Freitag, 31. Mai 2024

Crash Test Dummies: Menschenversuche im Politiklabor

Großer Laborversuch: Mit Hilfe von 84 Millionen Testpersonen hat Robert Habeck im vergangenen Jahr ermitteln lassen, wie weit er gehen kann.

Einen Versuch war es wert. Als Bundesklimawirtschaftsminister im vergangenen Jahr das Heizungsausstiegsgesetz anschob, erzeugte die vorgesehenen Regelungen noch weit vor einer Einigung auf finale Formulierungen eine Welle der Empörung. Was denken die sich dabei? Sind sie wahnsinnig geworden? Wer soll das alles bauen? Und wer soll es bitte alles bezahlen?, waren Fragen, die die Republik über Wochen bewegten. Schnell geriet der grüne Männerklub um den Minister ins Visier von Kritikern.  

Ein kühnes Bauernopfer

Nur durch ein kühnes Bauernopfer gelang es schließlich, die Stampede wieder einzufangen. Eine Gesamtlösung im Sinne des Weltklimas wurde mit Hilfe der sogenannten "kommunalen Wärmeplanung", die von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin geliefert worden war, auf die lange Bank geschoben. Alles würde kommen, wie geplant. Aber nicht jetzt und auch nicht gleich morgen.

Von außen betrachtet schien das alles ein vollkommen schiefgegangenes Manöver gewesen zu sein. Schlecht konzipiert. Miserabel kommuniziert. Ein Stimmungskiller in ohnehin schweren Zeiten, der "Habecks Klüngelwirtschaft" (Der Spiegel) aus "grünem Sumpf", "Vetternwirtschaft" und "Filz" (Spiegel) mit Patrick Graichen einen Vordenker der nachhaltig wertschätzenden Klimaneutralität kostete. Ein Schlag ins Kontor, von dem sich die Grünen bis heute nicht erholt haben: Von den ehemals über 25 Prozent, die ihnen Umfragen Ende 2021 zubilligten, ist nur noch etwas mehr als die Hälfte geblieben. 

Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts

Die 2. Novelle des "Gesetzes zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude und zur Änderung weiterer Gesetze" zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie EPBD und der Energieeffizienz-Richtlinie EED  wurde schließlich geändert. Nun hat jeder das Recht, Energie einzusparen. Hauseigentümer, Mieter und die Industrie profitieren von der Möglichkeit, entlang der Vorgaebn der Energieeffizienz-Richtlinie zu investieren. Eine Chance, die sich niemand entgehen lassen will.

Die Aufregung legte sich, weil alle so harsch kritisierten Regelungen nun erst später in Kraft treten werden. Doch der Schaden ließ sich nicht mehr reparieren: Die Ampel-Koalition hatte augenscheinlich einen Beweis geliefert, dass sie bitter entschlossen ist, über Köpfe und Brieftaschen der Bürgerinnen und Bürger hinwegzuregieren.  

Kein verkorkster Versuch

Die wahre Geschichte des verkorksten Versuches, das Weltklima an einem Tag und durch harte Umbaurichtlinien für deutsche Wohnzimmer zu retten, ist aber doch wohl eine ganz andere gewesen. Wie Robert Habeck jetzt im Gespräch mit Bürgern in Berlin berichtet hatte, sei es ihm um viel mehr gegangen als um den Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen. Habeck sagte, bei der "Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft" habe es sich "ehrlicherweise" auch um einen "Test gehandelt, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen". Er habe einsehen müssen, dass "ich zu weit gegangen bin".

Zu erwarten war das nicht gewesen, denn die Corona-Jahre hatten der Politik eigentlich klar signalisiert, dass alles durchsetzbar ist, wenn es mit einem Notstand begründet wird. Gerade beim Klimaschutz segelten die Grünen in den Tagen der Erarbeitung über die konkreten Zumutungen für die Bevölkerung mit Rückenwind. Die Jugend, die später abrupt nach rechts rutschte, engagierte sich bei Fridays for Future für möglichst harte Auflagen. Klima-Ikone Greta Thunberg tanzte noch nicht mit Antisemiten, sondern zeigte Gesicht in Lützerath, einer heute weitgehend vergessenen Symbolgemeinde für den Kampf gegen die "Fossilen" (Ricarda Lang).

Test im Politiklabor

Dass der Test, einer der größten Menschenversuche im Politiklabor seit dem Mauerbau um Ostberlin, trotzdem so episch danebenging, wusste Habeck als einer der Ersten. Er habe gesehen, dass der Gegendruck sofort dagewesen sei. Deshalb wohl entschied die Bundesregierung, den beabsichtigten sofortigen Klimaschutz zu vertagen, bis sich die Lage beruhigt hat: Das schließlich beschlossene Gebäudeenergiegesetz orientiert sich am Modell Frosch im Kochtopf: Das nichtsahnende Tier wird nicht sofort ins heiße Wasser geworfen, wo es nur Zetern und Jammern würde. Stattdessen kommt es kaltes Wasser, das ganz langsam erhitzt wird, so dass sich der Frosch wohlig räkelt, bis er im kochenden Wasser stirbt, ohne zu wissen, weswegen.

Alles in allem dann doch noch ein schöner Erfolg. Robert Habeck, dessen Ambitionen auf das Kanzleramt ungebrochen sind, hat drei Schritte nach von gemacht und dann einen zurück, immer noch sieht der von Patrick Graichen ausgearbeitete Ablaufplan zum Energieausstieg den schrittweisen Austausch aller Heizungen vor, die mit Gas oder Öl betrieben werden, immer noch sollen an ihre Stelle bundesweite Fernwärmemonopole treten, die mit Fantasiepreisen für den Umstieg auf elektrische Wärmepumpen werben, die eines Tages dann von gesunkenen Strompreisen profitieren.

Unanständige Furcht

Alles für den Klimaschutz, egal, was es kostet. Robert Habeck weiß dank des Heizungstests genau, wo zu viel den Sack zerreißt und dass jede staatliche Zwangsmaßnahme, die sich gegen die Interessen einer gesellschaftlichen Mehrheit richtet, noch viel umfangreicher mit Notlagen, Alternativlosigkeit und einem anderenfalls drohenden noch fürchterlicheren Übel begründet werden muss. Möglichst viele Menschen müssten verstehen, "was der Gedanke hinter Klimaschutz ist – Freiheit". Und dass dahinter jede Furcht vor Wohlstandsverlusten zurücktreten müsse.

2 Kommentare:

  1. Natürlich muss eine Freiheit von Wohlstand mit Wohlstandsverlust erkauft werden. Gratis gibt's die nicht.
    Aber bei so einem erstrebenswerten Gegenwert zahlt man den Preis doch gern.

    AntwortenLöschen
  2. (((Yasha Mounk))) scheint schon wieder vergessen zu sein, falls er je im öffentlichen Bewusstsein war. Einzigartiges Experiment. Kann natürlich auch Verwerfungen ergeben.

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.