Udo Meier war ein Leben lang armutsbedroht. Jetzt plant er, ein Millionenerbe anzutreten. |
Udo Meier stammt aus einer extrem armutsbedrohten Familie. Jahrzehntelang hat er mit Entbehrungen und umgeben von einem sozial schwachen Umfeld gelebt. Die Besiedelung durch ehemalige Bergarbeiter, meist wenig gebildet und ohne finanzielle Rücklagen, prägen bis heute das Bild der Lausitz, die so tief im Osten liegt, dass selbst andere prekär lebende Ostler sie als "Polen" verkohlen. Für Udo Meier war es immer schon schwer, in diesem Biotop aus zerstörter Hoffnung und unsinnigen Visionen zu leben. Früh schon beschloss er deshalb, eines Tages fortzugehen, um ein Existenz zu finden, die seinem Naturell mehr entspricht. "Der Plan war von Anfang an" sagt er heute, "erst einmal reich zu werden."
Nie mehr auf Mark und Pfennig schauen
Nun will der Senftenberger erben, aber richtig. Sein Ziel sei es, das normale Leben der Privilegierten zu führen, nicht mehr dauernd auf die Mark und den Pfennig schauen zu müssen und endlich zu leben. Im Gespräch erklärt er, was ihn antreibt, worauf er hofft und warum er heute schon darauf besteht, als Millionenerbe angesprochen zu werden. Orientiert an den gängigen Standards, rechnet Meier damit, Anspruch auf ein Erbe in Höhe von zwischen sieben und 27 Millionen Euro zu haben. 90 Prozent davon werde er verschenken, zumindest, wenn ihm ein Betrag zufalle, der am oberen Ende des Erwarteten liege. An wen, werden dann ein unabhängiges Gremium entscheiden."Mir reichen ein paar Millionen, ich brauche nicht gleich reichster Mann der Welt zu sein", sagt der 47-Jährige bescheiden.
Doch wer ist Udo Meier? Und was treibt ihn an? Warum will er den Großteil seines Vermögens der Allgemeinheit übergeben, wo er doch so viele Jahre darauf gehofft und daran gearbeitet hat, es zu erhalten? Nun, Meier selbst bezeichnet sich aufgrund seiner frühkindlichen Erfahrungen als Sozialaktivisten, der genau weiß, wie es sich anfühlt, "immer die Sachen des älteren Bruder aufzutragen und beim Abendbrot stopfen zu müssen, um noch eine zweite Scheibe Wurst zu ergattern." Seitdem ist Meier sicher: Niemand dürfe sich einbilden, seine eigene Komfortzone sei wichtiger als das gute Leben aller, niemand darf für sich beanspruchen, was andere nicht haben.
Wenig gebildet und ohne Chance
Für jemanden wie ihn, aus kleinen Verhältnissen kommend, nur wenig gebildet, ohne Chance auf eine große Karriere in Sport-, Unterhaltungs-, Medien- oder Politikgeschäft sei Erben die einzige Möglichkeit, schneller zu Geld zu kommen als die Inflation das Gesparte aufzehre. "Ich habe nur einen Zehn-Klassen-Abschluss", sagt Meier, "aber das habe ich bereits in der neunten ausgerechnet gehabt". Damals begann seine Jagd auf ein sogenanntes Solidarerbe - "mir und meinem Unterstützerkreis war klar, das viele, viele Superreiche ohne Nachkommen sterben und ihr Vermögen deshalb oft notgedrungen für gute Zwecke spenden".
Millionen flössen so Jahr für Jahr in undurchsichtige Stiftungskontrukte, Anwälte und Notare würden reich und Geld, das Gutes bewirken könne, verschwinde in Schließfächern, Tresoren und auf Nummernkonten. "Dass ich mich und meine Person, meine Biografie und mein Schicksal als Alternative anbiete, ist ein richtungsweisender Akt zur Stärkung der Demokratie", sagt Udo Meier. Für die gesamte Gesellschaft sei es hilfreicher, wenn eine natürlich Person wie er erbe, ein Mensch aus dem Volk, ehrlich und unverstellt, als dass normale Verteilungsdynamiken griffen: Erst die nahen Blutverwandten, dann anonyme Stiftungen oder Großorganisationen, die einen Großteil des Geldes für dessen Verwaltung verwendeten.
"Ich bettele nicht"
Meier betont, dass er nicht für sich bettele, aber auch keine Absicht habe, die erwarteten Millionen "sinnlos zu verprassen", wie er sagt. Seine Aktion unterscheide sich bewusst von allen Hilferufen an Millionäre und Milliardäre. Er wolle kein Almosen und sich später auch nicht für die Art rechtfertigen müssen, wie er das Geld ausgebe. "Ich denke, jeder Euro, für den ich mir etwas gönne, fließt zurück in die Hand der Gesellschaft
und tut dort Gutes." Da er mit seinen über Jahrzehnte aus Geldmangel unterdrückten Bedürfnissen noch viele Wünsche habe und vom Konsum noch lange nicht ermüdet sei, werde ein ihm voraussichtlich zugehendes Millionenerbe nicht auf einem Bankkonto versauern oder mit dem Ziel schneller Vermehrung angelegt werden. "Ich denke schon, dass ich bereit und in der Lage bin, vieles rasch auszugeben."
Auf diese Art werde er den größten Teil seines Vermögens an die Allgemeinheit zurückgeben. "19 Prozent Umsatzsteuer bekommt Vater Staat, das ist klar, aus dem Rest können Löhne bezahlt und Versicherungsbeiträge abgegolten werden." Um zu dokumentieren, wie segensreich ein solches Solidarerbe wirke, will Udo Meier sein Erbprojekt von einem Gremium mit der Bezeichnung "Guter Rat ist teuer" begleiten lassen.
Beobachtetes Experiment
Die Gruppe besteht seinen Angaben zufolge aus "fünf zufällig ausgewählten Menschen", die beobachten, wer Meiers Geld bekommt. Ziel sei es, grundsätzliche Fragen zu sozialer und steuerlicher Gerechtigkeit zu stellen, die Vermögensverteilung in der Gesellschaft auf Politik und das Klima zu konzentrieren und die konkrete Vergabe der Millionen an einen einzelnen Erben zu begleiten. "Ich werde nur zum Auftakt unseres ersten Treffens ein paar Begrüßungsworte sagen, danach übernimmt die Gruppe eigenständig die Beobachtung des Experiments", beschreibt Meier.
Sein künftiges Privatvermögen werde er nicht nur für sich selbst besitzen und ausgeben, ist Meier überzeugt. "Das wird keine wilde Charity-Aktion nach dem Motto, ich schmeiße mit Geld um mich, sondern es ist wirklich eine große Systembeleuchtung", sagt der Erbe. Er werde sicherlich keinen Euro für verfassungswidrige, klimaschädliche, lebensfeindliche, menschenverachtende und profitorientierte Zwecke ausgeben, aber bei mehreren Millionen Euro, die er umverteilen wolle, könne auch nicht ausgeschlossen werden, "dass mal ein Flug dabei ist, eine Kreuzfahrt oder der Kauf eines Autos".
Ein deutliches Zeichen
Um ein deutliches Zeichen gegen die derzeit so ungleiche Vermögensverteilung in der Gesellschaft zu setzen, sei es notwendig, klare Kante zu zeigen. Er werde nach Antritt seines Erbes zum reichsten Prozent der Bevölkerung gehören, daraus ergebe sich für ihn auch eine Verpflichtung mit allen negativen Auswirkungen auf das Privatleben. "Sicherlich werde ich im Fokus der Medien stehen, werde auf Privatleben verzichten und Interviews geben müssen, in denen ich auf den überproportional großen Einfluss von uns reichen Menschen und den Schaden hinweise, der dadurch an der Demokratie entsteht", sagt Udo Meier, der genau weiß, dass Menschen mit einem Vollzeit-Job nur noch schwer über die Runden kommen, weil der Staat von jedem Euro, den sie mit Arbeit verdienten, mehr als 70 Prozent Steuern und Abgaben für sich beansprucht. "Ich bin fest entschlossen, meine Position als Erbe zu nutzen, um diese Zustände anzuprangern."
Bei seiner Aktion ist Meier als einem der ersten Ostdeutschen, der ohne Lottogewinn von einem Tag auf den anderen Millionär wird, nach eigener Aussage vor allem wichtig, dass sie demokratisch, transparent und öffentlich ablaufe. "Ich will nicht, dass mir mein Geld oder meine neue Bekanntheit hilft, hinter verschlossenen Türen von Entscheidungsträgern empfangen zu werden."
Debatte um gerechte Verteilung
Er wolle eine Debatte um das Thema der gerechten Verteilung anstoßen, die der Politik klarmacht, dass ganz normale Menschen mehr verdient haben als die Aussicht, 45 Jahre zu buckeln und über den gesamten Zeitraum nurmehr den geringsten teil des von ihnen erarbeiteten Einkommens für sich beanspruchen zu dürfen. "Dass sich zum Beispiel ein besseres Verständnis von Verteilungsdynamiken etabliert", sei ihm wichtig, sagt Udo Meier. Der gelernte Maurer hofft, dass sein Solidarerbe-Projekt dazu beiträgt, klarzumachen, wer den Auftrag hat, sich um eine gerechtere Verteilung zu kümmern - "nämlich die Politik". Die sei aufgefordert, dafür zu sorgen, dass denen, die den Wohlstand erarbeiten, mehr davon selbst übrig bleibt. "Ich habe durch das Millionenerbe die Chance, aus der ewigen Armutsgefährdung herauszukommen", sagt Udo Meier, "aber künftig muss das für jeden möglich sein."
Beim Anklicken kommt man an das Rinnsteinblättchen "Der Sudel" - und allda auf eine Schlagzeile derart, dass achtzig Prozent der Ferienwohnungen in Schland illegal wären oder wenigstens sein könnten.
AntwortenLöschenNachtigall, ick hör dir trapsen.