Donnerstag, 30. Mai 2024

Kampfbegriffe der Syltkrise: Angriff der skandierenden Gröler

Kaum jemand ist in der Lage, die korrekte Bedeutung der aus den versverliebten Höfen des Mittelalters stammenden Verb "skandieren" zu beschreiben. Für Medien aber ist es eine unerlässliche Kampfvokabel geworden.

Sie "grölen" und manchmal "gröhlen" (Die Linke im Bundestag) sie sogar. Sie skandieren aber auch, noch komplizierter, denn das schwache Verb "skandieren" besitzt nicht einmal ein eigenes Substantiv, von dem es sich ableiten ließe. Draußen im Land, wo die Menschen alleweil darauf warten, dort abgeholt zu werden, wo sie sind, um sich die Entscheidungen der Politik noch besser erklären lassen zu können, wissen einer Umfrage des Fimos-Institutes aus Chemnitz unter 2.112 Wahlberechtigten etwa 57 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nicht, was der Begriff "Skandieren" meint. Ganze 72 Prozent können das Verb nicht auf seine Herkunft zurückführen, ins Deutsche übersetzen oder zutreffend umschreiben.  

Unklarheit schafft Klarheit

"Irgendetwas mit Geschrei", vermuteten die Befragten immer wieder, womöglich sei auch das Rufen verfassungsfeindlicher Parolen gemeint. Dieser vor allem in den Kreisen der höher gebildeten Mittelschicht verbreitete Annahme geht so falsch nicht. Wie Rechte, Rechtspopulisten und Rechtsextreme tatsächlich stets "aufmarschieren", während Linke, Linksextreme und Linkspopulisten sich zum bunten und friedlichen "Gegenprotest" versammeln, sind es auch schon vor den Vorfällen von Sylt die meist ostdeutsch gelesenen Querleugner und Ewiggestrigen gewesen, die zum Machtmittel des Skandierens griffen, um Furcht und Schrecken in den Stadtzentren zu verbreiten. 

Das Skandiéren - betont skanˈdiːrən - tritt häufig im Zusammenhang mit sogenannten Ausschreitungen auf, seit Jahren der neue Sammelbegriff für die früher gebräuchlichen Zusammenrottungen. Bei solchen Anlässen werden nicht nur Böller gezündet, Gegendemonstranten provoziert und demokratiefeindliche Reden geschwungen, es werden in der Regel auch "Parolen gebrüllt", es wird "gegrölt" oder sogar "gegröhlt" (GA) und es wird eben unentwegt und unermüdlich "skandiert". Ein Wort, das im 16. Jahrhundert zur Beschreibung von Gedichtvorträgen erfunden wurde. Und nun die Liveticker zur Staatskrise rund um die Nazisänger von Sylt tapeziert.

Begriff aus dem Mittelalter

Damit war nicht zu rechnen gewesen. Ursprünglich benötigten die versverliebten mittelalterlichen Höfe einen Begriff für Poeten, die ihre Gedichte mit starker Betonung der Hebungen sprachen, sehr rhythmisch, jede Silbe einzeln, wie es das Lateinische scandere (deutsch: stufenweise emporsteigen, sich erheben) beschreibt. Es war nicht etwa der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin oder ihren Vorläufern Reichsamt für Worte und Benennungen (RWB) und VEB Kombinat Geschwätz zu verdanken, dass aus der Spezialistenvokabel für Reim und Bücherleim ein politischer Kampfbegriff wurde. 

Das hat vielmehr das damalige Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bewirkt, der im Sommer 1948, einer rechtlosen, von heute aus gesehen inexistenten Zeit ohne Grundgesetz, einen anonymen Autoren einen Kranz winden ließ für die Schriftstellerin Elisabeth Langgässer, der in einem "Lob des Strichpunktes" gipfelte, einem "Lob dieses kleinen, gewaltigen Zeichens, das den Satz im Weiterlaufen skandiert, ohne ihn anzuhalten"

Vom Fachbegriff zur Kampfvokabel

Bis Ende der 60er Jahre blieb das Wort in den Ateliers der Leute mit dem besseren Geschmack eingesperrt. Ein Fachbegriff nur, der bei Vernissagen kundig fallen gelassen werden konnte. Erst 1967, die Studentenrevolte brodelte noch in den Hörsälen, doch die Liebe zu Mao und der Weltrevolution hatte die fortschrittlichen Kreise bereits erreicht, skandierte es zum ersten Mal politisch: "Sie machen die Revolution zu Fuß, auf Fahrrädern und Lastwagen. Ein Vorbeter brüllt Parolen durchs Batterie-Megaphon, die Masse skandiert", berichtet der "Spiegel" über die gottgleiche Verehrung, die Mao Tse-tung in seinem Volk erfährt.

Erst Ende der 70er Jahre bekommt das Skandieren vom Hamburger Nachrichtenmagazin seine heutige Bedeutung verliehen. Damals werfen "200 Skinheads, weiße Rocker mit kahlgeschorenem Kopf und in Ledermontur, in "den schwarzen Elendsvierteln englischer Großstädte am helllichten Tage Steine und Milchflaschen in die Schaufenster indischer Geschäfte" Und während sie so durch die Straßen toben, "skandierten sie ihr Glaubensbekenntnis ,Tötet die schwarzen Bastarde' und ,Schwarze raus'.

Kernvokabel der Syltkrise

Auf Sylt schließt sich jetzt ein Kreis. Der Angriff der skandierenden Gröler und "Gröhler" (TZ) auf die Grundwerte der Gesellschaft mag nicht strafbar sein, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei einem ersten öffentlichen Fernsehauftritt nach dem Ausbruch der Syltkrise verkündet hat. Doch wer nicht anders beschrieben werden kann als jemand, der "skandiert", der kann nicht mit Nachsicht oder Verständnis rechnen. 

Jetzt zeigt sich erst deutlich, wie wichtig das Wort ist, das eine große Mehrheit der Bevölkerung nicht in Alltagssprache zu übersetzen vermag. "Skandieren" steht für sich selbst, es ist ein Begriff, der beschreibend abwertet und die Beschriebenen dort einordnet, so niemand sein will. Immer dringlicher ist die Anwendung der Vokabel, die aus den Thronsälen über die Salons in die Redaktionen und vorn dort ins Waffenarsenal des politischen Nahkampfes fand. Der "Spiegel" verwendete "skandieren" in dem halben Jahrhundert zwischen 1948 und dem Ende des 20. Jahrhundert 81 Mal.

In den 25 Jahren seitdem 700 Mal. Davon allein 65 Mal im vergangenen Jahr, zehnmal im vergangenen Monat und sechsmal in der zurückliegenden Woche.

11 Kommentare:

  1. GrünlinkMai 30, 2024

    Die Blagen haben selbst schuld, daß sie nun ihre Jobs und Studienplätze los sind. Der von den Grünen approbierte Liedtext heißt klar und deutlich:

    "Deutschland den Grünen! Wertschöpfer raus!"

    Das kann doch nicht so schwer sein, sich daran zu halten.

    AntwortenLöschen
  2. >> Es erstaunt immer wieder, für wie blöd man das Volk hält und dementsprechend mit Erfolg noch einen draufsetzt. <<

    Da bin ich eher gegenteiliger Ansicht: Es erstaunt einen immer wieder, wie grauenhaft blöde etliche sind.
    Die Kuhbläke Upahl zum Beispiel, hatte mit 35% Spezialdemokraten gewählt. Zu den Klimaheinis: Also ick finde det jud, det sich die jungen Leute für'n Umweltschschutz angashieren.
    Oder,wie von Danisch beschrieben, mit Olaf dem Vergesslichen ßälfies machen, statt ihn ... äh ... auszubuhen.
    Die Affe-D spielt die selbe Rolle in dieser ekelhaften Schmierenkomödie wie die anderen Ganovenringvereine auch: Dem einfältigen Volke, jeweils ihrer speziellen Klientel, vorzugaukeln, man könne etwas bewirken, wenigstens ein bisschen. Lachhaft, da sei der große Sanhedrin vor.
    Für den größten Teil der sogenannten mündigen Bürger sind die Affe-D-Mitglieder bzw -wähler eitel "Nazi", was mit "rechts" völlig identisch ist ...

    AntwortenLöschen
  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
  4. Ich ändere meine Text nur bei Rechtschreibfehlern, ganz selten auf Kundenwunsch.
    -----
    David Boos als sei er ein sprechender Name

    Alle Grenzen überschritten

    Junge betrunkene Menschen grölen klar abzulehnende Parolen in die Kamera. Der Kanzler reagiert, die Bundestagspräsidentin fordert Höchststrafen. Politik, Medien und linke Aktivisten stehen Kopf. Sowohl das Verhalten der „Rich Kids“ ist zu kritisieren als auch die unverhältnismäßige Überreaktion als Staatsaffäre darauf.
    -----
    Der Tichy hat auch kein Schamgefühl.

    AntwortenLöschen
  5. Ausgerechnet wenn unsere BIMi die Sylter Sänger*Innen für unschuldig (gar rechtmäßig?) erklärt, findet sich dazu keine zitierfähige Quelle. Ein f.k.a. Twitter Video oder ähnliches.

    Das ist wirklich schade.

    AntwortenLöschen
  6. das hat sie bei miosga gesagt. die sendung steht sicher in der mediathek

    AntwortenLöschen
  7. Kommentar entfernt? Gierig lechz: Was ist mir da aus der Nase gegangen? Am Ende gar "K"?.
    Oy Gewalt.

    AntwortenLöschen
  8. @anonym

    Ihr Anonymen seid manchmal nicht nur doof, sondern unterirdisch unterbelichtet.

    Ich hatte einen Rechtschreibfühler entdeckt, diesen korrigiert, den Kommentar neu platziert und den fehlerhaften gelöscht. Bin ich hier unten im Keller nicht der einzige, der das so handhabt.

    Wie gesagt, doof ist eigentliche eine viel zu liebkosende Beschreibung eures Zustandes.

    AntwortenLöschen
  9. Deswegem sende ich z.B. die unredigietten Kommentare immer anonym. Dpof sein kann auch Spaß machen und Lebenszeit freigeben...
    PS: Sie hatten es allerdings erwähnt. Insofern ist Ihr Unmut verständlich.

    AntwortenLöschen
  10. Wie gesagt, doof ist eigentliche eine viel zu ...

    @ Pawel Kortschagin für Arme: Halte mal den Ball deutlich flacher.
    Aus der Nachricht ging nicht auch nur andeutungsweise hervor, wer das gelöscht hat und warum.
    Gegenseitige Vorwürfe bezüglich kognitiver Defekte sollten wir der Spackosphäre überlassen.

    AntwortenLöschen
  11. @anonym

    Spratteblöd ist jener, der völlig grundlos hier im Keller des PPQ rumkotzt. Auch jene, die sich bemüßigt fühlen mich bezüglich kognitiver Dissonanzen belehren oder bekehren zu wollen, wo sie selber welche haben.

    Ihr müßt langsam mal lernen, nicht mehr ständig mit den Füßen scharren zu müssen.

    Ich warte halt immer noch auf die Blogadressen all dieser anonymen Besserwisser.

    Wie gesagt, von mir aus könnt ihr hier auf dem PPQ rumkotzen wie euch beliebt. Der Hausherr hat ja ein weites Herz, wie er betonte. Mir persönlich geht das allerdings völlig an der Puperze vorbei.

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.