Stur und unbelehrbar präsentiert sich der Osten Deutschlands auch fast 35 Jahre nach der Wiederaufnahme im Kreis des zivilisierten Europa. Welche Konsequenzen sind nun erforderlich? |
Es sind die letzten Tage einer Republik, die einem Teil ihrer verfassungsrechtlichen Grundlagen selbst eine Ewigkeitsgarantie ausgestellt hatte. Das ist keine 100 Jahre her und kippelt nur mehr als nur ein bisschen. Ausgerechnet dort, wo die Behörden, Institutionen und Volksvertretungen mit Personal ausgestattet werden, wachsen die Zweifel an der Resilienz der Organe des demokratischen Rechtsstaates im Eilzugtempo.
Fehlende Dankbarkeit
Als würde ein Sturm aufziehen, wird winterfest gemacht: Das Bundesverfassungsgericht, seit Jahrzehnten Endgegner des Durchregierens der vier Parteien, die immer regieren, soll einen Wall aus Papiersandsäcken bekommen. Die vielen, vielen Verfassungsschutzämter richten sich darauf ein, vorübergehend unter Wasser zu atmen. In den großen Sendeanstalten feilen die Verantwortlichen an leichten Änderungen der Strategie, dem Bösen keine Plattform zu bieten, aber eine Grundversorgung mit Informationen über das Böse.
Dort, wo die Sorgen stets am größten sind, liegen die Nerven blank. Es sind nicht einmal mehr vier Wochen, bis all die Anstrengungen zur Demokratisierung Ostdeutschlands in einem Wahlakt verpuffen könnten, für den die in der Diktatur sozialisierten Einwohnerinnen und Einwohner von Thüringen und Sachsen und wenig später auch von Brandenburg vielleicht noch nie richtig bereit waren.
Sehnsucht nach dem Staat
Die Sehnsucht nach einem autoritären Staat hat die verbliebenen Bewohner der Weiten des deutschen Ostens nie verlassen. Sobald etwas über ein, zwei Jahrzehnte nicht so läuft, wie sie das wünschen, zeigt sich unter den 1990 Aufgenommenen eine ausgeprägte Skepsis gegenüber dem Funktionieren der Demokratie. Statt mitanzupacken beim Aufbau eines Gemeinwesens mit vielfältigen und umfassenden Betreuungsangeboten schalten sie auf stur und verweigern die Mitarbeit.
Auch die Hoffnung, dass der Anfang des Jahres ausgerufene Aufstand der Anständigen gegen die vom Rechercheportal Correctiv erfundenen Deportationspläne in Deutschland einen Ruck Richtung Re-Demokratisierung auslösen könnten, haben sich nicht erfüllt.
Fünf Jahre nach dem als "SPD-Ostprogramm" bekanntgewordenen Beschluss des SPD-Parteivorstands mit dem Titel "Jetzt ist unsere Zeit: Aufarbeitung, Anerkennung und Aufbruch", der Weichen stellte, um die "politischen, gesellschaftlichen und sozialen Zukunftsfragen anzugehen mit konkreten Vorschlägen" anzugehen, gefallen sich viele Ostdeutsche in ihrer Rolle als Ausgeschlossene, Abgewertete und nie so recht Anerkannte. Und als wüssten es die schon länger hier Lebenden aus den alten Bundesländern nicht besser, tun sie so, als widerfahre ihnen Unrecht und Ungerechtigkeit.
Dann lieber getrennte Wege
Dass Betroffene wie Marcus Bensmann nun die Geduld verlieren mit denen, die partout nicht hören wollen, ist nur allzu verständlich. In seinen zehn oder 20 Jahren als Reporter in Zentralasien hat der deutsche Investigativjournalist für das Recherchenetzwerk Correctiv viel gesehen und manches erlebt, nie aber so viel Anmaßung und verstockten Eigensinn. "Es kann nicht sein, dass eine Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger, die nur 1/6 der
Gesamtbevölkerung stellen, mit der Westbindung das Erfolgsmodell der
Bundesrepublik zerstören" hat Bensmann vor einigen Tagen geschimpft und Konsequenzen gefordert: Wer nicht hören will, muss fühlen. "Dann sollten wir lieber über eine Trennung nachdenken, die Tschechoslowakei hat es vorgemacht."
Mutig sein, eigene Wege gehen, wenn es zusammen nicht mehr geht, und etwas zu verändern, wenn das immer Gleiche zum immer gleichen, für alle Seiten unbefriedigenden Ergebnis führt - Bensmann ist nicht allein mit seiner Idee, dass Ost und West aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit ihrer Kulturen, Mentalitäten und nicht zuletzt auch politischen Vorlieben über eine Scheidung befinden. Im Grundgesetz hatten die Mütter und Väter der Deutschen Einheit von 1990 die Möglichkeit dafür ausdrücklich geschaffen, als sie den Beitrittsparagraphen Art. 23 nach seiner Anwendung durch Durchführung der Wiedervereinigung in eine Bestimmung umwandelten, die allein noch zur Mitwirkung an der "Verwirklichung eines vereinten Europas" auffordert.
Abschied von einer Wahnidee
Und was wäre denn der Schaden für wen, wenn es so gemacht würde? Dass die "Wahnidee eines harmonischen Miteinanders geplatzt" sei, weil sich die "unpassenden Puzzleteile" aus Ost und West nicht einmal "mit dem Hammer" zusammenklopfen ließen, hatte die Berliner "Tageszeitung" schon vor Jahren beklagt. Der renommierte "Spiegel" kommt nicht umhin, die "Phantomgrenze" zu beklagen, die
das Land immer noch durchzieht, trotz Aufbauhilfe in Milliardenhöhe, der Übernahme von Verantwortung durch Westdeutsche auch im Osten, trotz voller Geschäfte, üppiger Renten und einer Vollversorgung mit guten Nachrichten darüber, wie das Leben auch für die, denen es noch nicht so gut geht, immer besser wird.
Stahl lässt sich ganz schlecht nageln, Gefühle lassen sich nicht erzwingen. Die Spaltung zwischen den beiden mental so verschiedenen Landesteilen, sie ist schon lange auch eine des Interesses: War es über die ersten paar Jahrzehnten die Mehrheit der Westdeutschen, die erwartbarerweise den größeren Teil der Aufmerksamkeit aller auf sich zogen, wurde die im Osten verbliebenen Reste der ursprünglichen Wohnbevölkerung zuletzt zum Magneten des Interesses. Dieser Landstrich, wild, weitgehend nicht nur von allen guten Geistern verlassen und von Köln, Hamburg oder München aus betrachtet bis heute rätselhaft, absorbiert nicht nur Geld, Mühe und einen Großteil der Sorgearbeit aller Demokraten, sondern auch den Löwenanteil an medialer Zuwendung und öffentlichem Kopfschütteln.
Wenn ja warum so viele
Es ist Aufmerksamkeit, die anderswo schmerzlich fehlt. Wie ein Badewannenauslauf saugt der deutsche Osten Augenmerk der Normalgesellschaft an. Neugierig begeben sich auch vor den drei drohenden Landtagswahlen mutige Ermittler zu den Einheimischen, um deren Seelenlage zu erforschen. Was bewegt sie? Warum sind sie so dumm? Warum sind es so viele und weshalb werden es immer mehr, je hilfreicher ihnen Erwachsene zur Hand gehen?
Es wird vielleicht knapp zu spät sein, selbst wenn der nach einem bitteren Zwist über verschiedene Ansichten mit dem alten Verein neu gegründete PEN Berlin seine Mitglieder ausschwärmen lässt, um vor Publikum zu beweisen, dass es sich immer über alles reden lässt. In diesem Fall zumindest, so lange nicht Mitgliedernde des alten PEN ohne Berlin mitschwatzen. Nach dem Ende der Urlaubszeit werden auch die Profis wieder eingreifen, je nach Beliebtheit in den Landstrichen zwischen Rheinsberg und Zittau indem sie auftauchen oder indem sie wegbleiben, um noch größeren Schaden abzuwenden.
Der Ausgang ist offen. Zumindest verglichen mit der früheren deutsch-deutschen Grenze.
Lediglich der „EKR“, mit der Italienerin Giorgia Meloni als Gallionsfigur ...
AntwortenLöschenAuch du, Conny Axel, auch du.
Galloppi galloppi ...
Im Osten wählen immer noch zuviele Ostdeutsche. Man konnte die Bevölkerung nicht schnell genug austauschen. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei der Ampel.
AntwortenLöschenAus meiner Sicht ist das Mitteldeutschland.
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