Freitag, 3. Mai 2024

Der feuchte Traum der Überwacher: Hurra, die Vorratsdatenspeicherung ist da!

Damals berichtete der "Spiegel" noch kritisch. Heute gar nicht mehr. Der feuchte Traum der Überwacher: Hurra, die Vorratsdatenspeicherung ist da!

Endlich einmal Grund zur Freude im politischen Berlin! Immer ging zuletzt alles schief, stets scheiterten die größten Pläne. Kaum wusste irgendwer in der Regierung mal, was eigentlich müsste, ließ irgendein Kabinettskollege sofort wissen, dass so auf keinen Fall gehen werde. Nun aber feiern sie alle, die SPD etwas lauter, die ehemaligen Bürgerrechtsparteien FDP und Grüne mit zusammengekniffenen Lippen. Hurra, Hurra, die Vorratsdatenspeicherung ist da!

Hurra, die Vorratsdatenspeicherung ist da!

Wenn der Wolfgang Schäuble das noch hätte erleben dürfen. Oder Sigmar Gabriel! Oder der Heiko Maas! Die Vorratsdatenspeicherung, sie war der feuchte Traum so vieler, vieler Innenminister, die sich von ihr erwarteten, was DDR-Stasiminister Erich Mielke in seiner Ermahnung an seine Männer zusammengefasst hatte: "Genossen, wir müssen alles wissen!" Wer wen, wann und wo, mit wem und am besten auch warum. Vor zehn Jahren hatte Thomas de Maiziere die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung in einem "Digitale Agenda" genannten Luftpaket versteckt, aber wieder war es schiefgegangen. Die Rechtslage. Die Grundrechte. Europa.

Nun endlich jedoch ist es von ganz oben bestätigt. Alles nicht so wild. Wer nichts zu verbergen hat. Das fällt ja alles auch unter den Datenschutz. Der Europäische Gerichtshof selbst, der dem guten Zweck der vollständigen staatlichen Überwachung immer im Wege gestanden hatte, straft sich selbst Lügen: Nun dürfen die Mitgliedstaaten der Werteunion, was sie schon immer wollten. Alles wissen. Alle speichern, auch ohne Verdacht und für alle Zeiten. Wissen ist Macht, mehr Wissen mehr Macht. Was man hat, das hat man. Wer weiß, wann man es einmal brauchen kann.

Im fünften Anlauf

Selbstverständlich wird die SPD, deren Interpretation der Grundrechte immer eine ganz eigene gewesen ist, nun alles dafür tun, dass die neue, nunmehr fünfte Vorratsdatenspeicherung im Einklang mit allen Vorstellungen des SPD-Vorstandes vom Schutz des Kerns der privaten Lebensführung steht. So sicher wie die deutsche Sozialdemokratie sich immer stark gemacht hat für ein betreutes Leben in fester Freundschaft mit dem russischen Volk, so entscheiden wird sie gewährleisten, dass IP-Adressen und übrige personenbezogene Daten getrennt werden, so dass "die Verwendung der Daten keine konkreten Rückschlüsse auf das Privatleben der Nutzer" zulässt.

Die Geheimdienste, womöglich sogar die deutschen, werden alle Informationen verfügbar haben. Dank der SPD aber ähnlich wie Facebook arbeiten: Reine Statistik, keine Gefahr, dass aus den gespeicherten Informationen keine Rückschlüsse auf das Privatleben der Menschen gezogen können. Beim besonderen Schutz der Daten von Minderjährigen, der dem Staat über viele Jahre hinweg aufgegeben war, hat das schon geklappt: Erst wurden die Daten gespeichert, obwohl es verboten war. Dann wurde es erlaubt.

Ein langer Atem

Es braucht einen langen Atem, die von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes errichteten Brandmauern zwischen staatlichen Allmachtsphantasien und Bürgerrechten zu schleifen. Der Staat ist hartnäckiger als alle seine Gegenspieler, er hat alle Zeit der Welt und die Geduld eines Giganten, der sich langsam bewegt, sein Ziel aber nie aus dem Blick verliert. 

"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt", hat der frühere EU-Chef Jean-Claude Juncker vor 25 Jahren ganz offenherzig geschildert, warum behäbige, aber brutal effiziente Bürokratie immer über Bürgerrechte siegt. Sie kann nicht nur warten. Warten ist ihr Lebensinhalt.

Und Widerstand hat sie nicht zu befürchten. Medien interessieren sich kaum für den Dammbruch, ein glücklicher Zufall wollte es zudem, dass eine mögliche Aufregung über den anstehenden erneuten Einbruch in die Privatsphäre von Millionen Bürgerinnen und Bürgern abgefedert wird durch ein besonders perfides Manöver Russlands: Danach wurde justament im Augenblick der Verwandlung der EU in eine Staatengemeinschaft mit ausufernder Überwachung bekannt, dass der Kreml die mit ihm so eng verbündete SPD mit einer Cyberattacke angegriffen hat. Wohl um seinen eingeschworenen Verbündeten in der ehemaligen Arbeiterpartei zu signalisieren, dass es Zeit ist, ihre Position bei Taurus und Kollegen zu überdenken.

3 Kommentare:

  1. Sie werden Gebirge von Datenmüll anhäufen. Daran werden sie ersticken, wenn sie sie benutzen
    wollen. Am Ende wird es irgentwo rumliegen und ignoriert werden. Löschen werden sie es nicht.
    Die Energie, die das alles kostet, ist gut fürs Klima. Ich mag es gern warm.

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  2. >> Keynes war nach dem Ersten Weltkrieg als Vertreter des britischen Schatzamtes Mitglied der britischen Delegation bei den Versailler Vertragsverhandlungen. Er trat kurz vor Abschluss der Verhandlungen unter Protest gegen die Vertragsbedingungen, die Deutschland auferlegt werden sollten, von seinem Posten in der Delegation zurück und schrieb 1919 das Aufsehen erregende Buch Die wirtschaftlichen Fo<>



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  3. Unklar, warum Kreuzweis seine Odh-Kraft bei den Jodmangel-Salonbolschewiken weiterhin verschwendet, statt seinen Witz HIER einzubringen.
    @ Le Penseur: Rein sachlich und ohne beleidigende Absicht: Ich sehe Sie schlicht und einfach für einen Trottel an. Nicht satisfaktionsfähig. Kaschperle. Hanswurst.

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