Donnerstag, 18. April 2024

Grüne Kanzlersuche: Das letzte Aufgebot

Robert Habeck Kümram in Öl zwölf Prozent übrig
Mit seiner Ofenplastik "Breit, wenn ihr es seid", dankt der junge Maler Kümram den Grünen für die Cannabis-Einführung.

Vor einer Woche noch hatte er keine Chance, also nutzt er sie. Kaum ein deutscher Politiker hätte drei hochrangige Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung veranlassen können, um einen Wirtschaftsminister, der zur Hälfte seiner Amtszeit keinerlei Erfolge vorweisen kann, und einen Umweltminister, der an allen seiner großen Klimaplänen gescheitert ist, solch ein Bohei zu machen.

In der SZ aber gelang das Kunststück, das Scheitern interessant zu verlaufen. Nur knapp vier Monate nach dem letzten Versuch des Norddeutschen, sich über den "Spiegel" ins Gespräch zu bringen, war er diesmal nicht der einzige Kandidat. Sondern der interessanteste: "Für die einen ist er ein Hoffnungsträger, für die anderen ein Feindbild", raunten die drei Autoren. 

Ablenkung durch Kanzlerkür

Ein erstes Steinchen im Wasser, das nun bis zum Tag der offiziellen Kanzlerkür bei den Grünen immer wieder aufgeblasen werden wird. Nach der Anregung aus München brauchte die übrigen Fanzines nur ein paar Tage, um die Vorgabe zu veredeln.

"Er würde schon wollen. Darf er auch?", redete die "Die Zeit" den Zweiflern in der Partei ins Gewissen. "Habeck rennt Baerbock davon", assistierte das eigentlich auf Interna aus allen Linksparteien eingeschworene Redaktionsnetzwerk D-Wort. Im "Merkur", einem Schwesterblatt der grünen Hauspostille Frankfurter Rundschau, durfte Habeck eine "Basta-Ansage zur Kanzlerkandidatur der Grünen" machen, als die Kampagne drohte, gar keine richtige mehr werden können, weil niemand ansprang. 

"Robert aus der Asche" (Der Spiegel, Dezember 2023) war wieder da, schon wieder. Der Wirtschaftsminister habe "sich im internen Machtkampf offenbar gegen Außenministerin Annalena Baerbock durchgesetzt", orakelte das Magazin. Doch in Hamburg war man spürbar ein wenig eifersüchtig darüber, dass Habeck diesmal die süddeutschen Kollegen bemüht hatte, seine Ambitionen zu unterstreichen. Kategorisch klingt die Absage an den Amtsanspruch des beliebtesten Erklärbären der Deutschen: Er solle es lieber lassen.  Die "aus der Zeit gefallene Ökopartei" brauche keinen Kanzlerkandidaten, denn den Kanzler werde sie sowieso nicht stellen. 

Absturz in den Umfragen

Angeblich sind die Umfragen daran schuld, dass selbst ein wollender und dürfender Habeck vom Einzug in die Kanzlerwaschmaschine ganze Galaxien weit entfernt wäre. Obwohl Olaf Scholz das Kanzleramt aus einer ähnlichen Position heraus erobert hatte - seine SPD lag damals abgeschlagen hinter CDU/CSU und den Grünen - wollte es der Lauf der Welt, dass er zum Amt kam wie die Mutter zum Kinde: Von der eigenen Partei noch als Vorsitzender abgelehnt, führt Scholz nun schon seit mehr als zwei Jahren eine Fortschrittskoalition, die alle Beteiligten einen großen Teil ihrer damaligen Wählerschaft gekostet hat.

Nur die Grünen nicht. Kein Fehler und kein verrücktes Gesetz vermochte die "neue deutsche Volkspartei" (Der Spiegel) zu bremsen, kein Versprecher und kein Versprechen, keine Affäre und keine Zusammenarbeit mit fragwürdigen Familiennetzwerken irritierte die Basis. Musste die Parteiführung sich auch nach und nach von jeder einzelnen konstitutiven Illusion verabschieden, hielt das Wahlvolk der Sonnenblume unbeirrbar die Stange. Sie schluckte Heizungsgesetz, Atomausstieg, Energiepreiskrise und Insolvenzwelle, die LNG-Terminals, Wiederaufrüstung, Waffenexport in Kriegsgebiete und die angekündigten Pläne zum Ausbau der fossilen Infrastruktur. 

Erorion mit Verzögerung

Erst mit langer Verzögerung setzte eine Art Erosion ein. Wie in Zeitlupe blättert der Lack nun auch von der einzigen Ampel-Partei, die bisher vom Regierungschaos profitiert hatte. Dass Habeck pünktlich in dem Augenblick, in dem die Umfragewerte auf den tiefsten Stand seit Juni 2018 rutschen, eine Diskussion über den grünen Kanzlerkandidierenden anstößt, zeugt von einer gewissen Ratlosigkeit. Wie schon 2013, als seiner siegesgewissen Partei die Zweistelligkeit verloren ging, nachdem sie mit dem "Veggie-Day" eine "kleine Veränderung unseres Lebensstils" für alle angekündigt hatte, könnte auch diesmal schon der nächste Stupser reichen.

Vom Höhenflug, der der ehemaligen Ökopartei wie automatisch schließlich auch noch ins Kanzleramt zu verhelfen schien, sind heute schon nur noch magere zwölf Prozent übrig, der eingeschworene Rest von Realitätsverweigerern, die in Ministerien, Behörden, NGOs und nachgelagerten zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeiten. Die Mitte aber wendet sich ab, all der Gängelung, Erziehung und Entmündigung nun doch müde. Mit einer Debatte über die Kanzlerkandidatur bei den Grünen emotionalisiert Habeck die zuletzt so sehr auf Wirtschaftszahlen, Wachstumsraten und die desaströsen Ergebnisse von zwei Jahren Ampel fixierte Diskussion. 

Offene Kandidatur hilft

Dass mit Annalena Baerbock, der Anwärterin vom letzten Mal, zumindest theoretisch eine Gegenkandidatin zur Verfügung steht, lässt die Frage nicht vollkommen absurd wirken. Spekulationen können in einer Art gespielter Ernsthaftigkeit angestellt werden: Sollte oder müsste Baerbock Habeck den Vortritt lassen? Weil er ihr doch beim letzten Mal so großzügig die Spitzenkandidatur zugeschoben hatte? Sollen die Mitgliedernden bestimmen? Und wann ist der richtige Zeitpunkt, "um eine Kanzlerkandidatur zu besprechen" (Habeck)? 

Klar ist, dass der plötzlich vom Verlust nicht nur der Regierungsbeteiligung, sondern auch dem  zahlloser Posten bedrohten Partei eine offene Kanzlerkandidatur derzeit mehr hilft als eine Entscheidung für den, der es am Ende schon allein deshalb wird machen müssen, weil die Alternative die Lage zweifellos noch weiter verschlimmern würde. Robert Habeck, nicht nur Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, sondern auch ein großer Stratege: "Wir werden alles zur rechten Zeit entscheiden, jetzt steht diese Debatte nicht an", hat er entschieden. 

Habeck weiß, dass er die Diskussion noch häufiger wird brauchen können als die Entscheidung darüber, dass er es den Kanzlerkandidaten gibt.

4 Kommentare:

  1. Wieso eigentlich nicht Ricarda Lang? Sie könnte international mit viel mehr Gewicht auftreten.

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  2. man immer noch eine hochkaräter in reserve haben, der dann einspringt, wenn alle anderen nicht mehr können. neulich hat sie doch die paus mit einem schnapp weggemacht: vergisst es (oder so ähnlich) hat sie gesagt, und schon war die neue bürokratieabbaubehörde geschichte.

    so bietet man sich für höheres an, aber man muss eben auch warten können

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  3. OT
    EIKE:
    Wer steht hinter Habeck´s Klimaagenda?

    Toiletten 20 Meter link's ...

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  4. Der Bálint József am 18. April 2024 um 19:08
    ist schon nahe dran, so auch der Hadmut, Klonovsky eher nicht, Le Penseur und seine Mannen, und die Edellinken vom Ahrimanverlag schon gleich gar nicht.
    Die Frage, wer bei den WASPs und denjenigenwelchen nun Herrchen und wer Hundchen ist, sollte unaufgeregt diskutiert werden müssen, aber die stellt sich für die meisten gar nicht erst.

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