Montag, 3. Juni 2024

Besorgte Bürger: Sturm im Wasserglas

Besorgter Bürger Nummer 1: Mit klaren Worten hat der Bundespräsident seine große Sorge geäußert.

Die Innenministerin ist erschüttert wie auch die Außenministerin und der Kollege vom Justizressort. Der Bundeskanzler zeigt sich diesmal lieber "bestürzt", der Finanzminister sogar "wütend". Der Bundespräsident hingegen hat nach der Ermordung eines Polizisten durch einen islamischen Attentäter "große Sorge angesichts der Verrohung der politischen Auseinandersetzung und der wachsenden Gewaltbereitschaft in unserem Land". So dürfe es nicht weitergehen, sagt der besorgte Bürger Nummer 1 in seiner bekannt nachdenkliche und eindringlichen Art.  

Erschüttertes Schweigen

Svenja Schule vom Entwicklungshilfeministerium findet es auch "wirklich schrecklich". Zuerst aber müsse man nun mal sehen und dann mal schauen und schließlich "genauso hart gegen diese Täter vorgehen". Bis dahin mahnt der Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem vorsorglich vorab verfertigten Video zum 55. Jahrestag des Mordes an Walter Lübcke: Scholz warnt eindringlich vor Hass und Gewalt, er redet Nazi wie dem politischen Islam ins Gewissen. Mannheim nennt er nicht. Als alter Gummistiefelpolitiker weiß Scholz, dass ihm nichts passieren kann, so lange Hochwasser ist. 

Selbst im Nachrichtenmagazin "Spiegel", einem Leitmedium der Schrecken von Sylt, findet der politische Mord an einem Andersdenkenden schon nach 48 Stunden nur noch im Kleingedruckten statt. Nach einem ausdrücklichen Lob für die "bewegten Worte" (Spiegel), die die Politik auch diesmal wieder für ein Opfer eines terroristischen Anschlages gefunden hat, beschäftigt die Reporter und Journalisten insbesondere die Frage, was die AfD mit dem ungeheuerlichen Anschlag auf die Demokratie zu tun hatte. Die Frage, warum es das Wort "Messerattacke" vor 30 Jahren noch nicht gab, es aber im "Spiegel" seit der Einfuhr aus Russland mehr als 1.000 Mal benutzt wurde, stellt sich nicht.

"Barbarische Tat"

Direkt aus der Erschütterung in die Schuldzuweisungsdebatte einzusteigen und sich dabei jeden höhnischen Verweis auf "Einzelfälle" zu ersparen, das ist das Talent, das jetzt vor allem gefragt ist.  "Diese barbarische Tat darf nicht ungesühnt bleiben und muss restlos aufgeklärt werden", zeigt sich Bundesjustizminister Marco Buschmann mit einem schonungslosen Zitat von 2016 im Zweifel fest entschlossen, dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen. 

Nancy Faesers Social-Media-Team hat sich diesmal für die Formulierung "unfassbar brutale Messerattacke" entschieden und das Versprechen, dass der Täter "mit maximaler Härte des Gesetzes für seine mörderische Tat bestraft werden" müsse. Wie Faeser ist auch Annalena Baerbock aber erstmal in Gedanken "bei seiner Familie und seinen Freunden". Sicher ist jetzt schon: Das "Motiv wird weiter untersucht" und "unsere Sicherheitsbehörden haben die islamistische Szene fest im Visier und verstärken diesen Kampf weiter."

Politische Inversionswetterlage

Der Eindruck täuscht, dass es überall und sehr streng nach Heuchelei riecht. Es ist das feuchte, warme, symptomlos heiße und zugleich so kühl erscheinende Frühjahr, das für eine politische Inversionswetterlage sorgt. Die angespannte Lage in Süddeutschland macht Hoffnung, mit Besuchen in Notstandsgebieten und den üblichen Hilfszusagen punkten zu können. "Brennpunkte" über Wassermassen sind immer gut im Wahlkampf. Sie lenken zudem auch ab vom Bangen warten auf die Antwort des Kreml auf die jähe Änderung der deutschen Ukrainestrategie von "Scholz lehnt Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium ab" (25.5.) zu "Deutschland erlaubt der Ukraine, mit westlichen Waffen russisches Gebiet anzugreifen" (2.6.)

Nicht zuletzt steht auch die Frage im Raum, wann die ersten Sylt-Sänger vor den Richter treten müssen, die im politischen Berlin Zuversicht schürt, auch diesmal wieder ungeschoren über den Wahltag zu kommen. Letzte Umfragen zeigen, dass die extremistische Rechte unter ihren Skandalen zu leiden beginnt und sich viele Demokraten abwenden. Zugleich erstarkt die SPD, ein Erfolg auch des Kanzlers und seines unbeugsamen Festhaltens an rasch wechselnden Positionen.

Der Mannheimer Sturm

Auch der Mannheimer Sturm, der im Moment braust, als drohe er, eine Zeitenwende einzuläuten, er wird aller Erfahrung nach schnell vorübergehen. Dass er trotz aller Bemühungen um Contenánce im Interesse des Staatswohls für einen Moment lang die Aufregung rund um die Sylter Hetzgesänge  übertrifft, muss nicht heißen, dass nicht ab nächster Woche wieder weggeschaut werden kann. Die Lage spitzt sich dankenswerterweise zu. Es geht um Menschenleben. Aus der kurzzeitig krisenhaften Lage werden Konsequenzen gezogen werden wie immer. Die Prämisse lautet "Schutz von Leib und Leben" (SZ). Keine Neubauten mehr ins Überflutungsgebiet. Tempolimit. Raus aus der Kohle.

3 Kommentare:

  1. Haldenwang hat den Rechten nicht intensiv genug beobachten bzw. nicht rechtzeitig in Schutzhaft nehmen lassen und unsere leicht reizbaren Mitbürger stehen deswegen wiedermal unter Generalverdacht.
    Zum Glück hat es dabei einmal auch den richtigen erwischt. Ich meine nicht Stürzenberger.

    AntwortenLöschen
  2. OT
    Betr. "Jede Zelle meines Körpers ist glücklich ..." ---

    >>
    @LHA675
    vor 11 Monaten
    Das Lied ist auch nicht Tod zu kriegen. Gute Laune ding immer wieder. <<
    ---------------------------------
    Manfred Wolke ist nun auch Tod ...

    AntwortenLöschen
  3. Wolke in Mexico ist das erste Fernsehereignis, an das ich mich erinnern kann, wie auch an den Skandal 1972, als Nordwig Olympiasieger wurde und pünktlich zur aktuellen Kamera geschaltet wurde.

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.