Nele ist erst 19 Jahre alt, aber schon Verfassungsschützerin. |
Ist das Grundgesetz ein Freibrief für die Meinungsfreiheit? Stellen unklare Formulierungen zu den Grenzen der zulässigen Einschränkungen von Gefühlen wie Hass, Wut oder Ablehnung die Überwacher der Wahrung der Verfassungsmäßigkeit vor unlösbare Probleme? Wie sehr gefährden Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze das demokratische Gemeinwesen? Und kann die Staatssicherheit durch neue, informelle Festlegungen womöglich auf eine Basis gestellt werden, die es möglichen Feinden des Rechtsstaates schwerer macht, die vom Staat großzügig gewährten Grundrechte missbräuchlich zu verwenden?
Antworten auf Grundsatzfragen
Es sind solche Fragen, die Thomas Haldenwang in seinem Grundsatzbeitrag zu den Grenzen des Strafrechts in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus gegebenem Anlass ein für allemal beantwortet hat. Der Chef des Bundesverfassungsschutzes weiß genau, wovon er spricht: Haldenwang hat über viele, viele Jahre unter einem Chef gedient, der sich eines Tages unvermutet als mutmaßlicher Verfassungsfeind entpuppte. Zudem übersah das Bundesamt seinerzeit nicht nur russische Unterwanderungsversuche bei der SPD, sondern sogar Bestrebungen innerhalb von CDU und CSU, die rechtmäßige Regierung zu stürzen und einen neuen Kanzler zu installieren.
Bis heute wissen Deutschlands Verfassungsschützer nicht einmal, wer ein Interesse daran gehabt haben könnte, die Gaspipeline Nordstream zu sprengen und warum es kein Verbündeter war, der das milliardenteure Stück kritischer Infrastruktur angegriffen hat. Eher eine Petitesse: Dass ein russischer Spion einen der größten deutschen Internetkonzerne mitverantwortlich führte, blieb dem Inlandsgeheimdienst genauso verborgen wie der Verdacht, dass mitten in der Pandemie in Brüssel Milliarden verschoben wurden.
Schwere Niederlagen
Niederlagen, die offenbar in Thomas Haldenwang nachhallen. Natürlich ist das Leben jedes einzelnen Bürgers nach dem Auslaufen der Pandemieverordnungen, mit denen die unveräußerlichen Grundrechte hatten suspendiert werden müssen, wieder grundsätzlich frei von jeder Einmischung des Staates. Damit wäre theoretisch alles, was nicht durch ein Gesetz ausdrücklich verboten ist, wieder grundsätzlich erlaubt.
Aber das kein Zustand, in dem eine Demokratie gedeihen kann, wie Haldenwang klargestellt hat. Natürlich müssen die zuständigen Organe ein Auge auf die haben, die solche Freiheiten ausnutzen, um unterhalb der Strafbarkeitsgrenze gegen das zu arbeiten, wofür die freiheitliche Demokratie steht. Um diese Aufgabe kommt der wachsame Staat nicht herum, will er seine Feinde erkennen könne, ehe sie es wagen, sich offen gegen ihn zu wenden.
Verdacht im Vorfeld
Haldenwangs Kölner Behörde hat deshalb schon vor geraumer Zeit begonnen, gemeinsam mit der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin eine ganze Palette neuer Meinungstatbestände zu entwickeln. Neben die noch aus Zeiten von Haldenwangs Vorgänger Hans-Georg Maaßen und dem damaligen Justizminister Heiko Maas stammende Definition von "unzulässigen nicht-strafbaren Äußerungen" trat zuerst die Neuentwicklung der "verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates".
Und nun hat Thomas Haldenwang Überlegungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorgestellt, im Zuge der von der Bundesregierung geplanten Neuordnung der gelebten Verfassungswirklichkeit zu einer neuen Definition des von Artikel 5 Grundgesetz vorgeschlagenen Rechts zu kommen, demzufolge jeder "seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten" dürfe.
Der Wortlauf darf bleiben
Am Wortlauf lässt Thomas Haldenwang nicht rütteln. Doch klar wird in seinen Ausführungen: Ein Recht ist keine Pflicht, seine Ausübung kann vom Staat nicht vorgeschrieben werden. Wer meine, sich "aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten" lassen zu wollen, darf das tun. Er wird auch künftig weiterhin weitersagen können, was er glaubt, erfahren zu haben. Aber, so Haldenwang, die "Meinungsfreiheit ist kein Freibrief". Wer sie nach Gutdünken nutzt, muss mit einer niedrigschwelligen Beobachtung durch die zuständigen Organe rechnen. Schließlich kann nie ausgeschlossen werden, dass er - möglicherweise unwissentlich - über die erlaubten Stränge schlägt.
Klare Regeln ersetzen das Grundgesetz
Es braucht klare, aber strenge Regeln anstelle der wolkigen Formulierungen im Grundgesetz. Thomas Haldenwang hat die kommenden Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz deshalb in einen kurzen, prägnanten Satz gefasst: "Wenn beispielsweise Bestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung attackiert werden, zum Beispiel die Menschenwürde von Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder politischer Akteure verletzt wird, wenn zulässige Kritik und demokratischer Protest in Teilen umschlägt, eskaliert und zu aggressiver, systematischer Delegitimierung staatlichen Handelns wird bis hin zu Gewaltaufrufen, wenn an sich legitime Kritik und Meinungen in extremistische Agitation umschlagen, die die Grundfesten unserer demokratischen Ordnung erschüttern sollen und so den Boden für unfriedliche und gewalttätige Aktivitäten bereiten können, können solche Äußerungen Belege für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen darstellen", heißt es darin ebenso unmissverständlich wie warnend.
Fragwürdige Freiheiten
Klar ist nun, dass es weiterhin keinen staatlichen Zwang zur Meinungsfreiheit geben wird. Jeder kann für sich behalten, was immer denkt. Aber jeder soll auch Bescheid wissen, dass es überhaupt keiner Strafbarkeit bedarf, um anderenfalls unter Verdacht zu geraten. Sogenannte Meinungsäußerungen können legal sein, aber dennoch "verfassungsschutzrechtlich von Belang" (Haldenwang). Die letzten Jahre haben leider gezeigt, dass immer dort, wo Menschen sich nicht in aller Entschlossenheit für Demokratie, Bundesregierung und die Richtigkeit staatlicher Maßnahmen aussprechen, auch damit gerechnet werden muss, dass sie Zweifel haben.
Zweifel, die zu einem Dagegensein führen können. Aus dem Äußerungen werden, die weder strafbar noch illegal sein mögen. Aber eben Warnsignale, die verfassungsschutzrechtlich relevant sind. Wie, wenn nicht so, soll das Bundesamt seiner Aufgabe nachkommen können, durch eine zielstrebige und systematische vorgangsmäßige Aufklärung und Bearbeitung der Schwerpunkte und Brennpunkte der staatsfeindlichen Hetze Möglichkeiten zu schaffen und zu nutzen, in die gegnerische Konspiration einzudringen? Auf welche Weise sollen die 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter feindliche Stützpunkte im Innern aufzudecken und das System der feindlichen Verbindungen enttarnen, wenn nicht dort, wo die Meinungsfreiheit an Grenzen stößt, die das Amt selbst definiert?
Nicht warten, sondern starten
"Um eines unmissverständlich klarzustellen: In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit – und das ist gut so!", Thomas Haldenwang in seinen Ausführungen festgestellt, ehe er zur Güterabwägung überging: Wenn Meinungsfreiheit die Demokratie gefährde, dann müsse sie zurückstehen, auch schon vor den Grenzen, die das Strafrecht bestimme. Die Behörden könnten schon an Inhalte von Meinungsäußerungen anknüpfen, die sichtlich darauf ausgelegt seien, keine Strafgesetze zu verletzen, zugleich aber "tatsächliche Anhaltspunkte" für einen "Ausdruck eines Bestrebens, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen" vorliegen.
Haldenwang hat damit reinen Tisch gemacht, ganz transparent. Jeder, der "eine Verletzung der Menschenwürde von Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder politischer Akteure oder eine Eskalation demokratischer Proteste zu aggressiver, systematischer Delegitimierung staatlichen Handelns bis hin zu Gewaltaufrufen" bezweckt, weiß nun, woran er ist. Er kann gern und weitgehend unbehelligt seinen dunklen Gedanken frönen, seine mehrdeutigen Kommentare abfassen und - im Rahmen der Bundessatirerichtlinie - Witze reißen. Aber er weiß nun: Verfassungsschützer*innen wie die 19-jährige Nele (oben) werden ein waches Auge auf ihn haben.
«Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für Verfassungsfeinde»
AntwortenLöschen"Denn die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen ist unser Auftrag!"
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Nö.
https://www.gesetze-im-internet.de/bverfschg/__3.html
Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über
1.
Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
(3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes).
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Die dürfen gegen Meinungen gar nicht vorgehen, solange diese keine gesetzlich normierten Bestrebungen sind.
Jetzt geht's lohooooos.
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Der Verdacht auf eine rechtsextremistische Gesinnung oder das Vertreten von Verschwörungsideologien sind laut Innenministerien mehrerer Bundesländer die Gründe von Disziplinarverfahren oder Ermittlungen gegen mindestens 400 deutsche Polizisten. Die reellen Zahlen liegen wahrscheinlich noch höher.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article250861722/Rechtsextremismus-Hunderte-Polizisten-als-Verfassungsfeinde-unter-Verdacht.html
Der Maaßen sagte neulich (auf der Achse glaub ich) was in der Art, dass Haldenwangs Bude gar nicht gegen Einzelpersonen tätig werden darf.
AntwortenLöschenSchauen wir mal:
https://www.gesetze-im-internet.de/bverfschg/__4.html
Im Sinne dieses Gesetzes sind
a)
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, ... ;
b)
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, ... ;
c)
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, ... .
Dort ist (in alter Rechtschreibung) von Personenzusammenschlüssen die Rede.
Ach. Achwas. Das BVerfSchG ist ja die reinste Delegitimierung!!1!
OT Fefe ist das Klima egal!!!1!!1
AntwortenLöschenFefe so:
Das Schiff ... hat Birkenholz aus Russland geladen. Das fällt offenbar unter die Russland-Sanktionen der EU.
So und jetzt der Compliance-Bullshit-Teil:
Darüber hinaus befindet sich an Bord eine nicht näher bezifferte Menge angereichertes Uran. Da dieses weder auf der Sanktionsliste der EU noch auf der der USA steht, ist es in diesem Fall weniger relevant.
Ich benutze mal ein ganz neues Tool, das Fefe vermutlich noch nicht kennt, genannt 'Google':
Die westliche Welt versucht sich von russischer Energie zu lösen. ... Beim Uran dagegen waren die USA lange Zeit als einer der wichtigsten Abnehmer Russlands. Das Land braucht Uran, um die Klimawende voranzutreiben.
Klima, alles klar? Bruhahaha. Kannste Dir nicht ausdenken.
https://www.fr.de/wirtschaft/sanktionen-handel-uran-russland-usa-atomkraft-atomstrom-zr-92841149.html
OT
AntwortenLöschenAlles eh Bockwurscht: In Nienburg machen sie heute "Menschen"kette gegen Rassismus und "rechte Gewalt". Die Nachbarn des Verewigten "kritisieren" die Polizei, von wegen der hat doch immer so nett gegrüßt ... Das Land hat fertig.
re: Bockwurscht
AntwortenLöschenGoogle liefert ein Pandämonium an beteiligter 'Zivilgesellschaft'.
Wahllos rausgegriffen:
https://www.netzwerk-nienburg.de/
Zitat
Die Veranstaltung wird gefördert von WABE im Rahmen des Budnesprogramms „Demokratie leben!“.
Klar wird sie das.
"Wenn beispielsweise Bestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung attackiert werden, zum Beispiel die Menschenwürde von Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder politischer Akteure verletzt wird, wenn zulässige Kritik und demokratischer Protest in Teilen umschlägt, eskaliert und zu aggressiver, systematischer Delegitimierung staatlichen Handelns wird bis hin zu Gewaltaufrufen, wenn an sich legitime Kritik und Meinungen in extremistische Agitation umschlagen, die die Grundfesten unserer demokratischen Ordnung erschüttern sollen und so den Boden für unfriedliche und gewalttätige Aktivitäten bereiten können, können solche Äußerungen Belege für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen darstellen".
AntwortenLöschenSo einen Satz muss man erst mal formulieren. Als ich beim lesen am Ende war hatte ich den Anfang schon wieder vergessen. Wie schreibt man so was? Gibt es für jedes Komma extra Geld?
Fragen über Fragen.
Die dürfen gegen Meinungen gar nicht vorgehen, solange diese ...
AntwortenLöschenDie d ü r f t e n nicht - sie tun es aber.
der satz ist wohl von der BWHF entworfen wurde. genau mit dem ziel, dass nach dem lesen niemand mehr von gar nichts mehr weiß
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