Mittwoch, 11. September 2024

Wenn der Wähler Beine macht: Die schnelle Truppe

Klare Kante gegen alles, was bisher unumstößlich war.

Die Hoffnung war ja, dass der eine Abschiebeflug Symbol genug sein würde. Jetzt sind sie halt weg, rief die Bundesinnenministerin, riefen der Kanzler und die Vizekanzler vor dem Wahlgang in Thüringen und Sachsen ganz überraschend. Seht her, wir tun etwas! Wenig später reklamierte Olaf Scholz gar "die größte Wende" bei der Asylpolitik für sich, die es jemals gegeben habe.  

Der Wendekanzler

Da aber war es schon wieder zu spät. Der Wähler hatte gesprochen und er hatte nicht gesagt, was er sollte. In hektischen Krisengesprächen räumte die SPD langjährige Grundpositionen ab. Verblüffend schnell fanden sich Lösungen, die im August noch unsagbar gewesen waren. 

Zurückweisungen. Flächendeckende Grenzkontrollen, von denen die Bundesinnenministerin noch vor kurzem der Meinung war, dass sie "nichts bringen". Ein härterer Asylkurs mit Prüfung von Asylgesuchen schon an der Grenze samt Haft bis zur Entscheidung.

Doch in Brandenburg droht Ungemach. Großes Ungemach. Mehr Ungemach, als dieses empfindliche Konstrukt aus Rot, Grün und Gelb nach Monaten andauernder Niederlagen, Nackenschläge und Selbsttore noch wird ertragen können. 

 Rechtliche Bedenken gibt es deshalb keine mehr. Beinahe über Nacht haben sich Bedenken in Luft aufgelöst. Noch am Sonntag hatte Olaf Scholz behauptet, alles sei längst auf einem guten Weg, die Zahlen sinken und man wolle nun ganz in aller Ruhe schauen, was noch denkbar sei. 

48 Stunden später, der Zeitraum beschreibt aus Sicht der Politikwissenschaft eine sogenannte "Ampel", also eine 360-Grad-Wendung nach Baerbock, sieht die Sache schon ganz anders aus. Es werden "Haftkapazitäten" gesucht, die EU-Partnerstaaten auf eine Rückreiswelle vorbereitet, aber auch augenzwinkernde Einreisetipps gegeben: Nur wer kein Asylgesuch stelle, werde durch die Bundespolizei zurückgewiesen.

Schon lange rechtens

Das geht jetzt alles, und es geht noch viel mehr, seit ehemalige Verfassungsrichter die Gesetzeslage nach langem Schweigen auf einmal nach Pegida-Art deuten. Das alles sei schon lange "rechtens", nur nicht gemacht worden. Auch Europarecht stehe dem nicht entgegen, vielmehr sei die "jetzige Praxis nicht zulässig", weil "keine europarechtlichen Regelungen, die über deutschem Recht wie dem Paragrafen 18 des Asylgesetzes stehen".

Ein Jahr seit dem letzten großen Durchbruch zu einer gemeinsamen Lösung aller EU-Staaten, damals geradezu euphorisch als "Einigung für mehr Solidarität und geteilte Verantwortung" gefeiert, stehen die Einiger nackt im Wind der garstigen Wirklichkeit. Nicht einmal der Versuch, den Hunger der Bevölkerung nach einer Politik ohne Scheuklappen mit Brosamen wegzufüttern, hat etwas gebracht.

 Die Ampel steht vor einem Trümmerhaufen aus Illusionen. Die Opposition, die einst einer Kanzlerin folgte, der das "freundliche Gesicht" am wichtigsten war, versucht beherzt, die Chance zu nutzen, und die Regierung an die Brandmauer zu drücken.

Wasserfall aus Paraphrasen

Legal, illegal, irregulär, unerlaubt - der Wasserfall aus Paraphrasen, der neun Jahre lang Wasser auf die Mühlen der Als Gesichert Rechtsextrem Eingestuften AfD (AGREAF) spülte, er macht nun eine rechte Welle, auf der sich wunderbar surfen lässt. So schnell und grundlos die SPD umgefallen ist, unmöglich selbst von den Grünen zu halten, die ahnen, dass zu harter Protest gegen ein hartes Grenzregime die Fortschrittskoalition schneller beenden würde als Alice Weidel "haben wir doch immer schon gesagt" behaupten kann, so schnell kippen die Brigaden aus Medienarbeitern hinterher, nach deren Selbstverständnis die Wahlergebnisse dieses Jahres mit allem zu tun hatten. Nur nicht mit der Politik.

Auf einmal bekommt jeder eine Plattform, der gesichert rechtsextreme Weisheiten zu verkünden hat. Auf einmal muss sich das "freundliche Gesicht" hinten anstellen. Auf einmal ist Irine Mihalic, die "Erste Parlamentarische Geschäftsführerin" der Grünen, die prominenteste Verteidigerin eines status quo, den die Bürgerinnen und Bürger seit Jahren mit zunehmender Verzweiflung abzuwählen versuchen.

 "Keine Haft, kein Zaun"

"Transitzentren" waren vor neun Jahren noch von Sigmar Gabriel mit dem Jubelschrei "keine Haft, kein Zaun" vom Tisch gewischt worden. Vor sechs Jahren wurden sie mit der Zusicherung, man prüfe, aber nehme sich "jetzt die Zeit, die wir brauchen, um da zu einer Entscheidung zu kommen" auf die lange Bank geschoben. 

Letztes Jahr waren sie der Kern der "europäischen Einigung", nur der Bau sollte dauern, bis das letzte Braunkohlekraftwerk abgeschaltet wird, in China. 
 
Jetzt sind sie von einem Moment auf den anderen eine "europarechtlich saubere Lösung". Es braucht dazu nur die "Fiktion der Nichteinreise" und die Abkehr von allem, was gestern noch geglaubt werden sollte. Und die "Genehmigung der EU", auf die das größte Mitgliedsland nun hoffen muss wie Klein-Paule auf einen gütigen Weihnachtsmann. Wird sie mitmachen beim leichtfertigen Opfern "grundlegender Menschenrechte und der europäischen Zusammenarbeit auf den Scheiterhaufen eines hysterischen Zeitgeistes? Nein, mit der Realität hat das alles nichts mehr zu tun.

2 Kommentare:

  1. Menschenwürde über alles, über alles in der Welt gilt plötzlich nicht mehr? Wenn es dem Filz bei Parteien und Staatsmedien an die Posten und Geldströme zu gehen droht, bewegt sich plötzlich was.

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  2. Sagen wir besser, es soll so aussehen, als bewege sich endlich was ...
    Und, es wird wie üblich funktionieren. Na bitte, die sind jetzt zur Vernunft gekommen, können wir sie ja wieder wählen. Brauchen wir nicht die Natzis zu wählen.

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