Heinrich Stoßenreuther ist Lobbyist und Angehöriger der kleinen Minderheit von Deutschen, die tagtäglich über ihre Klimasorgen nachdenken. |
Heinrich Stoßenreuther hat Angst, richtige Angst. Seit mehr als 30 Jahren ist der Berliner Spindoktor Klimalobbyist. Er hat gekämpft um jeden Baum, für das klimafreie Deutschland "German Zero" und für den Radentscheid. Doch was hat es genützt? Immer heißer ist geworden, immer sommerlicher, Monat für Monat übertrifft mittlerweile die empfohlene Durchschnittstemperatur.
Angst bei der KlimaUnion
Die Verzweiflung ist Stoßenreuther anzumerken. "Eine tropische Nacht mit über 20 Grad gegen Mitternacht in Berlin...fühlt sich schön an und gleichzeitig bedrohlich für das, was noch kommt", hat der Mitbegründer der christdemokratischen KlimaUnion seine Klimagefühle jetzt zusammengefasst. Er sei "sauer, weil wir als Demokratie und Gesellschaft wieder besseren Wissens es nicht hinbekommen haben, die Erderhitzung aufzuhalten".
Stattdessen scheint es mehr und mehr sogar zu misslingen, breiten Bevölkerungsgruppen die Dringlichkeit des Anliegens zu vermitteln: Stoßenreuther hat sie noch, die Klimaangst, die zum Verzicht motiviert, wenn auch meist nicht zu dem im privaten Leben. Doch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat zwar Sorgen. Allerdings am liebsten angesichts anderer schwerer Probleme.
Trommelfeuer an der Klimafront
Nur knapp jeder Fünfte gab in einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC an, dass sie das Trommelfeuer der Nachrichten von der Klimafront dazu bewege, sich tagtäglich Klimasorgen zu machen. 80 Prozent der Deutschen haben mit dem Thema abgeschlossen - eine knappe Hälfte von ihnen spürt zwar weiterhin generell eine gewisse Besorgnis wegen der Klimakrise. Allerdings denken sie eigenen Angaben zufolge trotzdem nicht regelmäßig darüber nach.
Medialer Aufwand und gesellschaftlicher Nutzen, sie stehen kaum mehr in einem Verhältnis zueinander. Obwohl die Klimakrise als größte Bedrohung des Überlebens der Menschheit entsprechend ihrer Bedeutung seit Jahren Sendeplatz und Räume in Zeitungen und Magazinen eingeräumt bekommt, verpufft die Wirkung der Warnungen vor Höllensommern, immer schnellerer Erwärmung und viel zu heißen Wintern offenbar je mehr, je nachdrücklicher jeder Lebensbereich des Alltags der Deutschen auf seinen vernichtenden Einfluss auf die Zukunft der Menschheit abgeklopft wird.
Alles andere scheint wichtiger
Fast alles ist inzwischen wichtiger, seien es Kriege, Konflikte, der Rechtsruck oder die Inflation. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland zeigt der akuten Bedrohungslage gegenüber eine ausgeprägte Resilienz: Im internationalen Vergleich gaben rund 28 Prozent der 20.000 Befragten aus 31 Ländern an, tagtäglich wenigstens einmal darüber nachzudenken, wie schlimm es ums Klima steht und wo das alles noch hinführen wird. Die Deutschen scheinen trotz der jahrelangen Bemühungen auch von Heinrich Stoßenreuther entschlossen, diese existenziell notwendige Zentralangst zu ignorieren.
Mit 19 Prozent gibt es sogar eine Bevölkerungsgruppe, die sich komplett verweigert und angibt, sie sei "gar nicht besorgt" wegen des Klimawandels. Das ist ein Wert, der deutlich über dem internationalen Schnitt von 14 Prozent völliger Klimaangstverweigerer liegt, obwohl sich Deutschland weitaus schneller erhitzt als viele andere Regionen der Welt, in denen Folgen der Erderwärmung schon heute deutlich schwerwiegender sind als in Deutschland.
Der Klimaklub macht Sorgen
Durch dessen wirtschaftliche, industrielle und kolonialistische Aktivitäten hat sich die Erde insgesamt dem Weltklimarat zufolge bereits spürbar erwärmt, so dass Bundeskanzler Olaf Scholz sich im vergangenen Jahr bei der Weltklimakonferenz in Dubai ehrlich machte und mit der Verkündung der Gründung des exklusiven "Klimaklubs" ein neues Feuer unter dem kalt gewordenen Kessel der Dekarbonisierung der Industrien entzündete.
Das wirkte sich sofort in allen Regionen der Welt aus – global macht die Idee des Kanzlers, den bereits 2022 gegründeten Klimaklub noch einmal zu gründen, viele Schlagzeilen. Seitdem ist es jedoch still geworden um die wegweisende Idee "gemeinsam die richtigen Strategien und Standards für eine kohlenstofffreie Industrie zu entwickeln" (Olaf Scholz). Ein Geniestreich, der als Befreiungsschlag gedacht war: Wären erst "gemeinsame politische Rahmenbedingungen definiert" (Scholz), könne die globale Erwärmung im Handumdrehen reduziert werden, hatte der Schweizer Nobelpreisträger William Nordhaus als Erfinder des Konzeptes prophezeit.
Der verschwundene Klimaklub
Doch während Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen oder Dürren immer öfter schwerer und langwieriger werden und die Verluste und Schäden für Menschen wie Natur durch den Klimawandel wie die anhaltenden Treibhausgasemissionen weiter steigen, gab es vom Klimaklub des Kanzlers nun schon fast sechs Monate keinerlei Nachrichten mehr. Zwar ist bekannt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz aufgrund des grassierenden Fachkräftemangels in der Regel wenigstens ein Dutzend sogenannter Chefsachen zugleich bearbeitet, auf das Klima aber hatte der Sozialdemokrat stets ein besonderes Augenmerk gelegt.
Dass sein Klimaklub so schnell und still gestorben ist, unbemerkt und von niemandem beweint, ist ein beunruhigender Umstand, der Auskunft über Stimmungslage zur Klimafrage gibt. Wie aus einer Umfrage des Climate Watch Institutes (CWI) mit Sitz im sächsischen Grimma hervorgeht, erinnern sich heute schon nur noch etwa sieben Prozent der Deutschen an Scholzens Klimaklub-Vorstoß, nur knapp die Hälfte dieser ganz kleinen Gruppe glaubt zu wissen, was es damit auf sich hatte. Klimaangst spüren die Betroffenen durchaus, nach den Angaben des CWI aber wünschen sie sich mehr und bessere Informationen über zu heiße Monate, deutsche Klimainitiativen und aktuelle Möglichkeiten, bei Umfragen Auskunft über die eigenen Klimasorgen zu machen.
Wir als Demokratie und Gesellschaft haben es gern warm, anders als der Lobbyist mit seiner Rechtschreibung aus dem Kommentatorbodensatz wieder die Regeln.
AntwortenLöschenWiederlich!
AntwortenLöschen