Freitag, 16. August 2024

Happy End bei Nord-Stream: Die Rache des Tauchlehrers

Taucher für den terror
Beim Anbringen der Sprengsätze entstanden mehrere Fotos, die den Ermittlern in die Hände fielen, als sie unter die Matratzen der "Andromeda" durch einen Röntgenscanner schoben.

Tauche ein in den luxuriösen Tragekomfort und die Flexibilität unserer Thriller-Serie, die rund um die Uhr ein unvergessliches Grauen garantiert. 

Nun waren es also drei ukrainische Tauchlehrer, beseelt vom Schicksal ihres Vaterlandes. Sie waren wütend, sauer geradezu, empört und fest entschlossen, in die Offensive zu gehen. Mit oder ohne jede Verbindung zu staatlichen Stellen, mit oder ohne Wissen von diesem und jenem, schmiedeten sie einen Plan, der nicht schiefgehen konnte.  

Thriller mit Trio

Das Trio, darunter wie in jeden guten Thriller eine Frau, mietete einen Kleinbus, und um Spuren zu hinterlassen, gleich noch einen Fahrer dazu. Beherzt packten sie in den Transporter einige Tonnen Sprengstoff. Ihre falschen Pässe und Personalausweise waren gut genug, um eine kleine Jacht zu mieten. Ihre durch das Tauchen gewonnenen Kenntnisse über das Meer, die Tücken der Ostsee im Herbst und das Navigieren bei Nacht reichten problemlos, um weit draußen auf der offenen See, dort, wo die Militärflotten der Ostsee-Anliegerstaaten einander in internationalen Gewässern belauern, unauffällig über den Rohleitung von Nord Stream I und II zu ankern.

Dann ging es hinunter, auf 60 oder 80 Meter, wo das Meer so dick wird, dass nicht mehr Sauerstoff getaucht werden kann. Zu groß wäre die CO₂-Schuld. Zu lang die Dekompressionszeit. Und lange bleiben konnte die "Andromeda" nicht, denn schon zwei Wochen nach dem Anbringen der Zeitbomben explodierte die Pipeline. Der Zeitzünder war auf Geduld eingestellt. Die Hauptschlagader der deutschen Gasversorgung ging hoch, während die Täter um Wolodomyr S. bereits wieder zu Hause saßen oder anderwärts Urlaubsbilder für ihre Alibis fotografierten.

Reporter vor Zielfahndern

So ist es nun gewesen, knapp zwei Jahre danach ist doch noch alles herausgekommen. Die Generalbundesanwaltschaft hat ausgiebig ermittelt, selbst noch, als alle Partnerstaaten die Sache als hoffnungslos aufgegeben hatten. Noch vor den ersten Zielfahndern, die beim Hauptverdächtigen hätten anklopfen können, war ein hochkarätiges Rechercheteam auf Gemeinsinnfunkern und privaten Medienheuschrecken zur Stelle. 

Ein Fenster war Kipp gestellt. Der mutmaßliche Tauchlehrer abgängig. Der europäische Haftbefehl, den die polnischen Behörden hätten nutzen sollen, um den Mann, der den größten Terroranschlag auf Teile der kritischen Infrastruktur der größten Wirtschaftsnation Europas im Alleingang durchgeführt hatte, war schon weg, wieder daheim in der Ukraine. Er ging auch nicht mehr ans Telefon, obwohl vorher, als die deutschen Fahnder ihn anriefen, noch alles abgestritten hatte, was ein befreundeter Dienst wusste und weitergab.

Amtshilfe wäre anmaßend

Erledigt. Von Deutschland aus wird jetzt nur noch wenig zu machen sein. Bis nach Kiew, wo der Verdächtige vermutet wird, sind es fast 1.400 Kilometer. Beamte müssten zudem die ukrainische Regierung um Amtshilfe bitten, aber die weiß von nichts. Überhaupt wäre jede weitere Verfolgung anmaßend. Das Land ist im Krieg, ein bisschen Schwund ist immer und dank der Anstrengungen der Bundesregierung liefen Russland Lieferverknappungen ohnehin ins Leere. Zertifiziert war die Pipeline auch nicht. So fehlt niemandem etwas. Es war auch kein Mensch zu Schaden gekommen.

Das Gute an den neuen Erkenntnissen über das Tauchlehrer-Trio ist, dass endlich alle Bescheid wissen. Keine der Verschwörungstheorien, die verbreitet wurden, ist wahr. Es waren nicht die Amerikaner, nicht die Russen, nicht die Polen und auch nicht der Blitz. Sondern pfiffige Privatleute, engagierte Patrioten, vielleicht ein wenig irregeleitet, aber was tut der Mensch nicht alles, wenn er helfen will.

Besser konnte es nicht kommen, weil jedes andere Ermittlungsergebnis nur Ärger gemacht hätte.  Olaf Scholz hatte von Anfang an angekündigt, dass die Verursacher des Milliardenschadens auch nicht auf "Rücksicht" (Scholz) hoffen dürften. Eine Geldstrafe in nicht unbeträchtlicher Höhe wäre das Mindeste gewesen, aber auch das hätte die Löcher in der Pipeline ja nicht geflickt, sondern nur Deutschlands üble Abhängigkeit von Russlands Erdgas neu zementiert.

Zeitnahe Verfolgung

Unter dem Titel "Die Rache des Tauchlehrers" soll das Drama jetzt zeitnah verfilmt werden. Das Drehbuch ist noch in Arbeit, aber fest steht, dass an Originalschauplätzen gedreht wird: Elyas M'Barek und Daniel Brühl sind als Taucher gesetzt, Wolke Hegenbarth gilt als Favoritin für die Rolle der Taucherin. Til Schweiger, Heiner Lauterbach und Sophia Thomalla werden in weiteren Rollen zu erleben sein - etwa als schlampige Kriminalisten, die die Sprengstoffspuren auf der "Andromeda" zuerst übersehen oder als manischer Reporter, der eigene Ermittlungen aufnimmt und rasch fest, dass da etwas faul ist nahe dem Staate Dänemark.

Es wird ein Mehrteiler werden, in dem die Verdächtigen ihre Namen ändern und Udo Kier als irrlichternder Seymour Hersh von windigen Informanten aufs Glatteis geführt wird. Für eine Glanzrolle ist auch Christoph Maria Herbst vorgesehen, der als Generalbundesanwalt Joachim Frank schnell merkt, dass er gezwungen ist, gegen Freunde ermitteln zu lassen. Erst glaubt auch er an den "staatlichen Akteur", weil nicht nur seine Ermittler, sondern auch die Experten und Journalisten aus anderer Staaten sich die kühne Tat nicht anders erklären können. 

Taucherkrankheit

Herbst leidet als Frank malerisch. Sein persönliches Drama wird einen ganzen Handlungsstrang beschäftigen, der über mehrere Episoden reicht, bis Herbst dann eine neue Stelle am Bundesverfassungsgericht angeboten bekommt. Seinen Nachfolger Jens Rommel wird der bewährte Jan Josef Liefers übernehmen, er ist es in der Serie dann auch, der die ersten Erfolge meldet: Spur nach Polen, ein Terrorkommando mit engen  Beziehungen untereinander und zur Taucherei, Verdächtige, die sich verdächtig einhellig ausschweigen.

Ein ausländisches Netzwerk, das Behauptungen interessierter Kreise zufolge bis in die höchsten Ränge des ukrainischen Militärs reicht und den Segen des ukrainischen Präsidenten hatte. Eine Bedrohung für die Völkerfreundschaft und den inneren Frieden. Der "meistgesuchte Mann Europas" (Die Zeit), der so meistgesucht ist, dass er auf der deutschen Liste der meistgesuchten Tatverdächtigen nicht auftaucht, ist seiner Festnahme geschickt entgangen. Seine mutmaßlichen Komplizen haben es ablehnt, sich vor deutschen Strafverfolgungsbehörden zu ihren mutmaßlichen Taten einzulassen. Die Frau des abgetauchten Wolodymyr S. versteckt sich und leugnet.

Typische Anzeichen

Das Verhalten der Mitglieder der "Taucher für den Terror", die urpsürnglich als kleine, private Facebook-Gruppe begonnen hatten, zeigt die typischen Merkmale geleugneter Schuld. Der schwunghafte Handel mit Namen, Daten, Adressen und Ermittlungsakten beweist, wie professionell die Öffentlichkeitsarbeit der Generalbundesanwaltschaft mittlerweile aufgestellt ist, die in der Vergangenheit oft sehr zurückhaltend mit Informationen gewesen war. 

In der Serie "Die Rache des Tauchlehrers" wird natürlich auch auf die tiefersitzenden Motivationslagen der drei Pipeline-Sprenger eingegangen werden: Der komplexer Polit- und Terrorthriller wird mit stilvollen Bildern unter anderem vom Boden der Ostsee und mit einem sicheren Gespür für Atmosphäre in Szene gesetzt. Wie wird es ausgehen? Welche Geschichte wird die Serie unter den Geschichten von Spezialeinheiten, russischen Bohrschiffen und Selbstentzündung durch Zitteraale zutage fördern?

"Regie führt bei uns die Wirklichkeit", heißt es in Potsdam-Babelsberg, wo derzeit schon die Kulissen für die ersten Szene zusammengeschoben werden.

12 Kommentare:

  1. https://www.wsj.com/world/europe/nord-stream-pipeline-explosion-real-story-da24839c

    Das wirklich spannende an der Geschichte des WSJ ist ja, daß alle deutschen Medien, außer die in der Nische, deren Plot weiterspinnen, ohne auf die Lücken im Satzgeflecht zu stoßen. Wieder mal eines dieser Wunder aus der Reihe "Angeschlossen sind die Sender ....".

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    1. Ich kann den Artikel leider nicht lesen, man fragt mich nach Geld...

      Ich kam nur bis zu Hohen Militärs und Präsidenten.

      Kommt auch ein Milibarus vor? Der die Jolle mit der Tonnenlast über das Wasser trägt..?
      Oder ein junger schüchterner Mensch, der seinen Heldenmoment als Teleporter erlebt, als Milibarus die Last nicht zerstörungsfrei über Bord bringt (weil er zu fett ist) ..?

      Und dann noch der Nebenstrang, in dem die NSA als befreundeter Partnerdienst warnen will, vor dem, was sie alles mitgehört hat, aber nicht mehr rechtzeitig kommt, weil ihr Kontaktmann Seymour zu alt und tatterig ist und alles durcheinanderbringt..?

      Ich bin schon ganz aufgeregt!

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  2. Eine Sache ist erst zu 100% eine Lüge, wenn es in der Süddeutschen stand. Und dort lese ich

    Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

    Also Lüge ja, aber noch nicht 100%.

    P.S. wozu man jetzt die nächste Farce aufführt, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen

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  3. Carl GustafAugust 16, 2024

    Die, die den Geist aus der Taucherflasche gelassen haben, versuchen jetzt, diesen wieder einzufangen.

    Ich rechne mit einem plötzlichen und unerwarteten Waffenstillstand in Oktober/November, so kurz vor der US-Wahl. Es ist wohl so, dass der Krieg sich inzwischen für alle Beteiligten, die Ukraine und Russland mal außen vor gelassen, zur Belastung entwickelt hat.

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  4. Einer der fürtrefflichsten Artikel ever. Wird nur nichts nützen.

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  5. Ein Hinweis auf das ausgelassene Zechgelage, auf dem die Idee geboren würde, hätte noch mit untergerbacht werden können. Die Neigung des Russen (Ukrainer sind auch Russen, also deren Brüder) zum Wässerchen ist sprichwörtlich. Ersatzweise hätte es auch eine Orgie in einer Banja getan.

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  6. "Ich rechne mit einem plötzlichen und unerwarteten Waffenstillstand in Oktober/November, so kurz vor der US-Wahl. "

    Ich nicht.
    Mein Fernseher hat mir gesagt, dass man mit diesem Putin nicht verhandeln kann

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  7. ja, die sauferei. aber es sollte doch glaubhaft bleiben

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  8. Carl GustafAugust 16, 2024

    "Ein Hinweis auf das ausgelassene Zechgelage, auf dem die Idee geboren würde, hätte noch mit untergerbacht werden können. ..."

    Hollywood plant bereits die Verfilmung unter dem Titel Hangover чотири. Mit Tom Hanks als Ermittler und Wolodymyr Selenskyj als Wolodymyr Selenskyj.

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  9. Carl GustafAugust 17, 2024

    "Ich nicht. Mein Fernseher hat mir gesagt, dass man mit diesem Putin nicht verhandeln kann"

    Ja, sorry. Ich gucke kein Westfernsehen.

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  10. "Ich gucke kein Westfernsehen"

    Vorbildlich!

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  11. Was wird wohl mit Wolodymir - es bleibt spannend. Der Krug geht solange zum Munde, bis man bricht.

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