"Mädchen, Schätze und Heiducken" ("La Révolte des Haîdouks"; Frankreich/Rumänien 1971–1973)
Er ist das legendäre letzte Mittel, die Ultima Ratio der Verzweifelten, die Medizin, die immer wirkt. An Zehn-Punkte-Plänen litt Deutschland niemals Mangel, sie tauchten auf, sie tauchten ab. Jede Herausforderung und jede Krise sowieso gebar ihre eigenen Varianten und Variationen. Wer zurückschaut auf die große Geschichte der Zehn-Punkte-Planwirtschaft, findet alle Parteien vertreten, alle Themen und - seit die EU-Vorschrift aufgehoben wurde, nach der Zehn-Punkte-Pläne bürokratisch genau die namensgebenden zehn Punkte haben müssen - auch jedwede Anzahl an Punkten.
Blase aus Leugner
Nun aber scheint das "magisches Mittel für und gegen alles", dessen Wirkungsmacht der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl nur 19 Tage nach dem Mauerfall entdeckte, als er seinen Zehn-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung vorlegte, seinen Zauber zu verlieren. Nicht nur ein Stück politische Kultur, sondern auch ein wichtiges Erziehungs- und Befriedungsmittel droht verloren zu gehen, zerrieben von Nichtachtung, mangelndem Respekt vor Traditionen und dem offenkundigen Bedürfnis, Bewährtes über Bord zu werfen, um sich Liebkind zu machen bei einer Blase aus Denkmalstürmern, Delegitimierern der bewährten Ordnung und Menschen, die als selbstbewusst als Staatsverhöhner auftreten.
Seit Kohls Zehn-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung
gelten Punkte-Pläne als grandiose Idee, die vielleicht nicht in der
Sache erfolgreich sind, aber öffentlichkeitswirksam. So kommt es, dass
in Deutschland jeder, der nicht weiter weiß, augenblicklich
verkündet, er werde mit einem Zehn-Punkte-Plan dafür sorgen, dass alles
bald so wird, wie es sich die Menschen draußen im Land schon immer
erträumten.
Unvergessener SPD-Ostplan
Eine andere Vorschrift aber blieb unberührt. Kommt es zum Äußersten, kommt ein Zehn-Punkte-Plan gerade recht. Unvergessen selbst im Osten mit seinem kurzen Gedächtnis ist der Zehn-Punkte-Einheitsplan von Helmut Kohl, dankbar sind viele gerade dort in den wilden, unzivilisierten Gebieten der SPD, dass sie 2019 mit dem Punkte-Plan für Ostdeutschland unter dem Titel "Jetzt ist unsere Zeit: Aufarbeitung, Anerkennung und Aufbruch" nicht an Punkten sparte, sondern gleich zwölf auflistete.
Was für ein Unterschied zum Vorgehen des knausrigen Finanzministers, der dem "geringen Wachstum" im Frühjahr mit einem schäbigen Sieben-Punkte-Plan zur Generalreparatur Deutschland entgegenzutreten versucht hatte. Es gab bereits einen Zehn-Punkte-Plan fürs Alter von der Allianz-Versicherung, einen Zehn-Punkte-Plan gegen Crystal von der Landesregierung in Sachsen, einen Zehn-Punkte-Plan der CDU "für den Wachstumsmotor", Sigmar Gabriels Zehn-Punkte-Plan für die Energiewende, einen Zehn-Punkte-Plan für Flüchtlinge in Hamburg, einen Zehn-Punkte-Plan gegen sexuellen Missbrauch, einen zur Antibiotikareduktion, einen anderen gegen Fluglärm, einen von Bund und Ländern gegen Pferdefleisch-Betrug, einen der EU zur Abmilderung der Folgen der Wirtschaftskrise, einen der Familienministerin zum Kita-Ausbau und einen der Bundesnetzagentur gegen steigende Strompreise.
Merkels Kulturbruch
Der Kulturbruch, den Angela Merkel beging, als sie 2016 statt eines Zehn-Punkte-Planes, wie er gute Sitte ist, einen eingedampften Neun-Punkte-Plan vorlegte, ist vergessen. Alle neun geplanten Maßnahmen sorgten dafür, dass Deutschland ein lebenswerter Ort für alle Menschen blieb. Seitdem aber müssen es doch in der Regel wieder zehn Punkte sein, das zeigt auch das bittere Schicksal, das der sozialdemokratische Fünf-Punkte-Plan zur Zustromkrise erlitt. 2018 beschlossen, bündelte er knallharte Handlungsmaximen vom Klassiker "Fluchtursachen bekämpfen" über "mehr Grenzkontrollen" bis zum "starken Schutz der EU-Außengrenzen". So weit war die EU mit ihrem "Zehn-Punkte-Plan" zur Begrenzung des "Zustroms" (Angela Merkel) von 2017 nicht gegangen. Aber selbst der 2023 vorgelegte neue Zehn-Punkte-Plan, in monatelangem nächtlichen Ringen der wichtigsten Köpfe des Kontinents erdacht und aus den Resten des Planes von 2017 zusammengenäht, konnte in Teilen nur die SPD-Ideen zitieren.
Die Planwirtschaftler
Auch schon wieder ein Jahr her. Das weiß doch keiner mehr. Warum also nicht mal wieder einen Zehn-Punkte-Plan, dachte sich Herbert Reul, der als nordrhein-westfälischer Innenminister erklärtermaßen nichts machen kann, weil das alles andere zu verantworten haben. Aber diese "Quatscherei", hat der 66-Jährige kürzlich im Fernsehen erklärt, die sei auch nicht mehr auszuhalten. Dann lieber einen Zehn-Punkte-Plan, der im Fall des traditionsverhaftete Ex-Europa-Politikers auch genau zehn Punkte enthält.
Und was für welche! Im Unterschied zum "Migrations- und Asylpaket", mit dem die Bundesregierung auf den letzten Wahlkampfmetern noch nach rechts blinkte, um im Osten Gnade zu erflehen, setzt Reul nicht nur bei den Wurzeln an, er reißt sie raus. Fast zehn Jahre hat der Rechtsstaat gebraucht, bis er zu einer klaren Antwort auf die Herausforderung durch die "Messergewalt" (Süddeutsche Zeitung) fand. Das lange diskutierte radikale, allumfassende und ausnahmslose "Total-Verbot" (Die Welt) für "Macho-Messer", das "unser Land sicherer machen würde als jede Islam- oder Hartz IV-Debatte" hatte nichts gebracht, weil es nie eingeführt worden war. Obwohl es, so das Blatt, "keinen vernünftigen Grund gibt, ein Messer zu tragen". Die drei einzigen Gruppen, die Messer mit feststehenden Klingen tatsächlich bräuchten, seien "Jäger, Angler und Köche". Alle anderen Messer dienten hingegen in "erster Linie als Männlichkeitsverlängerer".
Aber jetzt ist Schluss mit lustig. Herbert Reul hat ein Machtwort gesprochen. Nein, es gibt keine Netflix-Abos im Tausch gegen Klingen. Nein, keine schärferen Regeln für stumpfere Messer. Kein Aushungern anerkannter Asylbewerber. Die Tage der netten Ansprache sind vorbei. Herbert Reul, 71 Jahre alt und politisch schon aktiv, als Helmut Schmidt Bundeskanzler und Leonid Breschnew Wladimir Putin war, hat in den 60er Jahren erlebt, dass die Feinde des Friedens nur durch die eigene Wehrhaftigkeit in die Knie gezwungen werden können.
Statt "Quatscherei" (Reul) also ein Konzeptpapier mit dem Titel "Bekämpfung der Messergewalt im öffentlichen Raum", das mit zehn Punkten einen neuen Sicherheitsraum beschreibt, in dem Menschen bald wieder das Gefühl haben sollen, nicht auf eigene Gefahr vor die Tür zu treten.
Malwettbewerb "Mein schönstes Messer"
Reul und seine Experten wollen mit "Aktionstagen zur Bekämpfung der Messergewalt" dorthin aufbrechen. Anlasslose Kontrollen zu bestimmten Festtagen würden "jeder und jedem deutlich vor Augen" führen, "dass Waffen, Messer und sonstige gefährliche Gegenstände im öffentlichen Raum, insbesondere an den bekannten Ausgeh- und Feiermeilen, nichts zu suchen haben", hofft der CDU-Mann. Ergänzt wird die am bewährten Konzept der frühkindlichen Verkehrserziehung in Kindertagesstätten und der Seniorenaufklärung durch Schockanrufexperten in Altenheimen ausgerichtete Anti-Messer-Strategie durch Präventionsangebote an Unterbringungseinrichtungen, Waffentrageverbote in neu eingerichteten Waffenverbotszonen und Mal- und Zeichenwettbewerbe, bei denen gewalttätige junge Männer an eine musisch orientierte Zukunftsplanung herangeführt werden.
Das hat deutlich mehr Realitätsnähe als ein von den grünen Innenpolitikern Konstantin von Notz und Irene Mihalic vorgestelltes Positionspapier zur Abschaffung einer "klassischen, heute in weiten Teilen veralteten Sicherheitspolitik". Statt der üblichen zehn Punkte verbreiten von Notz und Mihalic ihre Vorschläge zur Remigration, der Aufweichung der Grenzen zwischen Polizei und Geheimdienst, zu mehr Überwachung, Schleierfahndung bei Facebook und mehr Sondervermögen auf zehn Seiten. Ein demonstrativer Bruch mit allen propagandistischen Bräuchen, den die grüne Fraktionsvorsitzende Katarina Dröge demonstrativ unterstützt: Was gebraucht werde, seien kluge, funktionierende und verantwortungsvolle Maßnahmen".
Die Liste, die Leben retten wird
Herbert Reul hat sie längst beisammen, die Liste, die so viele Leben retten wird. Nicht einfach nur Fahndung soll es künftig geben, so lange, bis der Täter an einem Streifenwagen klopft, sondern "Strategische Fahndung". Dazu der "verstärkte Einsatz mobiler Videobeobachtung" und "Intensivtäterkonzepte" (®© BWHF), polizeiliche Meldungen an die Straßenverkehrsbehörde, um auch ohne Gerichtsbeschluss Führerscheine zu entziehen, und wenn das nicht reicht, auch noch "niederschwellige Vernehmungen".
Das sind quasi auf dem kleinen Dienstweg angewiesene Neuinterpretationen der "Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)", bei denen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zugunsten einer durch das Ermittlungsverfahren erhofften Erziehungswirkung aufgegeben wird. Mutmaßliche Verdächtige seien mit "allen rechtlich zulässigen Maßnahmen", gemeint ist auch die erkennungsdienstliche Erfassung, zu drangsalieren. "Das direkte Gespräch mit der Kriminalpolizei hat eine andere, nachhaltigere Wirkung auf die Beschuldigten als das bloße Ausfüllen eines auf dem Postweg zugestellten Vernehmungsbogens", heißt es unter Punkt 9.
Natürlich nicht ohne Netzwerkarbeit
Der zehnte Punkt schlägt dann die "Netzwerkarbeit mit kommunalen Partnern" vor, eine der schärfsten Waffen des Rechtsstaates, die noch nie mangelnde Wirkung verfehlt hat. Die nach dem Geschmack von Herbert Reul seit dem Anschlag in Solingen viel zu undifferenziert geführten Debatten um Messerverbote und andere Gegenmaßnahmen haben damit doch zu etwas sehr, sehr Gutem geführt. Sowohl die extremistischen Taten, die "quantitativ und qualitativ ein ganz anderes Problem sind als alltägliche Aggressionsdelikte mit Messern etwa in Ausgehvierteln und Partyhotspots" (Reul), als auch die ganz normalen Party-Szene-People mit ihren Macheten und Küchenschwertern werden es sich eine Leere sein und ihre Messer daheim lassen.
>> Der zehnte Punkt schlägt dann die "Netzwerkarbeit mit kommunalen Partnern"
AntwortenLöschenDas ist dieses "Die Antifa macht auch Hausbesuche".
https://polizei.nrw/sites/default/files/2024-08/2024-08-28_konzept-bekampfung-messergewalt_0.pdf
AntwortenLöschenLeseempfehlung Abschnitt 3.7 Intensivtäterkonzepte.
Ein Feuerwerk aus Blindgängern und Nebelkerzen, kurz: Es geht weiter wie bisher.
Mein Intensivtäterkonzept würde in einen sehr kurzen Satz passen.
Man kann dieses Programm mit einem einzigen Wort ausdrücken.
AntwortenLöschendu meinst aber nicht etwa "offenbarungseid"?
AntwortenLöschenDas wird so gut funktionieren, wie die Beseitigung der Arbeitslosigkeit durch flächendeckendes Bewerbungstraining.
AntwortenLöschenHey... was soll das Geschimpfe? Das Volk, das die derzeitigen Politiker in ihre Ämter gewählt hat, verdient mehr Messer als das Deppenpack in den Taschen hat.
AntwortenLöschenM.a.W : Täter und Opfer verdienen einander... Die Kinder sind traurige Kollateral Schäden an denen sich erweist, ob man wenigstens im Nachhinein dazulernt... Wie es scheint, ist selbst das nicht der Fall.
Da bleibt mir nur eine schöne Zukunft wünschen, und Morgen ein eindeutiges Wahlergebnis
Hey... was soll das Geschimpfe? ----
AntwortenLöschenBis vor kurzem pflegte ich dagegen noch anzustinken, arme, ver(w)irrte Seelen. Sind halt so, schon immer, Gehirnwäsche wirkt eben, usw.
Seit Solingen nun nicht mehr. DIE SIND TATSÄCHLICH SO BLÖD. Nur nicht den Natzis in die Hände spielen. Sind ja nur absolute Ausnahmen, und auch nur darum, weil wir sie übel behandeln.
(Die Grundlage dieser Verblödung, oder doch eine der wichtigsten davon, ist aber das Gruselmärchen von den sechs Melonen.)
Lass Bojarenköpfe rollen!
AntwortenLöschenSchmiert die Guillotine (3x) mit Bojarenfett!
war das so?
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