Stolz berichtet Karl Lauterbach (Mitte) bei X davon, wie er bei einem Klinikbesuch ein bis dahin übersehenes Vorhofflimmern entdeckte. Abb.: Kümram, Vielfaltsfarben auf Pappe |
Oben steht immer noch "Jetzt beginnt das eigentliche Projekt", ein Satz wie ein Grabstein, den der SPD-Politiker Karl Lauterbach am 21. Dezember 2021 höchstpersönlich setzte. Ein Bild, das drei Gesichter zeigt, Lauterbach selbst, dazu Annalena Baerbock und Robert Habeck, die beiden grünen Hoffnungsträger.
Fotos von Weltreisen
Drei Gesichter, die Stand heute - auch wenn der Wettbewerb eng ist - zu denen gehören, die Millionen Menschen am meisten nicht mehr sehen wollen. Doch alle drei Projektmitarbeiter geben sich davon ungerührt. Lauterbach ist ein Lautsprecher der Kurznachrichtenplattform X, Baerbock beschickt dort mehr als 700.000 Follower mit Nachrichten und imposanten Fotos von ihren Weltreisen, von harten Verhandlungen mit Potentaten und Diktatoren und Ausflügen zu Fußballspielen und Friedensinitaitiven in Kriegsgebieten.
Auch Robert Habeck, der in diesen letzten Tagen der Ampelkoalition seine Kanzlerschaft plant, zählt zu den aktivsten deutschen Politik-Influencern: Er selbst hat zwar keinen Account mehr, seit er vor fünf Jahren demonstrativ Abschied nahm, um Hetze, Hass und Zweifel nicht weiter zu füttern.
Doch der Dienstaccount seines Ministeriums zeigt und zitiert in neun von zehn Fällen den Charismaten aus Holstein. Dort hat der Philosoph unter den deutschen Politikernden nach einen langen schweigeminute seine Einordnung abgelegt. Weißes Hemd, schwarzer Schlipüs, sonst aber hemdsärmlig: Habeck klingt wie der Pfarrer am Stamatisch in einem Dorf in Thüringen kurz vorm Wegkippen. Er will jetzt auch Abschiebnungen, harte Hand, Grenzkontrolen, Schutz der Bürger, was man so sagt, wenn man Angst bekommt, dass einem bald gar keiner mehr zuhört.
Großer Schock
Um ermessen, wie groß der Schock ist, unter dem die Bewohner des politischen Berlin in diesen Tagen stehen, ist der Kurznachrichtendienst X der passende Ort. Hier, wo nicht nur Lauterbach, Habeck und Baerbock, sondern auch der Bundeskanzler, seine Finanzminister, der Justizminister, die Innenministerin, eine Kompanie an Parteivorsitzenden und ein buntes Gewölle an freischaffenden Polit-Influencern in normalen Zeiten kaum einen Augenblick Ruhe gibt, herrscht seit Solingen gespenstische Stille.
Statt wie üblich im
Stundentakt gute Ratschläge abzugeben, sich die Güte der eigenen Meinung bestätigen zu lassen oder den verabscheuten politischen Gegner zu unbedachten Kommentaren zu provozieren, ist es totenstill geworden auf der progressiven Seite der politischen Propaganda. Das Feld, es gehört ganz und gar den Verschärfungspredigern, den Leuten, die gegen ein vermeintliches "Staatsversagen" (Focus) hetzen und die "Messerattacke" (Tagesspiegel) instrumentalisieren.
Drohung mit Klinikbesuchen
Karl Lauterbach berichtet nur noch über seine Klinikbesuche. Sein "Wir besuchen auch über die nächsten Monate regelmäßig Krankenhäuser, auf dem Land und in der Stadt", klingt wie eine Drohung, ist aber wohl eher als Ablenkung gemeint. Über alles will Lauterbach lieber reden als über das, worüber eigentlich niemand schweigen kann. Seine Kabinettskollegin Annalena Baerbock hält es ähnlich. Die Außenministerin lässt ihre Sockenpuppen schon seit Tagen andere Accounts retweeten. Es geht um Afghanistan und irgendwas mit Welt irgendwo weit weg. Alles ist besser als Nordrhein-Westfalen!
Das sieht die Social Media-Abteilung im Hause Habeck genauso. Hier geht es nur noch um Wirtschaft, seit der Minister die übliche Betroffenheitskachel hat absetzen lassen. Auch Olaf Scholz hat sich einmal offensichtlich angefasst gemeldet. Seitdem verschärft er das Waffenrecht, legt Blumen nieder und lobt "Härte" und "Schärfe".
Erschütterte Erschütterung
Ursula von der Leyen war "tief erschüttert", also sogar deutlich stärker betroffen als Nancy Faeser, die nur "erschüttert" zu sein eingestand. Cem Özdemir, Lars Klingbeil, Christian Lindner, Marco Buschmann und Ricarda Lang - als hätten sie es so vereinbart, folgte auf die Plattitüden der ersten Betroffenheitswelle nichts mehr. So sehr alle sich am Tattag wünschten, die Sicherheitsbehörden mögen den Terroristen schnell fangen, so wenig findet sich eine Reaktion auf die durch die Mithilfe des mutmaßlichen Täters geglückte Festnahme.
Auch das "Desaster" (Spiegel) rund um die gescheiterte Abschiebung von Issa al-H., die bedauernswerten Ablenkungsmanöver rund um das verschärfte Messerverbot und den Koalitionszwist wegen der Abschiebung von Menschen, die vor neun Jahren kamen und in Deutschland einen auf höchstens vier Jahre begrenzten subsidiären Schutz erhielten, geht keiner der Lautsprecher ein, die sonst jede Talkshow-Äußerung kommentieren.
Es ist Ruhe im Karton X. Niemand lässt die Welt mehr wissen, was er meint, wirklich gemeint hat und wie die Dinge aus seiner Sicht richtig zu verstehen sind. Abgesehen von der grünen Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge, die Solingen im Endspurt der für ihre Partei so miserabel laufenden Wahlkämpfe in Sachsen und Thüringen nutzt, um die neuen Sicherheitsgrünen vorzustellen: "Jetzt geht es darum, für mehr Sicherheit für die Menschen zu sorgen. Dazu brauchen wir kluge, funktionierende und verantwortungsvolle Maßnahmen", ließ sie keinen Zweifel an der Gedankentiefe, die hinter den Überlegungen der Führungsetage ihrer Partei steht.
Die Lösung hatte Dröge gleich mitgebracht: "Wir Grüne machen verschiedene Vorschläge, die aus unserer Sicht
geeignet sind, diese Sicherheit effektiv herzustellen": Remigration. Mehr Überwachung. Mehr Schulden.
Beliebte kleine Brötchen
Von der Leyen schüttet schon Geld aus, nur für andere Dinge. Ricarda Lang feiert den Umstand, dass der Solarhersteller Meyer Burger nun doch weiter ganz kleine Brötchen backt. Womöglich hat sie die Meldung nicht gelesen oder aber nicht verstanden. Bei denen, für die X der einzige Ort ist, an dem sie noch unter normalen Leuten sind, hat "diese furchtbare Messerattacke" (Katrin Göring-Eckardt) allerdings nur für ein ganz kurzes erschrockenes Durchatmen gesorgt.
Wie die grüne Bundestagsvizechefin, die keine zwei Stunden brauche, um sich vom Solingen-Schock zu erholen, ihre "Gedanken bei den Opfern und Angehörigen" beiseitezuschieben und in den Wahlkampfmodus zurückzuschalten, hat auch der grüne Christdemokrat Ruprecht Polenz sich nicht lange von dem unschönen Vorfall beim "Fest der Vielfalt" aufhalten lassen. Wenig später schön teilte der früh gescheiterte CDU-Generalsekretär raunend bizarre Verschwörungstheorien zum Anschlag und Ermahnungen an seine Partei, es nicht zu übertreiben mit der Hetze gegen die Bundesregierung.
Keine Solinger Sache
Sawsan Chebli, das SPD-Äquivalent zu Polenz, war da ganz bei ihm, per Retweet wenigstens, denn die auf die "palästinensische Sache" (Georg Restle) spezialisierte gebürtige Berlinerin hatte sich nach dem Terroranschlag von Solingen ebenso wie der "Journalist über den Tag hinaus" Georg Restle entschlossen, dazu mal gar nichts zu schreiben. Die Solinger Sache ist nicht seins, niemand muss über jedes Stöckchen springen. Dann ist wenigstens nichts falsch, dachte sich auch Luisa Neubauer, die virtuelle Vorsitzende der virtuellen Klimabewegung "Fridays for Future", die wie ihre Mitstreiterin Carla Reemtsma am 22. August verstummt ist.
Jan Böhmermann, einer der mutigsten Enthüller der wahren Wahrheiten und besten Jongleure mit heißen Eisen, folgte zum selben Zeitpunkt. Daheim versteckt vor der Welt, die nicht will, wie er es will, schuf er sein großes Traktat "Hier spricht Jan Böhmermann". Ein Kampfgedicht, das dazu aufruft, die auszugrenzen, die nicht mehr mitkommen. Die zurückzulassen, denen das alles zu schnell geht. Und sich beim Vorwärtsschreiten zur großen Transformation nicht aufhalten zu lassen von Mehrheiten, Demokratie und Rechtsstaat. "Menschen von gestern" haben keine Gnade verdient.
Menschen wie Ludwig Wittgensteins, der 1921 im "Tractatus" schrieb: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."
Böhmermann schreibt in Die Zeit? Die Kommentatoren dort sind beeindruckt
AntwortenLöschenBlut
vor 16 Stunden
Warum wird einem Pöbler hier eine Bühne geboten?
Warum? Ich hätte da ein paar Theorien. Egal.
Böhmermanns 'Menschen von gestern', die er da in der Form des publizistischen Durchfalls anprangert, standen schon immer den großen Umgestaltern der Geschichte im Weg.
Zum Beispiel auch literarisch verarbeitet in der Gestalt des Großvaters in Erwin Strittmatters 'Tinko', das zu lesen ich das Missvergnügen hatte. Der wurde 'vom Fortschritt beiseite gefegt', wie etliche Millionen an anderem Ort, zu anderer Zeit im wirklichen Leben.
mit ihm zieht die neue zeit, glaubt er. das ist nicht neu, das glauben die immer alle
AntwortenLöschenSie haben sicher Angst, bei ihrer nächsten Einreise nach Frankreich verhaftet zu werden.
AntwortenLöschenEines der deutschen Kernprobleme, die scharfen Solinger Messer, wurde laut Süddeutschem Beobachter inzwischen erfolgreich gelöst. Jetzt wird knallhart durchregiert.
AntwortenLöschen-----
Scholz kündigt Gespräche mit Opposition an
Von Markus Balser, Daniel Brössler, Bastian Brinkmann, Paul-Anton Krüger, Berlin
vier mann und ein befehl. wenn so viel personal da ist, eine pressemitteilung rund zu schreiben, muss sich niemand sorgen machen
AntwortenLöschenDieser Lauterbach ist ja so ein toller Typ. Jedesmal, wenn ich den sehe, träume ich davon, auch mal SPD zu wählen, aber ich bin jung und dumm und wähle deshalb Grün.
AntwortenLöschenund wähle deshalb Grün
AntwortenLöschenWer was auf sich hält unter Salonbolschewoken, wählt die Sahra. Hat zwar einen tiefsitzenden Haaransatz wie ein Pongidenweibchen, aber Schönheit liegt halt im Auge des Betrachters, und frei nach Gropius - schön ist, was funktioniert - schön ist, was die jeweiligen Medien dazu erklären. Und schon Nietzsche meinte zu recht, dass nicht jedermann lesen und schreiben lernen dürfe.