Die ersten fünf Jahren waren gut, nun soll es weitergehen. Am Abendbrottisch der Staatenlenker wird über die Besetzung der künftigen EU-Spitze beraten. |
Die Wähler haben gesprochen, aber was sie sagen wollten, weiß niemand so recht. Weiter so? Alles neu? Ursula von der Leyen, die aus Angst vor einer Niederlage gar nicht erst kandidiert hatte, ist klare Wahlsiegerin. Weniger als ihr Parteienblock hat keiner sonst verloren, deshalb gilt die Christdemokratin nun als klare Favoritin bei der wahren EU-Wahl: Im Hinterzimmer wird ausgeknobelt, wer welchen Posten bekommen muss, um die europäische Balance zu halten.
Beste Chancen für Ursula I.
Ursula I. hat die besten Chancen, denn es hat kein anderer ins Endspiel geschafft. Für ihre Zustimmung zur zweiten Amtszeit will die SPD den angestammt sozialdemokratischen Posten des EU-Parlamentspräsidenten als Aufwandsentschädigung für ihre Spitzenkandidatin Katarina die Starke aushandeln. Der CDU hat von der Leyen bereits versprochen, den Green Deal nicht mehr offensiv zu verfolgen. Die Grünen sind glücklich, wenn die Rechten draußen bleiben. Die FDP ist zufrieden, so lange die Ostfront steht, aber vielleicht springt für "die Preußin" (FR) Marie-Agnes Strack-Zimmermann auch noch Zählbares heraus.
Auf jeden Fall aber müssen alle Beteiligten etwas Zählbares mit nach Hause bringen. Die Sozialdemokraten spekulieren auf den Posten des Chefs des EU-Rates, für den der letztes Jahr wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretene portugiesische Regierungschef António Costa vorgesehen ist. Neuer sogenannten "Außenbeauftragter" könnte dann die estnische Regierungschefin Kaja Kallas werden. Kallas ist nicht nur Liberale, sondern auch eine Frau mit kräftigem EU-Stallgeruch: Die 47-Jährige ist die Tochter des ehemaligen estnischen Ministerpräsidenten und EU-Kommissars Siim Kallas, vier Jahre hat sie selbst in Brüssel und Straßburg zugebracht. Mit ihr bekäme die EU nicht nur familiäres Flair, sondern auch schon einen Hauch von Erbfolge-Adel.
Ohne Plakate und Parolen
Diesmal gibt es keine Wahlplakate, keine hohlen Parolen, keine verschwiegenen Besuche in sorgfältig gekämmten Produktionsbrigaden und keine demonstrativ hochgehaltenen Gesetzestafeln. Entschieden wird beim Abendessen, zugegen sind die Staats- und Regierungschefs, Regularien gibt es nicht. Abgesehen davon, dass der Deutsche Olaf Scholz und der Franzose Emmanuel Macron die entscheidenden Stimmen haben werden: Zwei vom Wähler schwer abgestrafte Staatsmänner, denen die Dinge sichtlich über den Kopf gewachsen sind. Immerhin sind sie noch im Amt. Der Niederländer Mark Rutte, der mitentscheidet, ist schon abgewählt.
Jeder bringt zum Schachern mit, was er hat. Weil es zu wenige Posten für alle gibt, ist man in letzter Zeit dazu übergegangen, sie auf Zeit zuzuteilen. Halbe Amtsperiode der eine, die andere halbe der andere. Gemerkt hat das niemand, weil die Amtsinhaber ohnehin im Schutz vollkommener Unsichtbarkeit agieren. Der Handel um den Kommissionspräsidentenjob ist die vielleicht schon letzte Gelegenheit für den Sozialdemokraten und seinen französisch-liberalen Kollegen, über die eigene Zeit hinaus zu wirken. Scholz winkt die Abwahl in 15 Monaten, Macron könnte schon in zwei Wochen ohne innenpolitische Macht dastehen. Eine von beiden eingesetzte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen böte die Gewähr, noch bis 2029 weiterzuregieren.
Polen hat schon
Dazu muss allen gegeben werden, und möglichst jedem, was er will. Die wichtigsten der 200 Parteien aus 27 Staaten, die beim Hinterzimmerdeal ohne demokratische Kontrolle mitreden dürfen, erwarten, dass ihnen die Kollegen und die künftige Kommission etwas bieten. Nur Polen hat schon: Noch vor der Wahl war EU zum Schluss gekommen, dass das seit sieben Jahren laufende Verfahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit eingestellt werden kann, weil die neue Regierung in Warschau den Vorrang des EU-Rechts anerkannt habe.
Ein Weiterso wäre nach dem Dafürhalten von Manfred Weber ein "Zeichen der Stabilität" der EU. der beim letzten Postenpoker unterlegene Wahlsieger von 2019 sieht in einer "vorab getroffenen Festlegung" am Abendbrottisch der Staatenlenker "kein Personalspiel, keinen Hinterzimmerdeal", sondern ein Zeichen "aller Transparenz" für eine "Zukunft, die in Hand der EVP geführt wird, aber auch die Hand ausstreckt zu den anderen Partnern." Dazu müssten die "Parteienfamilien in der Mitte, die Christdemokraten, Sozialdemokraten und die Liberalen zusammenarbeiten". Mehr ist es nicht.
Was man nicht alles auf den Tisch kriegt. Die Preußin?
AntwortenLöschenhttps://www.fr.de/politik/europawahl-eu-parlament-fdp-kandidatin-strack-zimmermann-preussin-93105421.html
Ach, ein Buch hat sie geschrieben. Schlanke 133 Seiten, also vermutlich sogar selbst geschrieben. Das Zombieblatt zitiert Seite 101:
„Ein eigener Kommissar für Verteidigungspolitik könnte die verstärkten Bemühungen der Mitgliedsstaaten koordinieren und gezielt vorantreiben“
Ja, 'verstärkte Bemühungen'. Kein Ghostwriter, der sein Geld wert ist, würde solche Plattheiten durchlassen.
Preußin?
Pro Gloria et Patria (lat. „Für Ruhm und Vaterland“) war der Wahlspruch auf den Truppenfahnen der Preußischen Armee.
Nichts läge ihr ferner.