Luis Wagenberg hat seinen gutbezahlten Job für das Klima gequittet. |
Es war kein schlechter Job, das stellt Luis Wagenberg von Anfang an klar. "Ich habe es tageweise geliebt", sagt er über seine Zeit bei einem großen globalen Logistikkonzern. Seine Arbeit sein abwechslungsreich gewesen, "jeden Tag etwas Neues, Herausforderungen ohne Ende, gerade in der Zeit der Pandemie", schildert der 37-Jährige. Sein Chef habe ihm viel zugetraut, er sich selbst sich aber auch mehr und mehr. "Ich würde heute sagen, ich bin da sehr geschmeidig reingewachsen und nach den fünf Jahren hatte ich alles wirklich drauf."
Gute Leistungen, hohe Einsatzbereitschaft
Wagenberg, als Sohn eines Fabrikarbeiters im ländlichen Sachsen in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, nur stundenweise von einer vollarbeitenden Mutter betreut und ansonsten oft seiner Oma im Nachbarort überlassen, spricht in der Vergangenheit. Grundsätzlich habe die Sache, wie er seine erste Festanstellung nach dem Studium der Fraktallogistik gut gemeistert, bescheinigt er sich selbst. Entsprechende Zeugnisse und Beurteilungen kann er vorlegen, auch zeigt er auf Nachfrage bereitwillig Briefe seines Arbeitgebers, in denen ihm mehrere Gehaltserhöhungen mitgeteilt wurde. "Durchweg wegen guter Leistungen und meiner hohen Einsatzbereitschaft", erklärt er.
Es hätte etwas fürs ganze Leben sein können. Lange habe er auch gedacht, es sei genau das. "Ich fand unsere Arbeit immens wichtig, wir haben die Lieferketten am Laufen gehalten, die Leute versorgt, auch Krankenhäuser und Kasernen und Kindertagesstätten, dazu Behörden und sogar Abgeordnetenbüros." Er habe sich dabei immer als Rädchen gesehen, "klein, aber fein, und eins, das wie geschmiert läuft".
Schock nach der Pandemie
Doch als die Hektik der Pandemiezeit wich, seien die Fragen in seinem Inneren immer größer geworden. "Ich meine, ich habe ja an vorderster Front gesehen, wie die Frachtvolumina wieder hochgingen, wie alle wieder alles haben wollten und keiner mehr gefragt hat, was das unsere Erde, unser Klima kostet." Alle Schwüre, nach der großen Weltkrise nicht mehr so weitermachen zu wollen, seien schlagartig vergessen gewesen.
Nicht aber bei Luis Wagenberg. Er versuche daheim schon lange, mit seiner kleinen Familie klimaneutral zu leben. "Wir machen unsere Seife selbst, sammeln selbst Bärlauch für unsere Suppen und wir backen Brot aus klimafreundlicher Kleie." Seiner eigenen Berechnung nach sei sein persönlicher CO2-Abdruck kaum größer als der eines Menschen aus Malawi. "Das ist etwas, auf das ich durchaus stolz bin", sagt er, denn schließlich hätten sein Vater und sein Großvater als Arbeiter in fossil betriebenen Industrien ihm ein schweres CO2-Erbe hinterlassen.
Lange Schlafprobleme
Zu schwer, um damit leben zu können. Luis Wagenberg hatte lange Gewissensbisse und daraus resultierend Schlafproblem, "weil mir im Kopf rumging, wie sinnlos das alles ist, wenn ich am nächsten Tag wieder ins Büro gehe und helfe, das große Rad weiterzudrehen." Fast ein Jahr hadert er, berät mit Frau und Kindern, mit Freunden und den Eltern. "Dann war mir klar, dass ich einen Cut brauche." Wagenberg wurde zum Climate Quitter, einem Arbeitnehmer, der seinen gut bezahlten Job kündigt, weil er mit der Umweltbilanz seines Arbeitgeber nicht leben kann.
Ehe er selbst ein Climate Quitter wurde, habe er nicht einmal gewusst, was dahinter steckt. "Aber das Climate Quitting ist ein Phänomen, das in der Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung gewinnt." Im Internet habe er etliche andere gefunden, die dieselbe Konsequenz gezogen hätten. "Wegen der seelischen Belastung sehen immer mehr Menschen keinen anderen Ausweg, als ihren Job zu kündigen, weil sie Bedenken bezüglich der negativen Auswirkungen ihres Arbeitgebers auf das Klima haben. "Eine repräsentative Onlinestudie aus dem Jahr 2023 zeige, dass bereits die Hälfte der Gen-Z-Arbeitnehmer in Großbritannien ihren Job aufgrund eines Wertekonflikts gewechselt hätten. "Wir in Deutschland stehen noch am Anfang, aber ich denke, unsere Bewegung nimmt jetzt Fahrt auf."
Noch keine Massenbewegung
Als richtige Massenbewegung wie Fridays for Future oder die Letzte Generation sehe er das Climate Quitting noch nicht. "Dazu muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden." Doch für Luis Wagenberg ist die Entwicklung alternativlos. "Wer sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen will, kann das nicht in seiner Freizeit tun und dann im Job daran arbeiten, alle kleinen Erfolge kaputtzumachen." Nicht nur, wer bei Öl-, Gas- oder Versorgungsunternehmen arbeite, in Autofabriken oder auf dem Bau trage zum Klimawandel bei, sondern auch, wer wie er in der Logistik oder wie seine Frau lange Zeit als Lehrerin in einer Schule arbeite.
"Gütertransport ist schlimm, perspektivisch aber ist Bildung noch schlimmer", hat Wagenberg errechnet. Je höher Menschen gebildet seien, desto bessere Jobs im traditionellen Sinne stünden ihnen offen. "Damit einhergehen immer auch höhere Einkommen, mehr Konsum, mehr Verbrauch wertvoller Ressourcen, mehr Mobilität." Auch seine Frau habe deshalb gequittet: "Ja, nach vielen Gesprächen hat sie gesagt, sie steigt auch aus."
Glücklich und zufrieden
Im Privaten lebe seine Familie heute mit Einschränkungen, aber von einem gemeinsamen hohen Engagement für den Klimaschutz. "Wir vermissen die vielversprechende Karriereperspektiven nicht, die wir hatten, und die Möglichkeiten, zu reisen, haben wir auch vorher nicht genutzt, um unseren CO2-Fußabdruck zu minimieren." Er müsse sich heute beim Einschlafen nicht mehr mit dem Gedanken zu beruhigen versuchen, dass sein Unternehmen nicht das schlimmste sei und sich ja bemühe, mit grünen Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen.
"Wir leben heute bescheiden, aber glücklich", fasst Luis Wagenberg seinen Weg bis hierher zusammen. Er bereue nichts und sei mit sich im Reinen: "Der Vorwurf, dass nun andere für uns mitarbeiten müssen, trifft mich nicht."
Professionell gemacht. Es wird Leute geben, die das glauben.
AntwortenLöschenDie meisten, die den Mulm ernst nehmen, sind vom Volk der Nimbys. Die anderen sollen, aber ich doch nicht.
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