Sonntag, 9. Juni 2024

EU-Wahlkampf: Mit hohlen Parolen

Leerformeln aus magischen Hauptwortkombinationen: So sinnfrei die EU-Werbekampagne für die Abstimmung, so getreulich wurde sie von den Parteien nachgeahmt.

Es steht alles zur Abstimmung. Soll Deutschland Waffen liefern? Soll die Nato Truppen schicken? Soll Wohlstand zurückgebaut werden, um das Klima zu retten? Oder wäre es eher angebracht, das Klima zu retten, um den Wohlstand zu bewahren? Kernkraft, nein danke oder ein Ende des deutschen Sonderwegs zum Energieausstieg? Schuldenbremse ja oder unbegrenztes Schuldenrecht für die EU? Tempolimit? Autoverbot? Ausbau des Überwachungsstaates? Wehrpflicht? Abschiebungen im großen Stil? Die Grenzen dicht wie der große Bruder USA?  

Wenig zu sagen, nichts zu melden

Bei der als "Europawahl" angepriesenen Abstimmung über die Besetzung des künftigen EU-Parlaments, immerhin die zweitgrößte halbdemokratische gewählte Volksvertretung der Erde, geht es nicht direkt um all diese wichtigen Fragen. Dafür hat das Hohe Haus in Straßburg zu wenig zu sagen, aber dafür nichts zu melden. Es ist das einzige Parlament in ganz Europa, das keine Gesetze initiieren, sondern nur die abnicken kann, die der bürokratische Apparat der 27 Kommissare ausspuckt. 

Doch als Stimmungsanzeiger taugt eine Abstimmung über jede Volksvertretung, sogar über diese: Soll die EU noch bürokratischer werden? Noch mehr Vorschriften und Regeln erlassen? Noch mehr hineinregieren in die Belange der Mitgliedstaaten? Noch mehr Geld bekommen, um noch mehr Geld ausgeben und die Verwendung anschließen mit noch mit Bürokraten überwachen zu können?

Ausgerechnet auf all diese Fragen geben die Parteien, die zur Wahl antreten, keine Antwort. Als hätten sich alle miteinander abgesprochen, vermeiden sämtliche 35 in Deutschland zur Europawahl zugelassenen Parteien und Vereinigungen jeden Verdacht, so wollten Klartext zu den wichtigen Weichenstellungen der Gegenwart sprechen. Niemand hat die Absicht, etwas anderes als hohle Parolen zu verbreiten. Nach dem Vorbild einer von der EU selbst finanzierten Kampagne, die zur Teilnahme an der Abstimmung mobilisieren soll, konzentrieren sich sämtliche Wahlkampagnen auf Leerformeln, Worthülsen und sinnfreie Sprüche. 

Keiner sagt, was er will

Nein, niemand verkündet, er werde die Grenzen schließen wie Joe Biden. Es wirbt aber auch niemand wirbt mit dem Versprechen für sich, die Grenzen wieder ganz zu öffnen und die gute alte Willkommenskultur wiederzubeleben.  Obwohl vermutlich der die absolute Mehrheit holen würde, der verspricht, den EU-Zwangsdeckel abzuschaffen, die Kommission und das Parlament zu halbieren und in Zukunft auf das Hineinregieren in alle Reste von Subsidiarität zu verzichten, wagt es niemand.

Keiner sagt Steuer runter, keiner sagt, Steuern rauf. Keine sagt, lasst uns Schulden machen, so lange uns noch jemand Geld gibt. Es kündigt aber auch keine Partei eine Schuldenbremse für ganz Europa im Falle des eigenen Wahlsieges an. Auf allen Plakaten, in sämtlichen der wenigen Wortmeldungen, in allen Talkshows wird eines deutlich: Alle haben Angst. Jede fürchtet das Gleiche: Wer konkret wird, verliert. Wer dem Wähler reinen Wein einschenkt, wird bestraft. Der Ehrliche ist der Dumme und der, der sich am schönsten an der Realität vorbeischwindelt, gewinnt.

Verweigerte Realitäten

Gerade erst hat eine Studie des Thinktanks "Dpart" unter dem Titel "Politische Einstellungen und sozioökonomische Realitäten in der Europäischen Union" deutlich gemacht, es eine "weit verbreitete Unzufriedenheit der EU-Bürger*innen mit dem aktuellen Zustand von Gesellschaft und Politik sowie einen pessimistischen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Lebensstandards in ihren Ländern" (Dpart) gibt. Der Unmut wurzele in zentraler Weise im Versagen der nationalen Regierungen im Umgang mit "der Krise der Lebenshaltungskosten" und sei "in allen befragten EU-Mitgliedstaaten weit verbreitet". 

Als Konsequenz zieht das Heer der Aspiranten auf einen hübsch dotieren Posten im Raumschiff EU mit Losungen durch die Lande, die sich vollständig durch Bilder von Blumen, Käfern und Sonnenuntergängen ersetzen ließen. Das Vorbild ist die EU selbst, deren Kampagne im Vorfeld der Wahl mit Versprechen wie "Freiheit, Frieden & Energieunabhängigkeit" oder "Stabilität, Respekt und grüne Transformation" für rege Beteiligung geworben hatte - aberwitzige Substantivkombinationen, gegen die Erläuterungen der EU zum eigenen Demokratiedefizit klingen wie ein schmissiger Sommerhit, der gerade noch erlaubt sein könnte. 

Magische Hauptworte

Verliebt in den Zauber magischer Hauptworte, haben die Werbeagenturen, die den Parteien ihre Botschaften entwerfen, sich überall für dieselben Formeln entschieden. "Sicherheit" bieten alle an, "Freiheit" natürlich, dazu "Gemeinschaft", "Zusammenhalt", "Europa", "Einigkeit", irgendwas mit "Frieden" und Entschlossenheit "gegen rechts" und andere "Bedrohungen". Unabhängig von der  politischen Grundeinstellung, unabhängig aber auch von den Plänen, die bei SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU, Linken, AfD und Wagenknecht-Partei durchaus unterschiedlich aussehen, sind die Schlagworte identisch. 

Mit Kaskaden von sinnfreien Leerformeln aus Hauptwortkombinationen, denen die Wahlwerber zutrauen, beim Wähler ein Gefühl von Vertrauen in die Führung, Leitung und Planung zu erwecken, haben sich sämtliche Parteien im Stil der EU-Werbekampagne in den Wahltag gerettet. Nichts, was kommen soll, wurde verraten. Keiner hat offenbart, welche konkreten Absichten er hat. Und alle die Hütchenspieler, Gaukler und Illusionisten werden zwar nicht deswegen gewählt werden. 

Aber trotzdem.

3 Kommentare:

  1. Neun Grad Paracelsius im Flachland, fastän solen skiner.
    Nun werde ich hingehen. Dit is die Flicht dit Staatsbürjers.
    Wir werden immer dürrer, Die Grünen immer fetter - Björn Höcke ist unser Retter.
    Morgen bricht eine neue Ära an.

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  2. Darf man "das Bankett der Frühstücksdirektoren kann wieder tagen" schreiben?
    Oder sollte es "Frühstücksdirektor*Innen" heißen?

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  3. mit frühstück wird das diesmal nichts. sie werden bis tief in die nacht verhandeln müssen, der parlamentspräsidentinnenposten für barley muss für deutschland rausspringen

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