Donnerstag, 7. März 2024

Claus Weselsky: Der Revolutionär, die Hassfigur

Claus Weselsky vertritt seine Leute. Für Zusammenland ist das eine Zumutung.

Er ist einer, der niemandem etwas vormacht. Claus Weselky tückscht nicht, er täuscht nicht und er schließt keine Kompromisse um des lieben Friedens willens. Dem Sachsen geht es nicht um Land und Leute, den sich um die zu kümmern sind andere gewählt. Weselsky Leute sind seine Kolleginnen und seine Kollegen, zumeist Lokführende, wie es sprachmodebewusste Medienarbeiter ausdrücken würden, stünden die Betreffenden und ihr Anführer nicht für alles, was sie ablehnen: Nachgeben zum Wohle des ganzen Zusammenlandes. Einknicken, sobald der Druck zu groß wird. Den Schwanz einziehen und abtauchen, weil gemeinsinngetriebene Sender wie privatkapitalistische Medienheuschrecken gemeinsam auf einen schießen.

Natürlich ein Sachse

An Claus Weselsky scheint das alles abzutropfen. Längst hat ganz ÖPNV-Deutschland den Chef der Lokführergewerkschaft als Schuldigen an der verpatzten Mobilitätswende, am verhauenen Verkehrsausstieg und am mangelnden Umstiegswillen der Deustchen von einem unzuverlässigen Verkehrsmittel namens Deutsche Bahn auf ein anderes namens E-Auto ausgemacht. Der 65-Jährige ist Teil eines "unfähigen Duos" (Tagesspiegel), ihm "fehlt jeder Anstand" (Handelsblatt), er ist dabei, das "System zu sprengen" (Welt) und mit seinem "kompromisslosen Beharren auf Maximalpositionen bedroht der GDL-Chef die Sanierung der Bahn" (FAZ), die anderenfalls sicher schon so weit wäre, dass der Bahn-Vorstand wieder Boni kassieren könnte.

Den 65-jährigen Sachsen aber treiben Starrsinn und sein "Ego", wenn er nicht auf den sozialdemokratischen Depechendienst RND hört, der die "kleine Spartengewerkschaft" nicht legitimiert sieht, "das Rückgrat unseres Verkehrssystems lahmzulegen". Philipp Scheidemann hatte sich das nicht bieten lassen. Warum also sollte Olaf Scholz? Lange schon akzeptiert die Medienrepublik nicht mehr, dass Arbeitnehmer sich im Wissen um ihre Unersetzlichkeit anmaßen, ihren Preis selbst bestimmen zu wollen. 

Wenn Eisenbahner wie 1919 erklären, "so lange im Streik zu verharren, bis ihre Forderungen restlos erfüllt" seien, ist das "rücksichtslos", wie das teilstaatliche Werbeportal Ströer analysiert. "Der volle Bahnsinn", wie die linke Süddeutsche launig scherzt. Wenn nicht sogar die "maximale Eskalation", wie es die in 30 Jahren Kampf um "Stuttgart 21" gestählten "Stuttgarter Nachrichten" nennen. Und Weselsky ist schuld, obwohl er sich um eine Stunde vertan hat. Er führt die Republik am Nasenring. Im Unterschied zur Bundesregierung, die das Wachstum so wenig beeinflussen kann wie die Wirtschaft überhaupt,  ist sein starker Arm in der Lage, alle Dynamisierungs- und Entbürokratisierungs anstrengungen aus Berlin zu zerstören.

Staatsfeind Nummer 1

Weselsky ist, was das Innenpolitische betrifft, der Donald Trump der Tarifrepublik, der Staatsfeind Nummer 1, ein Putin mit Pegidadialekt. Und herzlich willkommen! Endlich mal weg von der AfD, wo es ohne neue Blutspur in den Kreml kaum mehr etwas zu gewinnen gibt. Weg vom Jammern über Trump, der nun doch antreten darf. Weg von der leidigen Diskussion darüber, mit welchen Tricks Deutschland in der Ukraine mitmischen könnte, ohne dass es der Kreml beweisen kann.

 "Weselsky tobt sich aus", schreibt der "Spiegel" ehe die noch tintennasse Feder in die nächste Hand wechselt, die ein mahnendes Stück über den Verfall der Sitten, die Verrohung der Gesellschaft und den allgegenwärtigen Trend zur Personifizierung allen Unheils verfertigen wird. "Das schwindende Vertrauen in unsere Demokratie" (Stefan Kuzmany), kommt es nicht genau daher? Weil man so doch nicht mit den armen Grünen umgehen darf?

In der Betongesellschaft der Berliner Republik, deren Debatten baukastenartig zusammengefügt werden aus politischen Stichwortgebern, die formulieren, was sie aus den Kommentaren ihrer Protokollanten verstanden zu haben glauben, woraufhin diese wiederum zitieren, was vom Ursprungsgedanken übrigblieb, ist einer wie Claus Weselsky ein Unikum. Sein Verständnis von Interessenvertretung versteckt sich nicht hinter Ricarda Lang'schen Leerformeln, sein revolutionärer Geist tarnt sich nicht mit Olaf-Scholz'scher Gedankenblässe oder Robert Habecks brutaler Bräsigkeit. Als Sachse steht der GdL-Chef ohnehin außerhalb der Gesellschaft der zivilisierten Demokraten. Als Beinahe-Ruheständler ist er nicht mehr verführbar oder zu locken.

Hassfigur im Visier

So viel Unabhängigkeit, so viel Standhaftigkeit und Behauptungswillen ziehen den Hass nur so an. Wenn die Schlagzeilen schon keinen Streik aufhalten und die Kommentatoren keine Züge steuern können, dann soll das Publikum sich doch wenigstens im Klaren darüber sein, wem sie das zu verdanken hat. Es war nicht die SPD, die die Bahn hatte privatisieren wollen. Es war nicht die SPD, die  auf ihrem Hamburger Parteitag 2007 beschloss, dass der Bahn-Börsengang mit der Ausgabe von Volksaktien einhergehen sollte, so dass privatisiert worden wäre, ohne zu privatisieren. Es war auch nicht der damalige Finanzminister Olaf Scholz, der die Bahn auf Schonkost setzte. 

Sondern Claus Weselsky.

5 Kommentare:

  1. Dieser Weselsky sollte sich mal die Rolle der Gewerkschaften verinnerlichen. Sollte der doch noch von früher kennen:

    Der Gewerkschaftsapparat war Bestandteil und Instrument des politisch-ideologischen Machtgefüges der SED und wie alle anderen Massenorganisationen der DDR zentralistisch und hierarchisch organisiert.

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  2. Hase, Du bleibst hier....März 07, 2024

    Vor einigen Jahren hatte man versucht den unbeugsamen Sachsen deftig zu bestechen, mit einem Frühstücksposten, gespickt mit einer Menge Kohle. Er blieb standhaft, ein Sachse eben.

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  3. "Linke", "Macht"; "Schoß", "fruchtbar", dies, das...

    Man vergleiche das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit, RGBl. I 1934, S. 45ff.:
    Mit § 32 GOnA wäre ein Weselsky unbeachtlich. Die Treuhänder des R.... Bundesarbeitsministeriums könnten bestimmen, was gut für die Gefolgschaft (§§ 1, 2 GOnA) ist. "Vertauensleute" der Gefolgschaft werden nicht lästig gewählt sondern durch Betriesführer und Partei-Mittelsmann bestimmt.

    Keine Chance für renitente Quälgeister!

    Und dann gab es ja auch noch diese Jenaer "Summa"-Diss. eines Roland F. - einem schlussendlich anders zu Bekanntheit gelangtem Vordenker der "Tarifordnung".

    Der hätte die frechen Lokfahrenden schon Mores gelehrt.

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  4. Es ist traurig, dass man so viele Fakten auf einer billigen Satire Seite lesen muss

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  5. also bitte! nicht billig. kostenlos!

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