Freitag, 12. Juli 2024

Alles oder Nichts: Spaß beiseite, der Krieg kommt

Die Geschichte wiederholt sich auch in den Schlagzeilen.

Das erste Opfer des Krieges ist immer die Friedensbewegung. Sie stirbt noch vor der Wahrheit, weil sie sich nicht mehr trauen darf, zu sagen, was sie zu glauben meint. Vaterlandsverräter! Hundsfott! Fünfte Kolonne!, ruft es dann. Im Juli 1914 organisierte die Friedenspartei SPD noch engagiert Massendemos gegen den drohenden Waffengang, sie rüttelte die Zivilgesellschaft auf und führte breite Bündnisse zusammen. Wenige Tage später stimmte die Partei einem Burgfrieden mit den Kräften der Reaktion und den Kriegskrediten zu. Ein paar Abgeordnete äußerten wohl intern Bedenken. Aber die Parteidisziplin!

Blut ist dicker

Blut ist dicker als Wasser, Wurzeln und Wohnort lassen es richtig erscheinen, der Regierung die finanziellen Mittel in die Hand zu geben, dem mächtigen und raubgierigen Russland dort weit im Osten die Stirn zu bieten. Die Herrschenden sollten ruhig wissen, dass das internationale Proletariat den Krieg aus tiefster Seele verabscheut. In der Stunde der Not aber Gewehr bei Fuß steht und bereit ist, seinen Platz im Schützengräben einzunehmen. Es herrsche Aufbruchstimmung bei der Nato, freute sich die "Tagesschau" schon kurz nach Kriegsbeginn. Eine erneute "letzte Mahnung an Russland". Die Älteren erinnern sich.

Der "Spiegel" ruft zu den Waffen.

Im Sommer 1914 erwarteten die Kriegsparteien einen kurzen Krieg und die Soldaten glauben, bis Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Hundert Jahre später soll es ganz ohne Fronteinsatz zum Sieg gehen. Die "härtesten Sanktionen aller Zeiten" (von der Leyen) würden dafür sorgen, dass der Angreifer bald bankrott sein wird. Nur eine "Frage der Zeit" sei das. Die aber zieht sich und sie zieht sich. An der Ostfront herrscht diesmal nie Kriegsbegeisterung, mittlerweile aber ist das blutige Ringen um hier einen Kilometer und dort einen anderen zu einem leisen Hintergrundgeräusch abgeschwollen.

Auflösung des Stellungskrieges

Wie damals ist es ein Stellungskrieg geworden. Die Soldaten liegen sich gegenüber, können aber kaum Geländegewinne erzielen, die angesichts der räumlichen Ausdehnung der Ukraine von Bedeutung sind. Seit Monaten schon verändert sich der Frontverlauf nur noch wenig. Die Meldungen über russische Verluste werden immer akkurater, der Umstand, dass über ukrainische Tote und Verletzte keine gibt, erscheint inzwischen als vollkommen normal. Der Krieg ist immer da. Aber er hat kein Gesicht, abgesehen von dem des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dessen Auftritte wie das ganze Ringen seines Landes ums Überleben nur mehr ohne großes Interesse zur Kenntnis genommen wird.

Die Nato, die mit der EU um das Verdienst ringt, Europa soundsoviele Jahre Frieden beschert zu haben, war bisher entschlossen, die Schlacht mit Hilfe von Geld zu gewinnen. Würden Milliarden Euro und Dollar auf den Ausschlag geben, hätte schon der laufende Nato-Jubiläumsgipfel in Washington eine einzige Siegesfeier werden müssen: 186 Milliarden Dollar Hilfe weist der Ukraine Support Tracker der Universität in Kiel im Moment aus. Und die gesamte Summe hat gerade gereicht, den Ukrainer zu helfen, den Krieg nicht zu verlieren.

Mobilmachung im "Spiegel"

Das ist kein Zustand, nein. "Der Westen muss klären, ob er zum Krieg gegen Putin bereit ist", hat Markus Becker jetzt im "Spiegel" klargemacht, dass Kriegstüchtigkeit das eine ist, die Bereitschaft, selbst an die Front zu gehen, aber noch mal etwas anderes. "Wie weit will die Nato gehen, um die Ukraine zu verteidigen?", fragt der Spiegel-Mann, als hätte er die Programmplanung des Nato-Gipfels injiziert bekommen. Er antwortet nicht, aber das tun die vielen älteren Herren in Washington und die paar wenigen Damen unter ihnen auch nicht. 

Becker führt es darauf zurück, dass "die Suche nach einer Antwort besonders für die Deutschen schmerzhaft" werde. Die Suche. Nicht die Antwort. Die wäre nämlich tödlich: Wenn der Russe kommt, ist alles klar, man wird sich verteidigen müssen. Doch was, wenn er wegbleibt? So dass er jederzeit kommen könnte? Der Nato-Westen steckt in einem unauflösbaren Dilemma: Seit Jahren sagt er Russland mit allerlei Zeichen und klaren Signalen, dass das alles so nicht geht. Und die Nato deshalb bald und wirklich und ganz klar etwas tun wird, von dem sie selbst sichtlich nicht weiß, was es sein könnte. Am Ende sagt sie dann noch mal, dass es so nicht geht, und dass sie bald und diesmal wirklich...

Schwimmer mit gebundenen Händen

Der südalbanische Philosoph Enes Dibra hat einmal geschrieben: "Wenn einem die Hände gebunden sind, sollte man nicht ankündigen, schwimmen zu gehen, denn die Leute im Dorf lachen sonst". Beim Spiegel wie bei der Nato geht also darum, mit leeren Händen zu drohen und eine furchterregende Miene zu Russlands bösem Spiel zu machen. Pentagon-Chef Lloyd Austin schaffte das idealtypisch, indem er  sagte: "Wir werden uns nicht in Putins Krieg hineinziehen lassen, aber jeden Zoll der NATO verteidigen." Weil nämlich, falls dieser eigentliche Zweck der Nato-Gründung irgendwo vergessen worden ist, "ein Angriff auf einen Verbündeten sei einen Angriff auf alle" darstelle. 

"Klare Grenzen zeigen", heißt das im Propagandageschäft, in dem Kriege mit Ankündigungen, Drohungen und der Verschiebung imaginärer Truppen auf den Landkarten in den Generalstäben geführt werden. Roderich Kiesewetter, ein Sofakrieger der CDU, der hofft, im kommenden Jahr Verteidigungsminister werden zu können, will "all in gehen bei der Unterstützung für den Sieg der Ukraine" mit "mehr Geld und schnellerer Hilfe". Stolz zeigt die Nato ihre "Muskeln" (n-tv). Ein Pykniker, der einen Athletiker spielt.

Der Nato-Chef hat angekündigt, jederzeit "binnen 30 bis 100 Tagen" eine halbe Million Männer mobilmachen zu können, um die auf rund 5.000 Kilometer Länge gestreckte Ostflanke des Bündnisses zu verteidigen. Das wären wären 200.000 mehr als vor zwei Jahren dort auf Wacht standen, allerdings immer noch nur 100 Mann pro Kilometer. Obwohl nach Überzeugung von Militärexperten wenigstens 300 allein für die erste Linie nötig wären, weil "Verteidigung sonst nicht möglich" (n-tv) ist.

Neue Stufe der Eskalation

Die USA sorgen vor. Im Zuge einer neuen Stufe der Eskalation, ausgelöst durch die Diskussion um die sogenannten "Altersbeschwerden" des amtierenden US-Präsidenten, kündigte das Weiße Haus die "Verstärkung der Abschreckung" in Europa durch die Stationierung von Marschflugkörper in Deutschland an. Neben "Tomahawk"-Raketen und Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 soll Deutschland auch Basis werden für die Widerlegung des Faktenchecks, in Deutschland würden keine "neuen Überschallwaffen mit deutlich weiterer Reichweite als gegenwärtige landgestützte Systeme in Europa" stationiert. Nun doch: Diese Cruise Missiles sind in der Lage, 15 Minuten nach dem Abschuss Moskau zu treffen. 

Wenn das dem Kreml keine Lehre ist, dann wissen sie auch nicht. Als Zeitpunkt der Stationierung der neuen Erstschlagskapazität auf deutschen Boden ist das Jahr 2026 angekündigt, womöglich, um Putin Zeit zu lassen, sich alles anders zu überlegen. Womöglich aber auch, weil das Nato-Tempo einen ähnlich flotten Marschtakt vorgibt wie die Deutschland-Geschwindigkeit, bei der im Sturmschritt Stiefel besohlt werden können. Die Ungewissheit darüber, was es ist, wird Putin in den kommenden Monaten zweifellos plagen. Es könnte sein, er überlegt es sich deshalb anders und zieht seine Truppen zurück. 

Trommeln und Pfeifen

Das Getrommel, dass die Nato anderenfalls bald und dann wirklich und jetzt aber noch mehr auf jeden Fall und mit klaren Signalen alles und noch weit deutlicher... erschreckt den Kreml so sehr wie ein Hase den Wolf im Hühnerstall. Es sind Botschaften an die eigene Bevölkerung, Gewöhnungsübungen zur inneren Mobilmachung. Wer genau hinhört, erkennt ein Pfeifen im Wald, denn so laut die Nato auch trommelt und pfeift: Es gibt keine Alternative zu diesen beiden: Greift Putin ein Nato-Land an, beginnt der Dritte Weltkrieg. Tut er es aber nicht, bleibt es bei einem regional begrenzten Stellvertreterkrieg zwischen der Ukraine und Russland.

15 Kommentare:

  1. >> "Klare Grenzen zeigen", heißt das im Propagandageschäft

    Joseph Biden zeigt Migranten klaren Propagandagrenzen auf.

    https://www.youtube.com/watch?v=qaU3FxK7fvk

    Volltext in der Beschreibung.

    Von den Staaten lernen heißt Migraten draußen lassen lernen.

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  2. das ist nicht mehr mein joe

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  3. Joseph Biden über gemeinsame Grenzen

    "The allies in the room not only share a common language. Don't share a common language. We do! Not share a common border. But we are neighbors. We're neighbors."

    https://rumble.com/v56fwc3-nato-summit-dinner-did-biden-and-fetterman-do-a-body-swap.html

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  4. Die größte Katastrophe wäre, dass Trump nochmal rankommt und sich alles nochmal 4 Jahre verzögert. Dann schon lieber Krieg, zumindest laut Der Spiegel.

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  5. sie werden den ersten graben besetzen

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  6. "Greift Putin ein Nato-Land an, beginnt der Dritte Weltkrieg. Tut er es aber nicht, bleibt es bei einem regional begrenzten Stellvertreterkrieg zwischen der Ukraine und Russland."
    Also, es wird sich doch irgendwo ein Sender Gleiwitz Auftreiben lassen.

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  7. Ist Jean Jaurès ein Begriff allhie'?

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  8. irgendwo ein Sender Gleiwitz ...

    Jetzt kommt DIESE Idiotennummer wieder.
    Danach dann wahrscheinlich die Welthauptstadt Germania.

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  9. Hase, Du bleibst hier...Juli 12, 2024

    Jeden Morgen wache ich exakt um 5:45 Uhr auf. Schweißgebadet, schnell aufs Handy geschaut. OK, der Bitcoin ist innerhalb der Range. Weiterschlafen ! Soll Sie doch weiter maschieren, bis alles in Scherben fällt. Ich bin raus, schon lange.

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  10. "Ist Jean Jaurès ein Begriff allhie'?"

    Für die Geschichtsinteressierten und Diktatursozialisierten durchaus.

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  11. Der lachende MannJuli 12, 2024

    "Ist Jean Jaurès ein Begriff allhie'?"

    Das ist doch Allgemeinbildung. Jedenfalls für die mit Schulpflicht Aufgewachsenen. Also uns Mitteldeutsche.

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  12. Danach dann wahrscheinlich die Welthauptstadt Germania.

    Einfaches Rechnen bis höchstens Eintausend ...

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  13. Nein Hase, du bist "ebend" nicht raus. Wäre ich ja auch gerne, sind wir beide aber nicht.

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  14. Wie Georg Friedman 2015 auf der Sicherheitskonferenz in Chicago mehrfach und eindringlich betonte, ist die größte Bedrohung der USA die Achse Deutschland - Russland, aus welcher ein ernstzunehmender Konkurrent um die Stellung als globaler Hegemon erwachsen würde.

    Ob irgendwelche Sanktionen nun Russland treffen, ist gleichgültig. Sie treffen - planmäßig - Deutschland.
    Deutschland soll von der globalen Macht, die es nicht sein will zur globalen Macht, die es nicht ist weiterentwickelt werden.
    Zur Sicherheit, es hat ja seit 400 Jahren nicht funktioniert, Deutschland dauerhaft am Boden zu halten, wird die Achse D - RU nachhaltig zerstört. Die Länder sollen von Wirtschaftspartnern zu wieder unversöhnlichen Gegnern aufgebaut werden: Der Fall Rheinmetall scheint da symptomatisch. Vom Großlieferanten von Gefechtsübungstechnik für die RU Armee zum Ziel von Attentaten (via CEO) durch den FSB.

    Dass die NATO durch ihre konventionelle Rüstung recht viel dafür tut, RU die Sorge zu nehmen, der "Dritte Weltkrieg" werde ein atomarer sein, passt da ins Bild. Die NATO sollte an sich noch genug Atomwaffen haben, um einen Angriff zum Selbstmord werden zu lassen. Dass sich nun aber gleichzeitig Massenheere waffenstarrend an der Bündnisgrenze gegenüberstehen, wird den Eisernen Vorhang wieder zuziehen. Diesmal eben nur von Westen aus. Da wird auf absehbare Zeit keine Achse mehr durchdringen.

    In Peking kommt man derweil mit dem Kaltstellen von Schampus nicht mehr nach, so wie dort die Korken knallen, angesichts der Vehemenz, mit der RU in die weit geöffneten chinesischen Arme getrieben wird. Fast könnte man meinen, dass RU von CN fleißig ermuntert wurde, nach der US-Choreographie zu tanzen und zu versuchen, sich Krim und (Ost-) Ukraine einzuverleiben.

    (PS-Exkurs: Man könnte sich ja bei Gelegenheit die total absurde Idee imaginieren, dass Nordkorea nur die Drehscheibe/ der Zwischenhändler für chinesische Waffenlieferungen sei... Es würde dann so schnell nicht enden.)

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