlungsweisende Strategie
Graichen musste dann zwar gehen, Verbleib bis heute ungewiss. Doch seine Strategie blieb handlungsweisend. Eine leichte zeitliche Streckung, ein klein wenig zerknirschte Reue. Und nun steigen die Netzentgelte für alle Medienmitarbeiter überraschend stark, wo doch gerade noch deren Sinken verkündet worden war. Nur weil die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit Rücksicht auf die letzten Gaskunden, die am Ende der anstehenden Abrissjahre noch unbelehrbar mit Erdgas heizen werden, bestimmt hatte, dass die Gasnetzbetreiber heute schon Rücklagen bilden müssen, damit es am Ende nicht so teuer wird. Jedenfalls nicht für so wenige.
Lieber sollen jetzt alle zahlen, einerseits, um ihre Erdgasheizungen durch sogenannte "klimafreundliche Varianten" zu ersetzen. Andererseits aber auch durch eine Solidaritätsabgabe für den Fall des privaten Gasausstieges, damit die verbleibenden Unbelehrbaren die dicke Rechnung für das heute noch auf einen Wert von 270 Milliarden Euro taxierte Netz nicht ganz allein tragen müssen.
Ein teurer Spaß
Denn billig wird auch dieser Rückbau nicht. Derzeit kostet die Erdverlegung eines 100 Meter langen Gasrohres in ein Haus zwischen 1.000 und 2.000 Euro, sehr viel billiger wird auch das Herausnehmen nicht, schon gar nicht in zwei, drei oder sieben Jahren. Zwischen sechs und zehn Milliarden Euro wird der Abriss der langen Strecken kosten, nicht eingerechnet sind Aufwendungen für die Errichtung des parallel dazu geplanten "Wasserstoffkernnetzes", das energieintensive Unternehmen eines Tages mit viermal teurerem grünen Wasserstoff aus erneuerbarem Strom und Afrika versorgen soll.
Wenn sich denn herausstellt, dass grüner Strom, der heute erst etwa zehn Prozent des Energiebedarfes deckt, übrig bleibt. Und sich nach der Absage mehrere skandinavischer Partner im Süden wirklich Staaten finden, die bereit und in der Lage sind, eine Infrastruktur mit Wind- und Solarkraftwerken aufzubauen, die schneller noch größer wird als die deutsche. Und damit die notwendigen Überkapazitäten schafft, die der vom Wirkungsgrad her unterhalb eines gewöhnlichen Verbrenners angesiedelte grüne Wasserstoff braucht, um die derzeit pro Jahr importierten 1.500 Terrawattstunden Erdgas zu ersetzen.
Expedition ins Neuland
Ob das klappt, ist ungewiss. Deutschland betritt mit seinem Rückbau-Plan Neuland: Kein anderer Staat weltweit arbeitet an einer ähnlichen Strategie, selbst große Teile seiner kritischen Infrastruktur abzureißen und als Ersatz auf etwas zu setzen, was weder erprobt ist noch in ausreichender Menge verfügbar, sicher aber deutlich teurer und schon allein aufgrund der notwendigen Investitionen in neue Leitungen und Anlagen weitaus klimaschädlicher als alles, was derzeit betrieben wird.
Fakt ist, dass alle mehr zahlen müssen, entweder viel mehr oder sehr viel mehr. Je weniger Kunden es gibt, die Gas abnehmen, desto höhere Entgelte werden fällig. Beim Wasserstoff wird es ähnlich sein: So lange die grüne Alternative rar und gefragt ist, werden die Preise nicht sinken, und je mehr Firmen gezwungen sind, umzusteigen, umso rarer und gefragter wird der hochexplosive Zauberstoff werden.
Dazu kommen Bau- und Rückbaukosten, die zusammen eine perfekte Falle ergeben: Wer mit Gas heizt, muss zahlen. Wer auf Wärmepumpe umsteigt, zahlt genau so viel, weil der hohe Preis eines Energieträgers stets maßgeblich für den Preis der anderen ist. Wer auf Wasserstoff vertraut, legt noch etwas drauf. Und wer zurückgeht zu Kamin und Ofen, dem wird auch noch das Handwerk gelegt.
Problem gelöst, jetzt müssen nur rechtzeitig die alten Rohre raus.
AntwortenLöschenhttps://www.tagesschau.de/wirtschaft/deutschland-indien-wasserstoff-100.html
Habeck räumte bei einem Gespräch mit Studenten in Neu-Delhi ein, dass die Umstellung industrieller Prozesse teuer werde. "Man muss dafür zahlen."
Ja, 'man' muss zahlen.
Da kann man nur auf noch mehr Klimaerwärmung hoffen, das man nicht mehr heizen muss. So um die 25 Grad im Dezember, Januar und Februar würden mir gut gefallen.
AntwortenLöschenNichts Neues unter der Sonne. Im noch jungen Sowietrussland hat man die doofen bürgerlichen Inschinöre am Arsch gekriegt wegen Sabotage, weil sie gegen die überlangen Güterzüge waren, und dann wiederum auch, als das erwartungsgemäß in die Hose ging. Den letzten Abklatsch von derartigen Scherzen hatten wir noch in der Unterstufe mit Mais-Anbau und Rinderoffenställen mitbekommen.
AntwortenLöschenWar ungefähr zeitgleich mit Maos Großem Sprung nach vorn - da waren wir noch vergleichsweise gut bedient ...
Desterwegen hatte sich der selige Alan Winnington (Alphachamber kann ihn nicht ab, und wie ...) mit Mao verkracht.
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