Wer Freunde in Brüssel und Berlin hat, ist auch in bedrohlichen Situationen immer ausreichend mit guten Worten versorgt. |
Es dauerte keine Stunde, da standen sie alle wie gewohnt in der Solidaritätsparade, um den Salut aus den üblichen Worthülsen zu verschießen. Annalena Baerbock und Olaf Scholz, Walter Steinmeier und neben Ursula von der Leyen selbstverständlich auch Josep Borrell, der große alte Mann der EU-Außenpolitik, der auch mit 76 Jahren noch jeder halbwüchsigen Bodenturnerin vormachen kann, wie ein Spagat geht.
Der EU-Chefspagatturner
Ein Strom aus Krokodilstränen floss, es hagelte Mahnungen zur Besonnenheit und es regneten Verurteilungen. Der "Chefdiplomat" der Wertegemeinschaft beließ es diesmal nicht bei einem Treffen mit Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian, um den seinerzeit vom US-Präsident Donald Trump aufgekündigten Atom-Deal mit den Mullahs irgendwie doch noch zu retten. Nein, diesmal sprach der "unermüdliche Europäer" ("Internationale Politik - Das Magazin für globales Denken") von einer "beispiellosen Eskalation".
Selten war das Getöse größer, selten war der Lack dünner zwischen der Erkenntnis, keine Rolle zu spielen, und dem Drang, dennoch so zu tun, als komme es im Nahen Osten auf EU-Europa an. Über Jahre hinweg und noch mehr, seit die USA das Atomabkommen hatte platzen lassen, hatten die Kirchenfürsten in Teheran die EU und das bei den Mäßigungsappellen stets vorn marschierende Deutschland an der Nase herumgeführt.
Selbst als in Washington Joe Biden ins Weiße Haus einzog, ohne Anstalten zu machen, den großen "Fehler" der Kündigung der Atomvereinbarungen rückgängig zu machen, hielten Borrell und seine Bürokraten stur and er Behauptung fest, dass es mit Hilfe verschlungener Pläne und Hilfskonstruktionen weiter möglich sein werde, Geschäfte mit dem Mörderregime zu machen.
Die wackere Vizepräsidentin
Walter Steinmeier sicherte zu, dass Deutschland alles tun werde, was in seiner Macht stehe, um die Bewahrung und weitere Umsetzung des Atomabkommens mit dem Iran zu sichern. Borrell, Träger des Titels "Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik", traf sich selbst mit Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian, um den Deal zu retten. EU-Ratschef Charles Michel nannte das
gescheiterte Abkommen "eine wichtige Errungenschaft". Der Iran schaffte es mit so viel freundlicher Unterstützung aus Europa, die Verhandlungen über Verhandlungen über sechs Jahre zu schleppen, in denen er zielstrebig weiter auf seine eigene Atombombe hinarbeitete. Wie "wichtig für die Stabilität in der Region" (Charles Michel) das gescheiterte Abkommen war, darf die Welt in diesen Tagen betrachten. So wenig Zeit irgendeiner der Friedensdiplomaten in den Wochen seit Israels Angriff auf ein Führungszentrum der iranischen Revolutionsgarden in Damaskus fand, Teheran vor einem Gegenschlag zu warnen, so leidenschaftlich läuft die Mahnmaschine nach dem "großangelegten Angriff auf Israel mit 300 Drohnen und Raketen" (DPA).
Immer nur ein Adressat
Der Adressat ist immer nur der eine: Von einer "Eskalationsspirale" spricht die Bundesaußenministerin, der greise EU-Außenministernde rief Israel zu "größter Zurückhaltung" auf, Olaf Scholz riet zu "Besonnenheit". Die Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoğuz schrieb bei X Klartext. "Warum musste diese Situation noch provoziert werden?“, fragte die im Brutkasten des Parteiapparates aufgewachsene Sozialdemokratin, "Bombardierung der iran. Botschaft hat Nahost gefährdet."
Zur besten Sendezeit holte Ingo Zamperoni für die ARD-Tagesthemen die gute alte Drehrumbum-Methode aus der Mottenkiste: "Es muss den Verantwortlichen in Israel sehr klar gewesen sein, dass dieser Zwischenfall nicht ohne Folgen bleiben würde". Wer "ein Gebäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus" zerstöre, der dürfe sich über die "Vergeltung" (Tagesthemen) nun ja nicht wundern. Der "Spiegel" wies nachdrücklich auf Deutschlands Verantwortung als Nation hin, die bereits in zwei verlorenen Weltkriegen taktische wie strategische Erfahrung hat sammeln dürfen und daher berufen ist, gute Ratschläge zu geben: "Der Westen" müsse "jetzt geeint auf die Bedrohung durch Iran reagieren – aber auch auf Israels Premier Netanyahu einwirken, um eine Eskalation zu verhindern".
Jetzt heiße es, forderten die aufgefahrenen Experten wie im Chor, die Füße stillhalten und die Mullahs, die Walter Steinmeier in einem unbeobachteten Moment einmal die "Verantwortlichen für das menschenverachtende Vorgehen" gegen Demonstranten im Iran genannt hatte, nicht weiter provozieren. Lieber mal alle die Waffe niederlegen, wie Annalena Baerbock vorschlägt. Die Geiseln freilassen. Frieden schließen. Im Unterschied zu Russland, dessen aggressives Verhalten man niemals dulden darf, weil der Kreml jedes Zeichen von Schwäche nutzen wird, weitere Länder anzugreifen, gilt beim Iran das Gegenteil. Je mehr man ihn machen lässt, desto handzahmer wird er.
Wenn der Jude sich wehrt
Wenn sich der Jude wehrt, dann ist er schuld. Nicht der Angriff der Hamas auf Israel. Nicht der andauernde Raketenbeschuss der vom Iran finanzierten Hisbollah aus dem Libanon. Sondern diese einzige kleine Demokratie im Nahen Osten, die umgeben von failed states, Blutprinzenemiraten und grausamen Diktaturen trotzig prosperiert. Wie deutsche Medien kennen auch deutsche Politiker und ihre europäischen Kollegen im Falle eines Falles nur einen Verantwortlichen: Gewürzt mit den üblichen Gratisversicherungen der unverbrüchlichen Solidarität fliegt eine Armada an Appellen gen Tel Aviv, geladen mit denselben Worthülsen wie die aus Russland und dem Iran.
Dort hätten die "Verantwortlichen" ja schon erklärt, dass mit der erfolglos durchgeführten Racheaktion 'Ehrliches Versprechen' alles erledigt sei. Weitere Aktionen habe man nicht geplant - "sofern Israel nicht militärisch antwortet". In Brüssel und Berlin gilt ein solches Versprechen aus Moskau vielleicht nichts. Wenn aber Irans Armeechef Mohammed Bagheri es abgibt, der Mann, der Putins Invasionstruppen in der Ukraine mit Drohnen versorgt, sollte man ihm vertrauen. Schließlich steht Deutschland auch "in diesen schweren Stunden eng an der Seite Israels".
Aber mehr als "Verurteilung", natürlich "auf das Schärfste", die "Verurteilung" des "inakzeptablen Angriffs" und einer Warnung vor einer "schwerwiegenden Bedrohung für die regionale Sicherheit" oder "sehr realen Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region" reicht es nicht.
Die Mullahs können ja nix dafür, dass der Russe mit den Drohnen die Heilige Ukraine angreift. Böser Russe!
AntwortenLöschenWieso Marschflugkörper neuerdings 'Kamikazedrohne' heißen, ist mir noch nicht ganz klar. Cruise Missile wäre natürlich nicht ganz passend, da Propellerantrieb. Schätze, dass da null Journalisten, sonst immer mit Hinterfragen beschäftigt, da irgendein Nachdenken investiert haben.
Muss ich Partei ergreifen für einen von zwei Strolchen, die mir beide ernsthaft ans Leder wollen? Elie Iltis sagte zwar ja, Neutralität hülfe nur dem Täta, nicht dem Opfa, aber, der hat viel gesagt, wenn der Tag lang war.
AntwortenLöschenIch sage dagegen nein, ich muss gar nicht.
Nicht der Angriff der Hamas auf Israel.
AntwortenLöschenDer wirft immerhin einiges an Fragen auf, um die gängige Phraseologie zu bedienen.
Den ersten Schuss im Pazifikkrieg hat in der Tat der Vereinigten Staaten Schiff "Ward" abgefeuert. Aber in einer auch den Japanesen bekannten Zone, wo Befehl bestand, auf alles Verdächtige ohne Vorwarnung sofort zu ballern. Wer will da Richter sein.
Aber gute Worte sind derzeit wichtiger denn je!
AntwortenLöschenDa von ~300 iranischen Marschflugkörpern 99% abgeschossen wurden, fragt sich der interessierte Laie, wo denn das eine Prozent getroffen hat, das durchkam.
Diese Frage wird von Scott Ritter mit "2 US-Radarstationen zur Früherkennung iranischet Droh.. ähm... Marschflugkörperangriffe" beantwortet. Soweit ich das verfolgt habe: exakt DIE ZWEI Stationen, die es gab.
(Klingt mir nach einem gezielten Angriff, in einer Art DOS-Attacke getarnt.)
Nach dem iranischen Luftschlag ist wohl vor dem iranischen Luftschlag. Der dann natürlich wieder gaaanz böse provoziert war und den Angriff aus Richtung Libanon einleiten wird.
(Ja, steile These, aber was soll's.)
Und in China lächelt man dazu nicht nur höflich, sondern glückselig, wie fleißig die USA dann abrüsten werden (faktisch): denn jeder Marschflugkörper, der auf den Libanon oder israelisches Gebiet abgefeuert wird, kann nicht mehr nach China fliegen, wenn die Volksarmee Taiwan einen Truppenbesuch abstattet.
Also was soll hier noch helfen außer gute Worte?