Montag, 22. Juli 2024

Bierdeckelsteuer: Kaltgewalzte Deckelpest

Es geht um 26.000 Tonnen Stahlblech jährlich allein in Deutschland: Eine Bierdeckelsteuer gilt als wichtiges Vorhaben der nächsten EU-Kommission.

Große europäische Ingenieurskunst, eine zu allem entschlossene EU-Kommission, intensive Beratungen im größten halbdemokratisch gewählten Parlament der Welt und die Zustimmung der Staats- und Parteichefs von 27 Ländern - mehr brauchte es nicht, um das drängende Problem der Schraubverschlüsse zu lösen. Seit einem Jahr nun schon sind die bis dahin stets lose mit den Flaschen verbundenen Deckel als "Tethered Caps" unlösbar mit den Getränkebehältern verbunden. Ein kleiner Schritt für die EU, der eine oder andere kleine Schnitt in die Lippe eines Trinkenden, aber ein großer Durchbruch für die Menschheit, die fünf Jahre nach dem Erlass der EU-Richtlichtlinie 2019/904 aufatmen kann.

Deckel drauf!

Seit die Kappe dranbleibt, sinkt die Menge an Plastikmüll, die durch die Meere treibt. Die vom Bundespräsidenten aufgrund eines Rechenfehlers im Schloss Bellevue beschworene Gefahr, dass schon 2050 "mehr Plastikmüll als Fisch in den Ozeanen schwimmt", bestand zwar nie. Nun aber ist der Bleibt-dran-Deckel für Verbraucher bereits das Normalste der Welt: Wer mag, lässt ihn hängen. Wer nicht, reißt ihn einfach entschlossen ab. Psychologen haben herausgefunden, dass folgsame Linke eher ersteres tun, bockige Sachsen dagegen zum Reißen neigen. Für die EU aber zählt, dass sich die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll halbiert: Jede Flasche ist nur noch ein Stück Müll, nicht mehr zwei. 

Mehr als ein Anfang aber ist das nicht. Nach den Plastikdeckeln von Cola- und Wasserflaschen wollen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat im nächsten den Rest des Deckelproblem s in der Gemeinschaft angehen. Kronkorken aus Metall landen Untersuchungen zufolge noch weit häufiger in Feld, Wald und Natur. Aufgrund ihres Gewichts gelangen sie zwar selten bis in die Weltmeere. Doch sie zersetzen sich erst nach einer halben Ewigkeit und hinterlassen nachfolgenden Generationen damit eine Hunderttausende Tonnen schwere Altlast aus Metalllegierungen. 

Zwölf Milliarden stehen auf dem Spiel

Allein in Deutschland werden Jahr für Jahr zwölf Milliarden Bierflaschenverschlüsse verschlissen, nahezu hundert Prozent der Menge landet derzeit auf Wegen, Wiesen, in Wäldern und im Hausmüll. In zwölf Monaten werden so rund 26.000 Tonnen wertvollstes Weiß- und Chromeblech vernichtet, obwohl jedes Gramm zuvor in einem energieaufwendigen Herstellungsverfahren in Oxygenstahlwerken aus Roheisen im Hochofen oder in Elektrolichtbogenöfen geschmolzen werden muss. Wertvolle Rohstoffe, die unwiederbringlich verloren gehen: Allein in Deutschland entspricht die geopferte Stahlmenge Jahr für Jahr dem Gewicht von 150 Boeing 747. In zehn Jahren verschwenden Deutschlands Biertrinker damit das Gewicht von 150.000 Pkw.

Die Kommission in Brüssel hat das Problem natürlich bereits vor Jahren erkannt. Im Zuge des großen Green Deal sollte ursprünglich eine europaweit einheitliche Schnappdeckelpflicht für Bier- und Glasbrauseflaschen eingeführt werden. Allein die Mitgliedsstaaten stellten sich quer, angeführt von Deutschland, in dem die Brauereilobby noch immer große Macht und großen Einfluss hat. Die erste Kronkorken-Reform fiel aus, das von der damaligen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer angeregte Konzept "mit Innovationen, mit Optimismus, und vor allen Dingen eins, das die Menschen mitnimmt und sie sozusagen zum Teil der Lösung macht", wurde verschoben.

Reform einer Menschheitsfrage

Kramp-Karrenbauer stürzte wohl auch über ihren Ehrgeiz bei der Lösung dieser Menschheitsfrage. Die nächste EU-Kommission aber hat eine umfassende Reform der "Entgelte, Umlagen, Abgaben und Steuern im Klimakillerbereich", wie es in Brüssel heißt, wieder auf dem Zettel. Schon im nächsten Planungspapier der Union könnten sich umfassende Vorschläge zu Verbesserungen beim europäischen Bierkonsum wiederfinden. 

Hier handelt es sich um einem gesellschaftlichen Bereich, der nach Auffassung der mit Klimafragen federführend befassten Kommissariate für "Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen", "Förderung unserer europäischen Lebensweise", "Binnenmarkt", "Kohäsion und Reformen", "Gesundheit und Lebensmittelsicherheit", "Krisenmanagement", "Umwelt, Meere und Fischerei", "Energie", "Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend" und "Klimaschutz" bisher zu wenig beachtet wurde. Auf der letzten Klimakonferenz in Dubai etwa war das Missmanagement im Bierdeckelbereich überhaupt nicht thematisiert worden.

In der Geburtsklinik des Bieres

Die europäische Familie, Geburtsklinik des Bieres, will hier weltweit Maßstäbe setzen und als Vorbild auftreten. Die Kronenkorkenfrage als weltweites Problem zu lösen, heiße europaweit etwa 100.000 Tonnen wertvolles Stahlblech im Jahr einsparen zu können. 560 Gigawattstunden Strom müssten dann nicht mehr erzeugt werden - das entspricht dem Energiebedarf von rund 200.000 Haushalten. Um die kleinen runden und äußerst dünn kaltgewalzten Stahlblechdeckel, die meist oberflächlich mit Zinn beschichtet sind, in den angestrebten EU-Klimakreislauf zurückzuführen, ist an eine Bierdeckelsteuer gedacht. Adäquat zum Flaschenpfand, das in Deutschland Grundlage der Trittin-Rente ist, würde beim Verkauf künftig ein kleiner Obolus auf den Deckel fällig. Fünf bis zehn Cent täten auch Vieltrinkern nicht weh, heißt es in den Fluren des Berlaymont-Palastes.

Für die globale Gemeinschaft aber wäre es ein Fanal. Nach Berechnungen des Weltklimabierforschers Björn Lemfort fallen weltweit jährlich fünfzig Milliarden Kronkorken an, die nach einmaligen Benutzung zumeist für immer verloren sind. Als Zeichen für einen klimakonformeren Biergenuß sei die Bierdeckelsteuer ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur grünen Null beim Bierverschluss und in  "Verantwortung für die künftigen Generationen", wie es im Grundgesetz heißt, alternativlos. Die EU als einer der führenden Produktionsstandorte für hochwertige Biere könne zum Pionierkontinent eines neuen Umgangs mit der als "Deckelpest" bezeichneten gedankenlosen Gewohnheit zahlloser Biertrinker werden, einen geöffneten Kronkorken einfach achtlos seinem Schicksal zu überlassen.

6 Kommentare:

  1. Hoffentlich liest die EU-Kommission hier nicht mit. Man soll diese Leute nicht auf dumme Ideen bringen. Immerhin zerbrechen sich in Brüssel über 30.000 Beamte täglich den Kopf darüber, wie sie das Leben der Menschen draußen in den angeschlossenen Ländern erleichtern und verbessern können.

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  2. Man führe doch einfach den guten alten Fump(Bölkstoff, Potsdamer Stange)-Verschluss wieder ein ...

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  3. Auf jeden Kronendeckel der weggeschmissen wird kommen mindestens 50 Zigarettenkippen. Das kann man
    an jeder Haltestelle sehen. Es ist ein Grundrecht für jeden Raucher seine Kippen überall hinzuschmeißen. Ein Pfand für Zigarettenfilter ist bitter nötig.

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  4. OT

    Also das Sozis und Kleptocrats, wohl nicht die schlausten sind, dürfte sich eigentlich seit Amtsantritt von Biden rumgesprochen haben?

    DASS Michael Kleins Lecker auch nicht die Schlausten sind, hat sich ja auch noch nicht herumgesprochen.
    Der Meister selbst pflegt nebenbei auch wiederholt "brilliant" zu schreiben. Nennt mich halt kleinlich.

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  5. vom gewicht des materials das kleinere problem

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  6. Man kann doch ganz viele Gewinnspiele damit bauen.

    https://www.youtube.com/shorts/_GZXgTu711s

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