Es wird ein Einschnitt, nicht nur für die Betroffenen. Mit den erneuten Reformen bei den in "Bürgergeld" umbenannten Hartz-4-Zuwendungen schlägt die Ampel-Koalition ein neues Kapitel bei der Betreuung und Verfolgung Arbeitsloser, Armer und Ausländer auf.
Erstmals seit der von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder auf Anregung eines Automobilmanagers vorgenommenen Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe, mit der die deutsche Sozialdemokratie und die seinerzeit mit ihr koalierenden Grünen zur Jagd auf vermeintlich Arbeitsunwillige, Faule und zur Eigenfürsorge unfähige Menschen geblasen hatten, fährt der Staat wieder einen Konfrontationskurs gegen Benachteiligte: Sie sollen härter kontrolliert, stärker mit Strafen und Auflagen gelenkt und ihrer im politischen Berlin, aber auch in der ARD inzwischen wieder als "soziale Hängematte" denunzierten gesellschaftlichen Position als Konsumenten, Publikum und Wähler*innen beraubt werden.
Stress statt Stütze
Statt in der "Armut per Gesetz" zu verharren, wie sie die offiziell als "Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" bezeichnete Stütze-statt-Stress-Regelungen bisher vorsahen, wollen SPD, Grüne und FDP die schon seit geraumer Zeit als leistungsfeindlich, hilfsbedürftig, anspruchsorientiert und vorzugsweise auf Kosten der Allgemeinheit lebenden Bürgerinnen und Bürger mit einem Bündel von Maßnahmen für die gesellschaftliche Wertschöpfung reaktivieren.
Vorgesehen sind weite Arbeitswege, schnelle und empfindliche Bestrafungen, kürzere Verwertungsfristen für eigenes Gespartes und eine monatliche Meldefrist, mit der die Bundesregierung Bürgergeld-Empfänger schikanieren will, um sie wieder auf Linie zu bringen.
Bürokratiearme monatliche Meldepflicht
Verbunden mit der neuen "bürokratiearmen Meldepflicht" (BAM) ist die Hoffnung, dass Betroffene über kurz oder lang die Nerven verlieren, wen sie sich dauerhaft unter Aufsicht gestellt fühlen. Nach dem, was an Einzelheiten aus dem "Wachstumsturbo"-Programm der Ampel bekannt ist, werden Bürger- und Bürgerinnengeldempfänger verpflichtet werden, sich einmal im Monat bei ihrer betreuenden Amtsperson für ihre Situation zu verantworten.
Dabei müssen sie darlegen, warum sie immer noch nicht arbeiten, Rechenschaft darüber leisten, welche Angebote sie warum ausgeschlagen haben, und erklären, was sie daran hindert, eine Stelle in einer vielleicht auch eine oder anderthalb Fahrstunden entfernten Stadt aufzunehmen, obwohl ihnen nach Abzug aller Fahrkosten monatlich 50 oder sogar 100 Euro mehr im Portemonnaie blieben.
Unsoziales Schikanebündel
Vordergründig hofft sogar der zuletzt schwer unter Beschuss stehende SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, dass SPD, Grüne und FDP mit diesen ausgestellt unsozialen Schikanebündel gegen die Ärmsten und am meisten Benachteiligten bei denen punkten können, die sich zuletzt immer häufiger fragten, ob sich Arbeit noch lohnt, wenn der Lohn aus wenig Geld und viel Verachtung der Bewohner der Bionadeviertel besteht.
Seit bekannt geworden ist, dass fast die Hälfte der Bürgergeld-Bezieher aus "Ausländern" (Die Welt) besteht, wittert die SPD-Führung im harten Vorgehen gegen die häufig traumatisierten und von Fluchterfahrungen, mangelnder Anerkennung von Berufsabschlüssen und fehlenden Sprachkenntnissen an der Arbeitsaufnahme gehinderten Neuankömmlingen eine Gelegenheit, sich als Sachwalter der Interessen der Schonlängerhierlebenden zu inszenieren.
Die Rechtsblinker-Strategie
Rechts blinken, gegen die Neuankömmlinge von 2015 hetzen und die Rechtspopulisten bei der Ankündigung von Strafen, Auflagen und Wohlverhaltensregeln überholen - wie schon die schnellen Abschiebungen, die extraterritorialen Aufnahmelager und mit das "Bargeld gegen Wählerstimme"-Angebot will die SPD in den anstehenden ostdeutschen Wahlkämpfen zeigen, dass sie für den Machterhalt bereit ist, auch Grundprinzipien über Bord zu werfen, zumindest verbal.
Doch die "bürokratiearme Meldepflicht" ist dabei nicht nur ein leeres Versprechen, das zeigen soll, dass die SPD auch brutal zufassen kann, und sie soll auch nicht nur einfach mehr Menschen zur Arbeit zwingen. Die BAM ist vielmehr selbst als integraler Teil des Wachstumsturbos gedacht: Da die Bundesagentur für Arbeit mit der Entgegennahme, Prüfung und Kontrolle der Monat für Monat eingehenden Meldungen der derzeit etwa 5,48 Millionen Bürgergeldempfänger überfordert sein wird, geht diese Aufgabe an eine neu zu errichtende Bürgergeldmeldungskontrollbehörde (BGMKB).
Eine Viertelmillion Mitarbeiter
Rechnerisch wird die BGMKB perspektivisch selbst zum Jobmotor: 250.000 Meldungen werden nach dem Inkrafttreten der bürokratiearmen Meldepflicht täglich entgegengenommen werden müssen. Selbst ohne die notwendigen gründlichen Nachkontrollen und Tiefenprüfungen sind dazu nach dem aktuellen Personalschlüssel der Bundesagentur für Arbeit etwa 220.000 bis 230.000 Mitarbeiter erforderlich. Ein großer Teil wird zwar nur einfach Arbeiten verrichten. Doch nach TVöD Bund geht es für künftige BGMKB-Mitarbeitende auf Gehaltsstufe 1 bei 2242,16 Euro los - das sind 1,20 mehr als der Mindestlohnsatz, auf den Monat hochgerechnet beinahe 200 Euro.
Ein Jobturbo, den die Ampel im Rahmen der Bundesbehördenansiedlungsoffensive (BBAO) umsetzen will. Auf Anregung des scheidenden Bundesbeauftragten für die abgehängten Ostgebiete Carsten Schneider soll in einem der früheren Braunkohlereviere im Osten eine riesige und umfassend digitalisierte Meldefabrik entstehen, von der aus die Betreuungs- und Überwachungspflichtigen unbürokratisch im Auge behalten werden, bis sie sich endlich entnervt "waschen und rasieren" (Kurt Beck) und wieder einer geregelten Arbeit nachgehen.
OK, man siehts auch an der DM, die Anja Reschke ins Spiel bringt.
AntwortenLöschenAber in erster Linie merkt mans am Wording, dass die Reportage aus der Vor-Merkel-Zeit kommt.
Wieviel ein Transferleistungsempfänger den Staat kostet - diese Frage würde Reschke heute ums verrecken nicht mehr stellen. Im Gegenteil, heute erklärt sie ohne weitere Prüfung jeden zum Noschi, der sowas ins Spiel bringt.
and the times ... they are a´ changin
Sozialistische Leistungsverweigerung muss sich endlich lohnen!
AntwortenLöschenDarum sofortige Streichung aller Sozialstaatssegnungen an die Teufel von Rächzz!
Sollen diese Nazis gefälligst zwangsarbeiten, wenn sie nicht verhungern wollen!
Nur Bokassa Ulumbako darf viel Manna von Massa erhalten wegen Kolonialtrauma von Uropa.
irgendwer wird ja wohl stockende scheisse im abfluss wieder ans laufen bringen, wenn's das geld nicht lohnt, sich dreckig zu machen, braucht's wohl saubere schreibtisch-jobber, die die lieben leut' in lohn und brot bringen - egal, ob's hier tastenklimperer bejubeln oder beklagen.
AntwortenLöschen"250.000 Meldungen werden nach dem Inkrafttreten der bürokratiearmen Meldepflicht täglich entgegengenommen werden müssen. Selbst ohne die notwendigen gründlichen Nachkontrollen und Tiefenprüfungen sind dazu nach dem aktuellen Personalschlüssel der Bundesagentur für Arbeit etwa 220.000 bis 230.000 Mitarbeiter erforderlich"
AntwortenLöschenDas ist ja ein mörderischer Job, die Arbeitsbelastung ist ja unfassbar. Jeder muss dann pro Tag
ungefähr eine Meldung bearbeiten.