Dienstag, 9. Juli 2024

Linksruck nach rechts: Wir sind Volksfront

Deutschland ist der Freude voll über den überraschenden Sieg der Volksfront in Frankreich.

In Paris, Nantes und Marseille wollten es die Rechtsextremen nicht wahrhaben. Kaum stand fest, dass es der rechtsradikalen Chefin der Nationalen Sammelbewegung nicht gelungen war, den geplanten Durchmarsch gegen die linke Neue Volksfront im zweiten Wahlgang zu vollenden, eskalierte die Enttäuschung vielerorts gewaltsam: Polizisten und Demonstranten gerieten aneinander, Müllkübel brannten, Palästinenserfahnen wurden geschwenkt, "Molotowcocktails und Tränengas kamen zum Einsatz", schilderte der Korrespondent des ehemaligen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel".  

Knapp vorbei ist auch daneben

Schlagartig war wieder klar, wie knapp EU-Europa der ganz großen Katastrophe entgangen war: Zwar hatte der Rassemblement Nation seine Niederlage mit 37,4 Prozent der abgegebenen Stimmen eingefahren. Doch das französische Wahlsystem verhinderte noch einmal das Schlimmste. Statt Marine Le Pen, der Tochter eines verurteilten Holocaustleugners, schaffte es mit Jean-Luc Mélenchon ein bekennender Antisemit, Anti-Europäer und Putin-Versteher mit den 26,8 Prozent Stimmen, die seine Volksfront einfuhr, an die Spitze der Ergebnisliste.

Mélenchon hat versprochen, Frankreich aus der Nato zu lösen, die Sozialausgaben zu erhöhen, die Schuldenregeln der EU nicht mehr nur zu ignorieren, sondern beiseitezufegen und den Staat Palästina umgehend anzuerkennen. Als Belohnung für die Wählerinnen und Wähler will der 72-Jährige die Rente mit 60 einführen und die französischen Kernkraftwerke abschalten. Ob er wirklich über den französischen Austritt aus der EU abstimmen lassen wird, ist nicht ganz klar. Es kommt sicher darauf an, wie lange die anderen Mitgliedsstaaten bereit sein werden, für die Wohltaten zu zahlen, die der überzeugte Kommunist im Stil seines venezolanischen Vorbildes Hugo Chavez zu verteilen gedenkt, so lange die deutschen, niederländischen und schwedischen Geldquellen sprudeln.

Ein Linksruck nach rechts

Linksruck nach rechts

Die Freunde über den vermeintlichen Linksruck war dennoch allgemein und ungeteilt. Abgesehen von wenigen erschrockenen Stimmen fühlte sich die deutsche Linke nach einer langen Reihe von schmachvollen Niederlagen endlich einmal wieder gemocht, gewollt und siegreich. Zahlen und Fakten spielen da keine Rolle. Der Gesundheitsminister gratulierte zum Erfolg des "Zusammenhalts gegen rechte Elemente", die Grünen-Chefin im Bundestag spürte in sich "große Erleichterung" und die frühere Klimaaktivistin Luisa Neubauer sah den Beweis, dass die extreme Rechte "bezwingbar" ist und "Allianzen leben".

Ein Tag der Wunder. Selbst Wolfgang Ischinger, ein ausgewiesener Weltstratege, frohlockte. Von wegen "Europa im Abwärtsstrudel"! Die guten Nachrichten hageln nur so herein! "Aktuell:klare Mehrheit für  neue Regierung in London, kein rechtsextremer RN-Durchbruch in Paris, neue NL-Regierung liefert Jets an Kijev, Berliner Ampel beschließt Haushalt, Kallas wird EU-Außenpolitik führen: EU und Nato putzmunter und halten Hofnarr Orban aus". 

Zur Feier der neuen Volksfront

Ein Rhythmus, bei dem jeder mit muss: Der überraschende Linksruck, der eigentlich ein Rechtsruck war, weil der Rassemblement National im Vergleich zur ersten Wahlrunde noch einmal vier Prozent zulegte, während die Neue Volksfront beinahe zwei Prozent verlor, erfreute Emily Büning und die vor dem Ruhestand stehende Renate Künast, den Bundeskanzler und Ursula von der Leyen. "Vive la France!", teilte Büning ihre Gefühle ungefiltert: "Große Freude! Nach UK setzen nun auch die Menschen in #Frankreich ein deutliches Zeichen: nicht nur gegen Rechtsextreme, sondern für progressive demokratische Bündnisse."

Vorfreude ist nicht zu übersehen. Könnte der Erfolg des französischen Modells der Volksfront gegen rechts nicht ein Muster sein, mit dem sich in sieben Wochen auch die deutschen Nazis schlagen lassen?Alle zusammen, von Linkspartei, SPD und Grünen über die FDP und die Union bis zum Bündnis Wagenknecht? Obendrauf ein höherer Mindestlohn, eine Jahresendprämie für Rentner, noch mal die Nummer mit dem Klimageld und die Anerkennung Palästinas, dazu zur Not ein Zurück zur Rente mit 65 und höhere Steuern für alle, die reicher sind - der Flexibilität beim Organisieren des "Weiter so" in jeder nur denkbaren Farbkombination sind keine Grenzen gesetzt. 

Georg Restle, eine der Speerspitzen des Fortschritts im deutschen Fernsehen, schwärmt schon über die unbegrenzten Möglichkeiten, wenn alle sich mit allen zusammentun: "Nach Polen jetzt auch Frankreich. Deutschlands größte Nachbarstaaten zeigen, wie man die extreme Rechte besiegen kann: Mit Geschlossenheit der demokratischen Kräfte und einer hohen Wahlbeteiligung."

4 Kommentare:

  1. Frankreich ist gerettet, und das scheinen die wirklich zu glauben.

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  2. Es gibt etliche bescheuerte Redewendungen, wie: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, oder, Der Klügere gibt nach. Harhar.
    Eine jedoch ist weise: Vorbeugen ist besser als heilen. Die Kambodschaner haben das vor 1975 zu ihrem Unheil vernachlässigt. Weiter ausführen möchte ich das nicht. Aus Gründen.

    P.S. Ich habe Meniskus. Ob Powerlifting oder Profi-Ballett: Nach zwanzig Jahren kommt die Rache des Bindegewebes.

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  3. Alle Stimmen für die Kandidaten der "Nationalen Front".
    Mein Arbeitsplatz - Mein Kampfplatz für den Frieden.
    Von der Sowjetunion lernen heißt Siegen lernen.
    Alles kommt wieder, so wie Schlaghosen und Plateausohlenschuhe.

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  4. Offensichtlich wollen die "Linken" so hoch steigen, dass der Fall auch wirklich tödlich ist. Kein Selbstmörder springt aus dem zweiten Stock.

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