Gute Nachrichten sind manchmal falsch, aber gemeinwohlorientierter Journalismus kann darauf keine Rücksicht nehmen. |
Erst war gar kein Geld mehr da, dann war es weg und nun gibt es doch gute Nachrichten. Die Bundesregierung hat zumindest 110 Millionen Euro gefunden, mit der sie umgehend ein neues Förderprogramm starten wird: "Nachhaltig wirken" steckt Steuergeld in die direkte finanzielle Unterstützung sogenannte "gemeinwohlorientierter Unternehmen". Firmen also, die absichtlich darauf verzichten, Gewinne zu machen oder auch nur so zu wirtschaften, dass Einnahmen und Ausgaben einander die Waage halten.
Abokisten für die Bionadeviertel
Stattdessen orientieren sich diese Unternehmer an dem, was sie für das Gemeinwohl halten. Mancher kutscht sogenannte Abokisten voller Äpfel, Kartoffeln und Kopfsalat in die Bionadeviertel der Großstädte, andere reparieren aufwendig Schrottfahrräder oder löten an uralten Handys herum, die keine Softwareunterstützung mehr genießen. Im Gnadenhof des Gemeinsinn-Kapitalismus ist jeder willkommen. "Ob Biobauernhof, Elektronikhersteller mit neutraler CO2-Bilanz und Bildungszentrum für
Geflüchtete oder genossenschaftliches Bordell", schreibt die Taz, alles kann, nichts muss.
Einen großen Teil der Branche, der die Grünen zutrauen, eines Tages eine "neue Gründungswelle" auszulösen, machen gemeinwohlorientierte Propagandastuben aus. Mitarbeiter werden hier prekär bezahlt, aber mit der Möglichkeit entlohnt, ihre eigenen Ansichten zu verbreiten. Redaktionen wie der Volksverhetzer tun das mit weniger Erfolg, die gemeinsinnpropagierende Rechercherplattform Correctiv mit größerem. Anfang des Jahres gelang es der Mannschaft von David Schraven, die Republik mit einer Horrorgeschichte über die geplante Deportation von Millionen auf die Medienbeine zu bringen. Später war der Begriff nie verwendet worden, alles nur ein Missverständnis wie damals, als Schraven Donald Trump die Wahl stahl.
Die Kämpfer des Kugelschreibers
Für so viel Gutes, was sie tun, fordern die Kämpfer des Kugelschreibers schon lange eine Anerkennung als "gemeinwohlorientierte Medien". Wer den Marktradikalen in den Großverlagen die Gesellschaft nicht überlassen wolle, brauche für seinen Gang in die gemeinwohlorientierte Demokratie Sprachrohre als Gegengewicht, die auf allen verfügbaren Kanälen Qualitätsinhalte gegen Desinformation, Lüge, Hetze und Propaganda setzen.
ARD und ZDF reichten da nicht aus, die angesichts der Umstände immer noch erstaunliche stabile Unterstützung der traditionellen Tages- und Wochenzeitungen sowie der Magazine kann jeden Moment kippen. Gerade erst war das Ansinnen der profitortientiert arbeitenden Verlage, einen Ausgleich für die millionenschweren Belastungen durch den erhöhten Mindestlohn in Form einer "Zustellpauschale" zu erhalten, nach vier Jahren unermüdlicher Überlegungen im politischen Berlin abgelehnt worden.
Geld für die, die kein Geld haben wollen
Geld für die, die mit Geld demonstrativ nichts anfangen können, fließt auch schon. Alle einschlägigen Adressen von der Amadeu-Stiftung bis zu den Neuen deutschen Medienmachern leben weitgehend von Fördermitteln. Den Kampf für Vielfalt und "nachhaltige Strukturen für Diversität im Journalismus" lässt sich der Steuerzahler Jahr für Jahr Millionen kosten. Erfolge der Anstrengungen müssen, auch das fordert das Gemeinwohl, niemals nachgewiesen werden, denn ihr Fehlen beweise zweifelsfrei nur, dass das Geld nicht gereicht hat.
Das alles ist nicht rausgeschmissen, sondern ganz natürlich Teil einer 2023 beschlossenen "Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen" (im Original), die dort hilft, wo junge oder auch alte Leute eine Idee haben, was ihnen Spaß machen würde, aber nicht genug Geld und zu wenige private Spender, um davon zu leben. Im Unterschied zur "Nationalen Tourismusstrategie", einer "grotesken Vorstellung" (Focus), die damals parallel verabschiedet und seitdem nie wieder erwähnt worden war, wissen die, die bisher so oft und aus sehr gutem Grund "das Raster der bestehenden Förder- und Finanzierungsstrukturen" (Taz) fallen, genau, wer ihnen helfen wird.
Romantische Vorstellungen
In Teilen der Bundesregierung werden dieselben romantischen Vorstellungen von einem wirtschaftlichen Bullerbü gehegt, in dem "Akteur:innen gemeinwohlorientiert wirtschaften und das auch in ihren Eigentumsverhältnisse und Organisationsstrukturen widerspiegeln, etwa durch Beteiligung und Mitbestimmung der Beschäftigten".
Volkseigentum, gesponsort zur Hälfte aus dem Europäischen Sozialfonds, zur anderen von der Bundesregierung, die demnächst auch noch die Ungleichbehandlung von nicht gewinnorientierten Firmen beim Zugang zu Fremdkapital abbauen will. Die Lobbygruppe Gemeinwohl Ökonomie Deutschland denkt schon weiter: Wer die Wirtschaft transformieren wolle, müsse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die berücksichtigen, die das Gemeinwohl als Ziel vor sich hertragen. Auch bei der Gewinnbesteuerung sei es notwendig, beabsichtigte positive Wirkungen auf Gesellschaft und Natur einzuberechnen.
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