Sonntag, 18. August 2024

Wie Faschismus beginnt: Tanz den Mussolini

Wie Faschismus beginnt: Der Traum von einer sauberen Meinungslandschaft
Dreiklang des Bösen: Mit einer Relativierung des Hitlerfaschismus und seiner Millionen Opfer zeigt der "Spiegel" im aktuellen Heft, wie Faschismus beginnt.

Ganz vorn steht Höcke, den jedermann "Faschist" nennen darf. Dahinter Marine Le Pen, die Chefin der größten französischen Partei. Ihr Hintermann wiederum ist Donald Trump, der auf dem Titelbild des neuen "Spiegel" nicht nur sinnbildlich allen steht: Faschisten aus drei Ländern, Georgia Meloni hat nicht mehr ins Format gepasst, um Geert Wilders, der die Regierung in den Niederlanden seit einem Monat schon an einem langen braunen Band führt, gab es ohne nie großes Aufheben.

Wie im ersten Feldzug gegen Trump

Der "Spiegel" bleibt bei seinem Leisten, er schustert die Welt nach dem Muster seines ersten Feldzuges gegen Trump. Comicfiguren verharmlosen die Hitlerdiktatur. Die Schmuddelkinder der parlamentarischen Demokratien werden als mutmaßliche Fortsetzer des Holocaust in Stellung gebracht. Die vielen Monate, in denen es schien, als hätte es die Redaktion mangels Erfolgsaussichten aufgegeben, tagtäglich die Propagandapeitsche knallen zu lassen, sie sind vorüber. In Hamburg wird nicht mehr mit kleiner Münze gezahlt. Die großen Geschütze werden aufgefahren. Nazi. Faschist. Um den Titel zu tragen, muss niemand etwas tun. Es reicht vollkommen, etwas zu sagen.

Nein, in den Schreibmaschinengewehrstellungen der Großmedien haben sie dem früheren US-Präsidenten nie verziehen, dass das amerikanische Volk ihn gegen ihren ausdrücklichen Rat und vielmals sehr deutlich bekundeten Wunsch gewählt hat - und denselben Fehler beinahe noch einmal begangen hätte. Vier Jahre lang nährte sich die Skandalmaschine redlich von allem, was der Mann im Weißen Haus tat oder ließ. Zumindest im Inland mit einem Erfolg, der berauschend wirkte: Ginge es nach den Deutschen, wäre Kamala Harris erste und einzige Wahl. Sie müsste dazu nicht einmal ein Programm oder auch nur irgendwelche Absichtserklärungen über ihre Vorhaben vorlegen.

Gegner, die Feinde haben

Um geliebt zu werden, Sahra Wagenknecht weiß das, muss niemand etwas tun, er muss manchmal nicht einmal etwas sagen. Es reicht, Freunde zu haben oder besser gesagt: Gegner, die Feinde haben. Dann hagelt es Titelblätter, die Riefenstahl zitieren. Dann verschlingt das Böse die Welt, eine Welle spült die Zivilisation hinfort und es werden Köpfe abgeschnitten, die liebenswerte Senioren dann mühsam wieder ankleben müssen. Nach den triumphierenden Abschiedsartikels hatten alle geglaubt, es sei überstanden. Doch selbst als Ex-Präsident, dem keine Plattform mehr zustand, beschäftige Trump die deutschen Medien deutlich mehr als sein Nachfolger.

Nicht, dass es jemals zu berichten über irgendwelche Einzelheiten gekommen wäre. Details sind lästig, keine Details helfen oft, die Dinge klarer zu sehen. Dass der greise Amtsinhaber die Brandmauer zwischen der Zukunft Amerikas und dem ersten Dritten Reich in Übersee, war vor fünf Wochen noch ebenso Binsenwahrheit wie die inzwischen feststehende Tatsache, dass die Vereinigten Staaten und die Welt es niemals und mit niemandem besser hätten treffen können als mit Kamala Harris. 

Das falsche Synonym

Es geht ja nicht gegen irgendwen, sondern gegen den Faschismus, einen Begriff, der nach einer Definition der Konrad-Adenauer-Stiftung "gerne – und oft mit politischer Absicht - synonym für Rechtsextremismus benutzt" wird, um "eine polemische Verharmlosung des aktuellen Rechtsextremismus" zu erreichen. Dabei ist der Faschismus eben genau nicht das passende Wort  Nationalsozialisten, die völkische Rassismus und Antisemitismus predigen und die systematische Ausrottung ganzer Bevölkerungsteile planen. "Faschismus" nannten die Kommunisten alles, was sich rechts von ihnen befand - inklusive der SPD, die den Titel "Sozialfaschisten" tragen durften.

Der "Spiegel" geht methodisch ähnlich vor: Björn Höcke, ein erklärter Freund eines sauberen Nationalstaates, ist als "Faschist" unter Wert geschlagen. Donald Trump, demokratische gewählter 45. Präsident der westlichen Führungsmacht, sieht sich in einer Reihe gestellt mit Mussolini, Wladimir Putin und dem Ukrainer Stephan Badera, dessen Gedankenwelt von antirussischem Rassismus bestimmt wurde wie Putin von der Abwertung alles Ukrainischen. 

Alter Mann, Ausländerin und Wessi 

Der Reflex ist verräterisch. Es sind ein alter Mann, eine Ausländerin und ein Wessi, der sich in den Osten geflüchtet hat, die als Fratze des Faschismus an die Wand gemalt werden, um die Verschwörungstheorie zu untermauern, dass die junge deutsche Demokratie für demokratische Entscheidungen einfach noch nicht reif ist, soweit sie von der Bevölkerung an der Wahlurne getroffen werden. Wo immer die ungehobelte Realität Bretter liefert, aus denen sich kein Wolkenkuckucksheim zusammennageln lässt, ist die Realität schuld, nicht der mit Illusionen gemalte Bauplan.

Die beliebige Verwendung des einst vom Kreml zum Gebrauch gegen den Klassenfeind freigegebenen Begriffs "Faschismus" gegen konkurrierende Parteien, widersprechende Ideologien und Politiker, die mit anderen Vorstellungen und Plänen um Mehrheiten werben, ist Ausdruck des Traums von einer sauberen Meinungslandschaft, den schon Hitler, Stalin und Honecker geträumt hatten. Ist erst jeder Widerspruch verboten und kein Widerwort mehr sagbar, das ist die bestechende Logik dahinter, wäre es "Faschisten" unmöglich, Menschen zu verführen. 

Wie Faschismus beginnt

Denn klar ist: Während der, der getreulich wählt, was seit Anbeginn der Zeiten immer gewählt wurde, das vor dem Hintergrund gründlicher Überlegungen, gelesener Wahlprogramme und nach sorgfältiger Abwägung der Zukunftsnotwendigkeiten zur Sicherung des Überlebens der Menschheit tut, sind all die anderen Verführte, Frauen und Männer, die Einflüsterungen erliegen und selbst nicht einmal etwas dafür können. Das ist genau, wie Faschismus beginnt: Er setzt auf Erschrecken, Angst und Ausgrenzung, er wertet Menschen gruppenweise ab, bezichtigt ganze Landstriche einer "vererbten Brutalität" und verdient eine goldene Nase damit, Mitbürgerinnen und Mitbürger wegen ihrer Gebräuche, Sitten und Lebensweise als fremd und feindlich vorzuführen.

Mit der Verwendung des Begriffs "Faschismus" als Bezeichnung für alles, was nicht zum eigenen Lager gehört, ist sichergestellt, dass der so Bezichtigte keine Chance hat, sich gegen die Unterstellung zu verwahren. Schon der Versuch ist Bestätigung, das hatte Stalin seinerzeit richtig erkannt: "Der Faschismus konnte nicht verteidigt werden", schreibt Anton Pelinka in seinem Buch "Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffes". Der Band erklärt die Produktionsweise von "Spiegel"-Titelbildern, Enthüllungen zu "heimlichen Hitlern", raunende Warnungen vor neuen faschistischen Achsen und die leidenschaftliche Abwertung verhasster Politiker als Methode, die mit dem größten Geschütz auf alles zu schießen, was sich in die falsche Richtung bewegt.

Rohrkrepierer als Hasshit

Was in den 70er und 80er Jahren im Rohr krepierte, weil sich "die Linke dabei lächerlich machte, jeden politischen Gegner mit dem F-Wort zu belegen und damit den Begriff bis zur Bedeutungslosigkeit auszuleiern" (Taz), ist hundert Jahre nach der Erfindung des Faschismus als politischer Bewegung und hochwirksamer Bezichtigung hoffähig vom linken Narrensaum bis zum rechten Rand der SPD

Für die aktuell federführende Generation der Welt in den Elfenbeintürmen und Traumfabriken der großen Medienstädte gibt es rechts von Ruprecht Polenz keine Vielfalt. So wie es für den Hund überall nach Katze riecht und der Rehpinscher für die Katze nicht weniger Hund ist als eine deutsche Dogge,  sehen sie überall Faschisten, Sicher ist sicher . Lieber ein paar zu viel, als einer zu wenig. Tanz den Mussolini, ganz egal, welches Lied gerade läuft.

Der Ideologie-Hygieniker Karl-Eduard von Schnitzler, dem das Kunststück gelungen war, den aus Moskau vorgegebenen Antisemitismus als aufrechten Antifaschismus zu verkleiden, der nur gerade zufällig gegen Israel gerichtet sei, hat würdige Erben gefunden.

9 Kommentare:

  1. Ein Gut(???)teil der Faschisten rutscht der Linken dennoch durch's Netz, denn Trotzkis Schriften zum deutschen Faschismus werden heute nicht mehr gelesen:

    Danach, eher Essenz als Zitat, ist
    "Faschismus die Herrschaftssicherung des Großkapitals durch Radikalisierung der Mittelschicht".

    Harvey, Koch & Co, typische Vertreter des Großkapitals.
    Die von ihnen finanzierten und gelenkten Partei... ähm... Astroturfer: Faschisten.

    Nur wer von den Linken Internationalsozialisten liest schon Trotzki.

    Richter kennen Trotzkis Schriften übrigens auch nicht, sonst dürften... Ach... Ich lasse das mal.

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  2. Diese Faschisten würden glatt die Presse gleichschalten. Dafür sind die ja bekannt. Zum Glück waren die Demokraten diesesmal schneller.

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  3. Pepi Wissarionowitsch war schon eine Pottsau, aber wir verdanken ihm, dass uns die Freuden der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erspart blieben, indem er Leib Bronstein erst kaltstellen, und dann krrrrrks ließ.

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  4. Eigentlich hat Sascha Lobo vor einigen Jahren in einem Artikel mit dem Titel "her mit der Nszikeule" deren Verwendung wieder hoffähig gemacht.

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  5. "urban-aufgeklärtes Milieu", ein schöner Begriff, kannte ich bisher nicht. Auf dem Dorf sind also alle doof, wieder was gelernt.

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  6. Fortsetzung des H .......t - die unaufgeregte Disputation darob ist aus naheliegenden Gründen mit unverhältnismäßigen Strafen belegt. Und - es funktioniert.

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  7. Bild 1.jpegBild.jpeg

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  8. >> indem er Leib Bronstein erst kaltstellen, und dann krrrrrks ließ. <<
    Kein Eispickel ist illegal!

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  9. Kein Eispickel ist illegal!
    Oh welches Glück, dass mich ein Menschenherz begreift!
    Uffz. Revecki

    Sie können meinen Vorschlag nicht ausstehen? Er ist nicht fein? - Nein, fein ist er nicht.
    Erich Kästner

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