Freitag, 2. Februar 2024

Werbekampagne des Jahres: Sellner on bad news

Gemeinsam mit dem von großen Gönnern finanzierten Recherchenetzwerk Correctiv ist es Martin Sellner gelungen, seinen schmalen Band schon vor dem Erscheinen zum Bestseller zu machen.

Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner verharmlost es als einen "Vorschlag", doch wer der aufgeregten Diskussion in den Talkshows und Kommentarspalten Deutschland zuletzt noch folgen konnte und wollte, dem war schnell klar: "Remigration" ist nicht nur ein Unwort, weil es ganz klar das Gegenteil von Migration bedeutet. "Remigration" widerspricht auch den völkerrechtlich bindenden Verpflichtungen, die Deutschland bereits unter der Regierung Merkel gemeinsam mit der Völkerfamilie eingegangen ist, um ein Signal der Vorbildlichkeit zu senden.

Raunen vom geheimen Code

Vor diesem Hintergrund, das konnten Wissenschaftler bereits kurz nach dem Auffliegen der Geheimversammlung nachweisen, ist "Remigration" ein geheimer Code, der bei geheimen Treffen genutzt wird, um einerseits ungestört nicht von "Deportation" sprechen zu müssen. Andererseits aber geschützt vor jeder öffentlichen Anteilnahme einen weiteren Schritt dahin zu gehen, wo ganz normale Menschen, die in ihren Büros, Werkstätten und draußen auf dem Feld noch nie von Remigration gehört haben, das Wort kennen, es skrupellos verwenden und damit dafür sorgen, dass etwas "ins Rutschen kommt", wie der Bundesklimawirtschaftsminister festgestellt hat. 

Remigration bedeutet Deportation, es bedeutet Wannsee, Hitler, Holocaust und die Ausweisung von Millionen deutschen Staatsbürgern. Es beginnt vielleicht mit einem Treffen am Kamin, doch bald folgen dann Geldkarten statt Bargeld, es werden negative Anreize gesetzt, um eine vermeintlich freiwillige Abwanderung voranzutreiben, es kommt zu Sprachtests, um Nicht-Integrierte zu entdecken, und schließlich den Abschiebungen in großem Stil, von denen im politischen Berlin schon länger geträumt wird.

Empörter Kanzler

Selbst der Bundeskanzler war angesichts der geheimen Pläne, die das Faktenkollektiv Correctiv aufgedeckt hatte, empört. So war die Chefsache irreguläre Migration nicht gemeint, so sollte die neue Härte zwar rüberkommen, aber mehr auch nicht. Untergehakt mit nahezu allen anderen demokratischen Politikern rief auch der Sozialdemokrat aus dem Kanzleramt zum Aufstand der Anständigen. Gegen rechts. Gegen Assimilierungsfantasien. Gegen jeden Versuch von Populisten, mit Abschiebe-Parolen bei denen zu punkten, denen Nazis und Faschisten über das Kurznachrichtenportal bei X erfolgreich eingeredet haben, dass sie das alles bezahlen müssen, obwohl das noch immer der Staat tut.

Gegen Martin Sellner, einen bis vor einigen Tagen weitgehend unbekannten Österreicher, erging zumindest medial ein Einreiseverbot. Gegen Teilnehmer des Remigrationstreffens wurden Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Die Zivilgesellschaft zeigte an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden, dass sie mehr sein kann als eine fatalistisch allen Entwicklungen folgende Masse. 

Wie ein Mann an der Brandmauer

Steht die Machtergreifung durch dunkle Mächte bevor, entwickelt die alternde Gesellschaft noch einmal intensive Hassgefühle, sie steht wie ein Mann auf, um die Brandmauer zu bewachen, wagt exklusive Aufrufe gegen rechts, sie unterzeichnet zu Millionen Petitionen, um ihren Feinden die Grundrechte zu entziehen und den Gegnern des "besten Deutschlands, das es jemals gegeben hat" (Steinmeier) die Möglichkeit zu nehmen, sich demokratischen Wahlen zu stellen.

Es wirkte wie ein romantischer Rückfall in die Zeiten, als Bürgerinnen und Bürger gegen die Regierung, gegen Nato-Doppelbeschluss, gegen die SED-Diktatur, gegen eine deutsche Teilnahme am Irak-Krieg oder gegen Hartz 4 auf die Straße gingen. Diesmal aber machten sie sich stark gegen den erneuten Versuch eines Österreichers, in Deutschland Fuß zu fassen, gegen Planungen, die Aufnahme von Flüchtlingen zeitlich zu begrenzen, und gegen die Idee, die brutale Entwurzelung von Menschen durch eine erzwungene Rückkehr in frühere Heimatländer als normalen Vorgang zu beschreiben.

Werbestrategie rund ums "Unwort"

Stattdessen Tabuisierung, stattdessen "Unwort des Jahres", stattdessen Talkrunden als Fernsehgerichte und eine Welle aus Volkszorn, der nebenbei hatte wegspülen sollen, was an sonstigen Problemen seit Jahrzehnten unbewältigt wabert. Eine Strategie, deren Erfolg sich mittlerweile nicht nur in Umfrageergebnissen ablesen lässt, in denen die demokratischen Parteien der Mitte einen schon lange nicht mehr gekannten Aufschwung erleben. 

Sondern auch auf dem Buchmarkt, auf dem traditionell mit der Brieftasche abgestimmt wird. Und hier verfängt die Sellnersche Werbemasche offenbar besonders gut: Bereits einen Monat vor dem offiziellen Erscheinungstermin haben die Correctiv-Bemühungen das schmale Bändchen zum Bestseller Nummer 1 bei den politischen Büchern gemacht. Unter allen in Deutschland angebotenen Büchern liegt der "Beitrag im Kampf um Begriffe" (Verlagswerbung) auf Platz 3.

Machwerk steuert auf Platz 1 zu

Es wiederholt sich ein Muster, das schon bei Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" und später bei Rolf Peter Sieferles "Finis Germania" erdrutschartige Verkaufserfolge zeitigte: Der Kitzel des Illegalen ließ zehntausende Neugierige auf Bücher fliegen, von denen sie ohne die begleitende umfassenden Medienkampagnen nie erfahren hätten. Hier aber passte einmal mehr alles: Die Aufregung, die Abscheu, die Neugier, Verdammung und die Versuchung bei Bauern, hart arbeitenden Menschen der Mitte und angebräunten Ostdeutschen, es "denen da oben" mal mit einem Bestellklick bei Amazon so richtig zu zeigen. 

Der Rechtsstaat wird nun handeln müssen. Es braucht eine Petition, die Amazon zwingt, das Machwerk Sellners aus dem Angebot zu nehmen, denn erfahrungsgemäß reicht es nicht, wenn das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die Konterbande aus der Bestsellerliste streicht. Und es muss schnell gehen, denn schon in wenigen Wochen wird der einschlägig bekannte Verlag Sellners beginnen, das schleichende Gift zu versenden.


1 Kommentar:

  1. >>Unter allen in Deutschland angebotenen Büchern

    Bald auch in ihrer Buchhandlung:

    Unter allen in Deutschland verbotenen Büchern ...

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