Mittwoch, 10. Juli 2024

Comeback des Bösen: Schweigen im Blätterwald

In den guten alten Zeiten stand Mediendeutschland noch wie ein Mann gegen den Angriff Trumps auf die Demokratie. Mittlerweile aber ist die Brandmauer zusammengebrochen.

Wann genau hat es angefangen, aufzuhören? Was ist geschehen, wie ist es passiert und warum? In großer Sorge ist der am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung zum Themensterben in den deutschen Medien, Sprachregelungsmechanismen und zum Einfluss subkutaner Wünsche auf die berichterstattete Realität forschende Entropie-Experte Hans Achtelbuscher schon vor Wochen aufgeschreckt. Schlagartig, sagt der ausgewiesene Diagnostiker für Ausfallerscheinungen im gesellschaftlichen Gespräch, sei ihm klar geworden, dass etwas "ganz Grundlegendes fehlt". Ihn habe ein "Verlustgefühl" bedrängt, der Eindruck, "dass wir etwas verloren haben, ließ sich nicht mehr leugnen", beschreibt er.  

Gesellschaftlicher Mangel

Als überaus erfahrener Medienforscher brauchte Achtelbuscher nur wenige Stunden, um zum Kern dessen vorzudringen, was er heute eine "gesellschaftliche Mangelerscheinung" nennt, an der ihn am meisten erstaune, wie wenig der Mangel thematisiert werden. "Vor acht und vor vier Jahren war Donald Trump der Elefant im Raum, ein Brunnen voller Nektar, von dem sich Fernsehsender, Magazin und Tages- wie Wochenzeitungen Tag für Tag nährten", fasst er den Stand seiner Forschungen zusammen. Im laufenden US-Wahlkampf, der die Reiche der Menschen erneut vor die Herausforderung stelle, die Mächte des Bösen in die Schranken zu weisen, sei dagegen "unglaublich still, fast wie auf einem Friedhof der begrabenen Hoffnungen."

Der Kampf gegen Trump ist eingeschlafen.
Trump ist kein Thema mehr, mit dem sich deutsche Großredaktionen befassen wollen. Um 94 Prozent sind die Erwähnungsraten des ehemaligen Staatsfeindes Nummer 1 seit 2020 gefallen, selbst dieser Wert aber sei noch "zu hoch", wie Achtelbuscher sagt, denn "Trump taucht auch immer auf, wenn von seinem Konkurrenten Joe Biden und dessen altersbedingten Ausfallerscheinungen die Rede ist". Der Demiurg aus New York selbst aber hat an schrecklicher Magie verloren, wie der als untrüglicher Indikator geltende Cover-Meter des Magazins "Der Spiegel" zeigt.

Über Jahre im Kampf

28 Titelbilder widmete frühere Nachrichtenmagazin dem Kampf gegen die Machtergreifung des Milliardärs aus New York zwischen 2017 und 2021. "Die Angstmaschine"  (Zeit), eines US-Präsidenten, der "irre" (FR) war, "wahnsinnig" (Spiegel), ein "Hassprediger" (Steinmeier) und ein "Kriegstreiber" (taz) war, übertraf damit nicht nur zahlenmäßig Hitler, Stalin, Mao, Gaddafi, Castro, Saddam Hussein und sogar Putin und Erdogan. Wenn die Propagandapeitsche knallte, wurde er zuverlässig auch bluttrünstiger, gewalttätiger und enthemmter dargestellt als andere Massenmörder und Völkervernichter. Umso überraschender kam das Ende: In den drei Jahren seit seinem Abschied aus dem Amt schaffte es Trump nur noch fünfmal aufs Titelbild, nur ein einziges Mal versehen mit dem klaren Warnhinweis "Diktator Trump".

Hans Achtelbuscher has dieses stille Hinschwinden der Abwehrkräfte der deutschen Medien mit großer Besorgnis verfolgt. Dass selbst eingeschworene Aktivisten wie der für das in Teilen SPD-eigene Redaktionsnetzwerk Deutschland schreibende Karl Doemens lieber über das biblische Alter des amtierenden Präsidenten fabuliere und Verschwörungstheorien zu längst widerlegten Erkrankungen verbreite als Trump die Maske vom Gesicht zu reißen, spreche Bände über die Kampf- und Einsatzbereitschaft. "Ich erinnere mich noch gut an Zeiten, als die herausragenden Stimmen im Kampf gegen Trump jede Gelegenheit nutzten, um dem Emporkömmling ohne Manieren einen Strick zu drehen."

Alles war gelogen

Alles, was Trump sagte, war damals gelogen. Was er tat, war falsch. Die Welt war in Ordnung und dass Angela Merkel dem neuen Mann im Weißen Haus knallharte Bedingungen stellte, die er zu erfüllen hatte, ehe Deutschland einer weiteren Wertepartnerschaft zustimmen würde, fand allgemeine Zustimmung. Die große Politik musste letztlich gute Miene zum bösen Spiel machen, um Trump zu bezwingen. 

"Deutschlands Medien aber hätten den Widerstand fortsetzen können", urteilt Hans Achtelbuscher. Kaum einer der großen Verlage stehe unter amerikanischen Einfluss, damit sei die Medienbranche eine von nur ganz wenigen deutschen Zukunftsindustrien, die fast vollständig unabhängig agieren könnten. "Aber für Männer wie Klaus Brinkbäumer und Karl Doemens ist der verlorene Kampf gegen den Ex-Präsidenten wohl eine traumatische Erfahrung gewesen."

Die Prätorianer der Trumpgegner

Doemen etwa lobe heute lieber Bidens Gattin als "Prätorianergardistin des Präsidenten" und werfe der Wirtschaft Verrat an Biden vor, statt wie früher aus allen Rohren auf Trump zu schießen. Ein Menetekel: Aus dem unberechenbaren, irren, schädlichen Loser, Lügner, Colatrinker und Fernsehgucker, den man nur als "Horrorclown" bezeichnen konnte, ist ein "wilder Poltergeist" (Doemens) geworden, dem man am meisten schaden kann, indem man behauptet, er liege in Umfragen gleichauf mit dem Amtsinhaber.

"Deutschlands Medien haben ein Problem", ist Hans Achtelbuscher sicher. In nur vier Monaten drohe ein Amerikaner ins Weiße Haus einzuziehen, der die Werte der Demokratie und der amerikanischen Verfassung ganz anders interpretiere als etwa die Ampel-Spitzen, die Leitungen der politischen Magazine bei WDR und MDR oder die Chefetagen der Grünen, der SPD und der CDU. "Dennoch schaut man der Gefahr nicht ins Auge und rüttelt die Menschen auf wie damals, als ganz Deutschland eine Brandmauer gegen Trump bildete, sondern man schließ die Augen und träumt davon, auch diese vier Jahre wieder irgendwie überstehen zu können."

Brandmauer für den Atlantik

Eine Illusion, die sich als tödlich herausstellen könnte. Trump hat bereits angekündigt, dass er keineswegs vorhat, sich in einer möglichen zweiten Amtszeit deutlicher an den Wünschen der deutschen Regierung zu orientieren oder sich in gemeinsame europäische Lösungen einbinden zu lassen. Daraus aber wie Doemens, Brinkbäumer, Restle, aber auch Steinmeier, Martin Schulz und andere frühere Aktivisten auf der politischen Bühne die Konsequenz zu ziehen, gar nicht mehr zu kämpfen und zu protestieren, hält Hans Achtelbuscher für falsch. "Es sieht aus, als beuge man jetzt schon das Knie, statt wenigstens würdig als Fighter mit der Feder in der Hand unterzugehen." 

Angesichts der Gefahr, dass ein Teufel in Menschengestalt noch einmal an die Schaltstellen gelangt, von denen aus "die Welt regiert" (Joe Biden) wird, sei eine kollektive Anstrengung zum Aufbau einer Brandmauer "quasi quer durch den Atlantik" (Achtelbuscher) alternativlos. "Wir werden doch sehen, dass die erneute Machtergreifung dieses Mannes wieder gewaltige Flüchtlingsströme auslösen wird, weil viele Angst haben, unter seiner Knute zu leben." Dann müsse Deutschland, dann müsse die ganze EU vorbereitet sein. "Und es wäre an den Medien, den mit dem Nachtwechsel in Brüssel und dem Wahlkampf in den Ostländern beschäftigten Verantwortlichen beizubringen, dass jetzt gehandelt werden muss, in dieser Minute."

4 Kommentare:

  1. Hase, Du bleibst hier...Juli 10, 2024

    Trump trinkt keinen Wodka und Putin spielt kein Golf. Also wie sollen die sich einigen? Und doch wird es geschehen. Weil es pragmatische Staatsmänner sind. Ein Konflikt in Europa wird von den USA beendet, was für eine Klatsche für den Frieden-Nobelpreiskontinent.

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    1. irgendwerJuli 10, 2024

      Interessant ist doch genaugenommen das "wie".

      Ein POTUS, der spieltheoretisch mit lustigen Ideen, wie dem Bombardieren des Kremls unter chinesischen Hoheitszeichen, den "Mad Man" gibt, sollte nicht vorschnell auf nüchtern-pragmatische Merkantilität reduziert werden.

      Da wäre auch ein "All In" im Bereich des Möglichen.

      Dummerweise könnte aber unter den TOR-Werfern und den auf Bahnknotenpunkte hierzulande gefeuerten letzten funktionsfähigen ru. Kernwaffen das Popcorn zerbruzzeln, bevor die Stars'n'Stripes über dem Kreml wehen. Das dürfte den Nervenkitzel etwas zu nervig machen. Für die Schlachtfeldstaaten zumindest.

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  2. Natürlich ist alles, wovor die Nachrichtenprofis bei Der Spiegel auf ihren Titelbildern gewarnt haben, genau so eingetreten. Sonst wäre das ja alles nur Propaganda und Verschwörungstheorien gewesen.
    Sehr schön ist das Bild Trump vs. Hosenanzug. Wer zum Teufel redet heute noch von Merkel?

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  3. Für die Edellinken* vom Ahriman-Verlag* war Donald gar der neue Julian Apostata ...

    *Zuweilen machen die einen sehr bange: Die Beurteilung des Kronstädter Aufstandes etwa, oder, Robert Mugabe ... Do legst di nieder.

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