Gähnend leere Verkaufshallen von Einzelhändlern werden jetzt mit einem innovativen Konzept bekämpft. |
Die seit vielen Jahren andauernde Krise des Einzelhandels hat sich zuletzt weiter verschärft, nach dem Zusammenbruch der großen Kaufhäuser erwischte es den Elektronik- und Haushaltsgerätehandel. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamt (Destatis) gingen die Umsätze in den verbliebenen Kauf- und Warenhäusern im vergangenen Jahr preisbereinigt um 34,8 Prozent zurück. Der Elektrofachhandel litt weniger, aber ebenfalls deutlich: Verbraucher gaben für Haushaltstechnik und Unterhaltungselektronik trotz gestiegener Preise 1,6 Prozent weniger aus, bei Haushaltsgeräten sparten sie sich 2,4 Prozent der Ausgaben.
Hilferufe von Händlern erhört
Händler klagen, Ketten schließen, jahrzehntelang erfolgreiche Geschäftsmodelle brechen zusammen. Nach den Dorf- und Kleinstadtkneipen, den Fleischern, Bäckern und Tante-Emma-Läden schließen nun auch Shops, deren Angebote sich schon immer an die Reichen und Begüterten in den Bionadevierteln und Beamtenvorstädten richteten. Landunter in den Städten - doch die Hilferufe aus der Branche werden nun offenbar in den ersten Bundesländern gehört. In Dortmund und Unna wurden jetzt die ersten Kauf-Fonds gegen das Ladensterben gestartet.
Bei diesen sogenannten "Purchase funds to prevent shops dying" (PFPSD) handelt es sich eine Idee aus Mecklenburg, die auf Vorarbeiten aus der damaligen Ex-DDR beruht. Um drohende Leerstände zu vermeiden und die City beleben, nehmen Kommunen und Länder richtig Geld in die Hand. Die Förderung funktioniert so: Wenn die Umsätze in einem bestimmten Warensegment zurückgehen, greift eine solidarische Auffanglösung.
Der Staat springt ein
Stadt. Land und Kommune springen dann vorübergehend als Käufer ein. Sie zahlt dem Händler 70 Prozent des ausgeschilderten Kaufpreises, an den interessierten Kunden selbst werden die Waren deutlich günstiger abgegeben, nämlich für 20 Prozent des ursprünglichen Preises. Die finanzielle Lücke schließt die Stadt aus dem landesgeförderten Fonds, der etwa im Förderprogramm von Notrhein-Westfalen den offiziellen Titel "Verfügungsfonds PFPSD" trägt. Transport-, Aufbau- und Anschlusskosten etwa bei Kühlschränken, Hifi-Anlagen und Computern zahlen die neuen Besitzer selbst.
"PFPSD ist ein echter Türöffner", schildern Verantwortliche aus Dortmund die ersten Erfahrungen. Erstmals sei es damit möglich, aktiv auf die Klagen von Anbietern einzugehen, die vom Rückgang der Privatausgaben im vergangenen Jahr beeinträchtigt werden. Ein Absatzminus von acht Prozent bei IT-Produkten wie PCs, Laptops und Monitoren, Fernsehern und Haushaltsgroßgeräten wie Wasch- und Spülmaschinen sei für keinen Einzelhändler mehr ohne staatliche Stützkäufe verkraftbar, heißt es dazu.
Vielfalt entsteht
Würden Händler aber ihre Tätigkeit einstellen, drohten den Städten leere Geschäftsräume und tote Innenstädte. "Der PFPSD-Fond schafft in dieser Situation die perfekte Verbindung von solidarischer Hilfe zur Hilfe zur Selbsthilfe." Die Förderung gebe innovativen Geschäften mit modernen Angeboten die Chance, sich neu zu etablieren. "Von der zusätzlichen Vielfalt, die dabei entsteht, profitiert die gesamte City", ist auch das städtische Einkaufsmanagement im mecklenburgischen Walchenberg sicher.
In NRW stehen für den Einkaufsfonds vorerst eine Million Euro zur Verfügung, 715.000 Euro davon stammen aus dem Programm "Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren" des Landes NRW, finanziert wird das ganze Unterfangen bundesweit durch eine EZB-Anleihe, die wegen der Innovationskraft der Idee als Sonderfonds außerhalb der normalen Schuldenbremsregeln an den Markt gebracht wurde.
Was wird gefördert?
Gefördert werden Käufe von bis zu drei Artikeln pro Kunde, zeitlich ist die Förderung vorerst auf zwei Jahre begrenzt. Die Stadt betont:"Ziel ist es, die neuen Nutzer auch darüber hinaus in der City zu etablieren." Gefördert wird, was die City belebt: Möglich ist die Förderung für alle Arten von Waren, solange sie die City beleben und im Einklang mit den Quartiersprofilen stehen. PFPSD solle gerade keine neuen Tabus aufbauen, sondern quirliges Geschäftsleben in allen Facetten fördern.
"Die Bandbreite reicht von Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastronomie über Kinderbetreuung und Kreativangebote bis zu urbaner Produktion in Töpfereien", wirbt die Stadt Dortmund auf ihrer Internetseite für die verblüffend einfache Strategie. Innovative Ideen seien "ausdrücklich erwünscht", nur wenige Sortimente, wie beispielsweise Sex-Shops oder Wettbüros, grundsätzlich nicht förderfähig. Hier laufen aber bereits mehrere Diskriminierungsklagen von betroffenen Sex-Händlern.
Wer Kummer mit dem Absatz seiner Waren habe oder einen Plan für eine Neueröffnung, könne sich jederzeit für die Förderung bewerben. Alle Informationen zu den verschiedenen PFPSD-Fonds finden sich im Internet, auch die entsprechenden Bewerbungsformulare für die regionalen Förderprogramme können dort digital und barrierefrei heruntergeladen werden.
Wenn der Steuerzahler eh schon den Neufachkräften und Grundversorgten die Mieten bezahlt, kann er auch die Mieten der Einzelhändler übernehmen.
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