Eines der raffiniertesten Details bei der neuen Steuer für das liebe Vieh: Es kommt mehr rein als die Bauern zum Ausgleich für ihre Opferbereitschaft beim Diesel verlangen können. |
Im Krieg gilt der Rückzug aus einer unhaltbaren Position seit Carl Philipp Gottlieb von Clausewitz als schwierigstes Manöver. Der Feind kann einen umfangen, die ungeschützten Flanken attackieren oder den weichenden Truppen in den Rücken fallen. Nur strategische Könner verstehen es, im Angesicht der Niederlage kühl zu bleiben und ihre Armeen zu retten.
Politische Genies aber sind in der Lage, aus einem desaströsen Debakel mit katastrophalen Folgen aufzuerstehen, als hätten sie nie einen anderen Plan gehabt. Eben noch tot im Graben, mit zerschmetterten Gliedmaßen und leerem Blick, sind sie auf einmal wieder da, auf dem gewohnten hohen Roß, die Taschen voller Rezepte, wie die Welt ab morgen besser werden wird.
Das Meisterstück des Schwaben
Es war nun diesmal ausgerechnet der Alt-Grüne Cem Özdemir, in seiner Partei ungeliebt und von der nachgewachsenen Generation der Habecks, Baerbocks, Faesers, Heils und Paus' wegen seiner früheren Verfehlungen geringgeschätzt, der der Ampelkoalition in ihrer verzweifelten Lage einen Ausweg wies. Özdemir, als Grünen-Chef gescheitert, wegen zerrütteter finanzieller Verhältnisse zeitweise nach Brüssel verbannt und in den Koalitionsverhandlungen letztlich mit dem als bedeutungslos eingeschätzten Posten des Landwirtschaftsministers abgefunden, fand ausgerechnet in dieser größten aller Krisen der Fortschrittskoalition sein Glück: Als es plötzlich überall an Milliarden und Abermilliarden zu mangeln begann, als die Bauern protestierten, weil sie die Rechnung für den Verfassungsbruch der Regierung zahlen sollten, tauchte der Mann aus Bad Urach auf. Und er schlug vor, nicht Steuern zu erhöhen oder Subventionen zu streichen oder an der Abgabenschraube zu drehen.
Mal was ganz Neues
Sondern eine ganz neue Steuer, eine funkelnde, verführerische neue Abgabe einzuführen. Wochenlang hatte die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin am Begriff "Tierwohlabgabe" geschraubt, gesägt, gefeilt und geschliffen. Nun stand Cem Özdemir da mit seinem raffinierten Konzept für einer neuen Verbrauchssteuer, die nur auf Fleischprodukte erhoben werden soll und anschließend zumindest in der Öffentlichkeitsarbei wird darauf wert gelegt, dazu gedacht ist, "Bauern der Umbau ihrer Ställe zu erleichtern" (Die Zeit). Im deutschen Steuerrecht, das bisher noch gilt, darf zwar keine Steuer zweckgebunden eingenommen werden. Alle bislang 13 Steuerarten, die der Bund sich einverleibt, fließen einfach ohne Ansehen der Quelle den Bundeshaushalt.
Dafür aber hat der Bundeslandwirtschaftsminister ja eben genau Eckpunkte für eine Verbrauchsteuer vorgelegt, die er eine Abgabe nennen lässt. Das Konzept ist neu, der Name "Tierwohlcent" spielt mit der traditionellen deutschen Vorliebe für beinahe alles, was kreucht und fleucht, so lange es ein Fell, Borsten oder Federn hat. Niemand, der ein Herz besitzt, wird sich der Bitte verweigern, für das Wohlergehen von Kuh, Schwein, Kaninchen und Huhn ein paar Cent mehr zu bezahlen. Zumal das derzeit vorliegende erste Konzept vorsieht, dass jeder weiterhin selbst entscheiden kann: Wer kein Fleisch kauft, dem bleibt die neue Fleischsteuer komplett erspart.
Höhere Steuern müssen niedrig sein
Alle anderen werden kaum belastet, das gilt im Kabinett als besonders wichtig, wegen der Inflation. "Höhere Steuern müssen vor allem niedrig sein", gilt als ausgemacht zwischen SPD, Grünen und FDP. Lieber an vier, fünf oder sechs Stellen etwas mehr abzapfen als an einer Stelle so viel, dass es die Gemüter erregt.
Rücksichtsvoll waren deshalb schon in den vergangenen Monaten nur Steuern und Abgaben erhöht worden, die nicht direkt ins Auge fallen. Die neue Mautsteuer, die alte Gaststättensteuer, die Netzentgelte, die höhere CO2-Steuer und höhere Sozialbeiträge läppern sich zwar zusammen, so dass selbst nach Berechnungen der "Tagesschau" besonders Alleinerziehende, Singles und Familien spürbare Einbußen beim verfügbaren Einkommen erleiden. Aber jeder Melkvorgang für sich ist so minimalinvasiv angelegt, dass es kaum jemand spürt.
Linke Tasche, rechte Tasche
Das ist auch Cem Özdemirs großes Anliegen beim Tierwohlcent, der ersten Erwägungen zufolge keineswegs bei einem Cent, sondern bei deren 40 pro Kilo Fleisch liegen soll, zumindest als Starttarif. Bei Milch ist an zwei Cent pro Liter gedacht, bei Frischmilchprodukten, Eier, Käse und Butter läuft es auf 15 Cent pro Kilo hinaus. Geld, das dann woanders fehlen wird, aber nicht so sehr wie es die Bundesregierung brauchen kann: Nachdem sie den Bauern 900 Millionen Euro an Subventionen gestrichen hat, steht der Bundeslandwirtschaftsminister bei den Landwirten im Wort, ihnen irgendetwas zum Ausgleich zu geben.
Nach Einführung der Tierwohlabgabensteuer wäre das Geld da: Mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von drei bis vier Milliarden rechnet das Ministerium. Falls das nicht reiche, sei "politisch zu entscheiden und frei skalierbar", bis zu welcher Höhe der neue Abgabecent geschraubt werden könne, ohne neue Proteste oder gar eine Abkehr von noch mehr Wählerinnen und Wählern an den Urnen der Schicksalsabstimmungen in Europa, Thüringen, Brandenburg und Sachsen zu riskieren. Das Meisterstück des Schwaben, es brilliert mit fingerflinkem Griff in die Taschen der Bürger, schnappt links, verteilt nach rechts und hat danach noch dreimal mehr übrig als alle denken.
Zurück auf der großen Bühne
Cem Özdemir, der ein Leben lang Außenminister, lieber noch aber immer Kanzler geworden wäre, hat sich mit dieser Innovation unüberhörbar auf der großen politischen Bühne zurückgemeldet. Der so oft und böse verspottete Hinterbänkler in einem Kabinett, das der öffentlichen Wahrnehmung nach nur aus drei bis vier Personen besteht, muss sich nun vielleicht bald nicht mehr um neue Verbote für Süßes, Saures und Fettiges kümmern, keine Bundesernährungspläne mehr aufstellen und die Feldrandbepflanzung kontrollieren. Schwächeln Habeck und Baerbock weiterhin so wie seit Monaten, könnte Cem Özdemir seinen Hut in den Ring werfen, wenn es um den kommenden grünen Kanzlerkandidaten geht.
Das brauchen wir ganz dringend, einen Türken als Kanzler.
AntwortenLöschenWir brauchen eine Sowietrepublik - mit'm unumschränkten Offeßier anne Spitze! Un der Korridor witt abjeschafft!
AntwortenLöschenWie wisst'n da in't Schlafzimmer komm', du oller Süffel?