Herbert Haase auf einem der kleinen Elektrotraktoren, mit denen das Handtuchfeld in Sachsen klimafreundlich beackert wird. |
Sie taten so, als wolle ihnen jemand ihr Lieblingsspielzeug fortnehmen. Wegen ein paar wenigen Cent, die ihnen der Staat nach vielen, vielen freigiebigen Jahren an unverdienten Subventionen zu streichen angekündigt hatte, waren Deutschlands Bauern bereit, auf die Straße zu gehen. Nein, halt, falsch: Sie fuhren und blieben dort stehen, wo sie meinten, den größten Schaden für die Gesellschaft anrichten zu können.
Keinen Fußbreit Boden
Mit gezielten Blockaden versuchten die Landmänner und -frauen, den Unmut auf die Bundesregierung zu schüren und Mehrheitsentscheidungen, wie sie in einer Demokratie nun einmal üblich sind, zu ihren Gunsten zu kippen. Nur der Festigkeit der Ampelkoalition, die die Rechten keinen Fußbreit Boden zubilligte, ist es zu verdanken, dass das Land die Krise ohne großen gesellschaftlichen Schaden überstanden hat.
Wissenschaftler aber war eine solche Beilegung durch Druck und Kompromisse nicht genug. der Grundvorwurf der Landbevölkerung bleibe ja bestehen, sagt Herbert Haase vom Climate Watch Institute (CWI) im sächsischen Grimma. Draußen vor den Städten würden Traktoren als Teil der normalen Lebenswirklichkeit begriffen, die großen und häufig teuren Maschinen gülten als Arbeitsmittel, das zu füttern nicht weniger wichtig sei als etwa Kühe, Schweine oder Hühnchen mit Lebensmitteln zu versorgen. "Dieseltreibstoff durch Verteuerung zu verknappen, kommt bei diesen Menschen an als zwinge man sie, sich von Haustieren, langem Haar oder den eigenen Kindern zu trennen."
Bedrohte Lebensweise
Selbst intellektuell einsichtsfähige, häufig biologisch oder sogar vegan wirtschaftende Landmänner hätten ihre traditionelle Lebensweise bedroht gesehen, analysiert Herbert Haase, ein ausgewiesener Kenner der schwierigen Prozesse zur Abkehr von allem, was Deutschland in den zurückliegenden 150 Jahren wirtschaftliche Prosperität verschafft hat. dabei müsse es nicht immer Diesel, der auf dem Feld hilft, Saat und Ernte zu organisieren. "Das ist ein Irrglaube, der insoweit verständlich ist, dass er auf dem Gedanken fußt, Traktoren seien unverzichtbar."
Haase und seine Wissenschaftlerkollegen jedoch haben auf einem Testacker in Sachsen längst den Gegenbeweis angetreten: Auf der Fläche von der Größe eines traditionellen Handtuchfeldes wird maschinenfrei gewirtschaftet, für Haase eine Entwicklung, die noch über vegane Landwirtschaft und biologischen Landbau ohne Zusatzstoffe hinausgeht. "Im Versuch konnten wir den Verbrauch an Fossilen deutlich reduzieren", rechnet er vor. Eingesetzt wurden ausschließlich Gartengeräte, die auf alternative Antriebe setzen, etwa batteriegetriebene Mini-Traktoren und zu Eggen umgebaute elektrische Rasenmäher. "Insgesamt gesehen liegt unser Dieselverbrauch bei Null", sagt Haase stolz.
Für eine Übergangszeit
Die Erträge hingegen seien im ersten Jahr "durchaus erntbar" gewesen, es wuchs also trotz des Komplettverzichts auf klimaschädlichen Diesel allerlei. Herbert Haase hält den Beweis für erbracht, dass niemand zu Ochs und Pferd zurückkehren oder sich wie in mittelalterlichen Notzeiten selbst vor den Pflug spannen müsse. "Viele Landwirte hätten diese durchaus praktikable Möglichkeit, den Dieselverbrauch kurzfristig zu senken." Für immer müsse das nicht sein, sondern nur für eine Übergangszeit, bis die großen Landmaschinenhersteller die Zeichen der Zeit erkannt hätten und auf vollelektrische Traktoren setzten. "Im Moment lautet die Ausrede da noch, dass leistungsfähige Akkus größer als das gesamte Fahrzeug sein müssten, um auf dem Feld eingesetzt werden zu können."
Der Widerstand der Traditionalisten aber wird geringer. Der Hersteller will den kompakten Fendt e107 V Vario vom 4. Quartal 2024 an in Serie bauen und damit ein niedliches Modell von nur einem Meter Breite und 2,5 Meter Höhe, für das endlich nicht mehr überdimensionale Garagen gebaut werden müssen. "Auch das wird viel Ressourcen sparen", ist Herbert Haase sicher. Mit 68 bis 90 PS Leistung können die neuen Mini-Trekker durchaus mit einem VW Up oder einem großen Außenbordmotor mithalten. "Und wer nur rausfährt, um nach den Kartoffeln zu schauen, kommt auch so an."
Gezielt kleine Traktoren
Setzen alle Bauern künftig gezielt kleine Traktoren dort ein, wo große nicht unbedingt benötigt würden, hülfe das dem Klima schon sehr. Nach Berechnungen der Taz würde damit jährlich allein rund eine Milliarde Liter des momentanen Verbrauchs von 33 Milliarden Litern eingespart. Da lohnt es sich, die wenigstens einen oder zwei der kleinen E-Traktoren anzuschaffen, auch wenn sie 50 bis 100 Prozent teurer sind als ihre alteingesessenen fossilen Kollegen. Wenn erst alle überzeugt sind, würden die Preise zudem sinken, so dass gebrauchte Modelle beinahe kostenfrei zu haben sein werden.
Um die Monster zu ersetzen, die heute noch die Krume plattfahren, ist dann genug Geld da. Hoffnungen richten sich hier vor allem auf Biodiesel als alternativen Treibstoff, hergestellt aus Raps, der auf Feldern angebaut werden könnte, die durch den zunehmenden Fleischverzicht weiter Teile des Bevölkerung frei werden. Um fossilen Diesel komplett zu ersetzen, würden weniger als zehn Prozent der Agrarfläche benötigt - knapp die Hälfte dessen, was heute an Ackerfläche für Energiepflanzen genutzt wird. Ein schöner Nebeneffekt, denn die freiwerdenden Gebiete könnten zügig wiederaufgeforstet werden.
Pfeiler der Elektrifizierung
Auch mit Blick auf den geplanten Umstieg auf eine Elektrifizierung bietet sich das an. Greift erst die Bundeskraftwerksstrategie mit ihrem klaren Fokus auf grünen Wasserstoff, der mit Hilfe von überflüssigem Wind- und Sonnenstrom aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt wird, sind sogenannte E-Fuels erste Wahl für den ländlichen Einsatz. Die leichten Mehrkosten durch die vielfache Umwandlung eines Energieträgers in den anderen lassen sich durch den gezielten Aufbau großer Überkapazitäten senken. Zudem könnten pfiffige Landwirte ihre Maschinen mit Wasserstoff aus eigenem Biogas betreiben, den sie in der Freizeit "mithilfe des selbst erzeugten Stroms herstellen."
Paar Druckbehälter hingestellt, paar Lehrgänge besucht, paar Prüfungen absolviert, fertig. Als echte Alternative nennt Haase zudem sparsamere Anbauverfahren, etwa das Pflügen ohne Pflug. Da der tief in den Boden eindringe, trotzdem aber gezogen werden müsse, verbrauchte das viel Energie. Die spare der Landmann zu hundert Prozent, wenn er auf das Pflügen verzichte. Stattdessen könne an Regentagen versucht werden, Saat oberirdisch auszubringen. "Manches wächst auch so an." Wenn Unkraut die vielversprechende Saat bedroht, brauche es keine schwere Technik. "Das geht mechanisch mit Hacke und Hand."
Wasserstoff aus Biogas geht aber nur, wenn es vegan aus Pflanzen erzeugt wird. Gülle höchstens als Zwischenlösung.
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