Montag, 12. Februar 2024

Quertreiber in der Ampel: Mein Gott, wie sieht denn das aus?

Das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" formulierte unmittelbar nach einer Anregung des früheren Grünen-Spitzenpolitikers Anton Hofacker die brennendste Frage der Deutschen: Wie sieht denn das aus!

Einfach mal mitmachen. Die eigenen Ansichten an Pforte abgeben. Der Mehrheit folgen, auch wenn es richtig was kostet. Hauptsache, die Nachbarn mögen dich. Hauptsache, die anderen denken nicht schlecht von Dir, nur weil Du eine eigene Ansicht nicht nur hast, sondern sie auch vertritts. Dort, wo in Hamburg das "Spiegel"-Hochhaus steht, haben Reporter seit Jahren schon das Ohr an der Pulsader der Politik. Die Berichte aus dem wahren Leben, die liefern fantasiebegabte Sonderlinge. Aber was Berlin betrifft, Brüssel, die Staatskanzleien und die Parteizentralen, die mamornen Stiftungshochhäuser und die Fördermittelpaläste der NGOs, da macht dem Sturmgeschütz keiner die Munition streitig.  

Die alte deutsche Vorstadtangst

Offenbar geht die traditionelle deutsche Vorstadtangst vor Zweifeln an der eigenen Lebensführung, an der Sauberkeit der Küche und den Scheiteln der Kinder gerade bei Führungskröäften und Aktivisti um. Anton Hofreiter, trotz langem Haar zu kurz gekommen bei der Verteilung der Ministerposten, gab letzte Wiche als Erster mutig die Parole aus, dass die Welt da draußen nun anfange, an Deutschland zu zweifeln. Nicht, weil das Land nicht aus dem Knick kommt. Nicht, weil es stattdessen eher schnell als langsam einknickt vor einer umgebenden Wirklichkeit, gegen die womöglich trotz Cannabis-Freigabe kein Kraut gewachsen ist. Sondern weil die FDP "reihenweise Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene" torpediere, wie das frühere Nachrichtenmagazin die Vorlage des früheren grünen Spitzenpolitiker inzwischen dankbar weitergespielt hat.

Bereits jetzt habe "Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner ernsthaft Schaden genommen", beklagt nicht nur  das Spiegel-Autorenduo, das vierhändig über die Liberalen barmt, die doch nur einfach nachgeben müssten bei Migrationspakt, Glyphosat­zulassung oder Verbrenner-Aus für Pkw, bei Lieferkettengesetz und Abhörbeschlüssen, um Deutschlands Ruf bei den EU-Partnern zu reparieren, wie das zum SPD-Medienimperium Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) gehörende Portal RND empfiehlt. 

Der Wunsch muss Befehl sein

Muss es denn immer nach allen gehen? Und nicht auch mal nur nach den Wünschen der deutschen Sozialdemokratie und ihrer Medienarbeiter? Haben nicht diese berüchtigten "German Votes", bis eben nur vom Gesangswettbewerb "Song Contest" bekannt, schon so viel Schaden angerichtet, dass der RND-Hauptstadtkorrespondent schon vor einem Jahr abschließend beklagte, dass sich die Zukunftskoalition aus Rot, Grün und Gelb in Geiselhaft der FDP begeben habe? Die hatte nur aus kleinlichen ideologischen Gründen "an der einst stolzen deutschen Verbrennertechnologie festhalten" wollen. Und das letztlich nur, weil die Hersteller zweifeln, die Kunden nicht wollen und die Bürger ohnehin dagegen sind.

Gerade in einer solchen Situation heiße es doch, hart bleiben, streng und tun, was Staaten vorschlagen, die über keinerlei nennenswerte Autoindustrie verfügen. Die Reihen geschlossen, den liberalen Quertreiber zusammen in die Ecke treiben und den Teufel damit aus. So kann es gehen. Hofackers Mahnung, dass es bei Abstimmungen im Rat der EU-Mitgliedsstaaten für Deutschland nur die Möglichkeit geben dürfe, mit der Mehrheit zu stimmen, fällt bei den von Bauernprotesten, Widerstand gegen rechts, Niedergangsbeschreibungen der deutschen Wirtschaft und den Kriegen im Nahen und noch näheren Osten gelangweilten Medienarbeitern deshalb auf fruchtbaren Boden.

Die größte Bedrohung

Niemand, der nicht die German Votes als größte Bedrohung Europas beschreibt. "Tage- und nächtelang ausgehandelte Kompromisse mit dem EU-Parlament und der Kommission drohen in letzter Sekunde an einem Kurswechsel in Berlin zu scheitern, weil die deutsche Enthaltung wie ein Nein zählt", beschreibt das in Berlin gern als "Reichsnachrichtendienst" verspottete RND das Ausmaß des Verrats an den gemeinsamen Werten. Die ganze Arbeit. Umsonst. Die ganze Einheit. Sie ist gar keine. 

Wie damals, als die EU insgesamt einen neuen venezuelanischen Präsidenten anerkannte, die Mehrheit ihrer Mitgliedsstaaten aber an der Anerkennung des alten festhielt, erfährt das Publikum daheim alle Einzelheiten über die "bereits vorliegende politische Lösung" (FR), die dann so dramatisch an Deutschland zu scheitern drohte, dass die Abstimmung nach guter alter EU-Praxis verschoben wurde. Aber nicht, wie bei aller Einigkeit der übrigen EU-Staaten ohne Deutschland nicht die erforderliche Mehrheit von 15 der 27 EU-Staaten mit nur 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustandekommt.

Deutschland hat nur einen Bevölkerungsanteil von knapp 19 Prozent, irgendwer anders gibt also offenbar auch "German Votes" ab.

Aber Schuld ist immer die FDP, der die als Spitzenkandidatin der SPD bei der EU-Wahl in ein aussichtsloses Rennen gestartete Wirtschaftsexpertin Katarina Barley bei den Genossen des RND  "politischen Spiele" vorwirft, die "das Ansehen Deutschlands in Europa untergraben." Das "schade denen, die Deutschlands und Europas Wohlstand ermöglichten", analysiert in der Vergangenheit allerdings auch schon als Nato-Leugnerin aufgefallene frühere Bundesministerin, die nach einem verlorenen Machtkampf mit der damaligen SPD-Chefin Andrea Nahles hatte nach Brüssel flüchten müssen. 

Störende Details

Aber Fakten hin, störende Details her. Nach allgemeiner Lesart ist es die "FDP-Ministerriege", die das "EU-Lieferkettengesetz" zu Fall zu bringen versucht, weil sie die Richtlinie für ein "bürokratisches Monster" hält, das nicht nur nicht mehr Wachstum bringen wird, sondern mit Sicherheit noch weniger. Ist das aufzuwiegen mit dem "Vertrauen, das Deutschland verspielt", wie Außenministerin Annalena Baerbock mahnt? Macht das den Eindruck wett, den Linken-Parteichef Martin Schirdewan schildert, wenn er Deutschland für keinen verlässlichen Partner mehr hält? Und was ist mit der Enttäuschung beim "Spiegel", beim RND, bei FR,im Kanzleramt, dass Deutschland wie Italien abstimmt?

5 Kommentare:

  1. Die ganze Welt wartet auf das Lieferkettengesetz und auf das Ende der Fahrzeugindustrie außerhalb Chinas. So kann es nicht weitergehen. Die FDP sollte endlich vom Umfallen mit Diskussion zum Umfallen ohne Diskussion wechseln. Für mehr Demokratie.

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  2. estland, schweden, finnland, italien, tschechien, litauen, polen, die niederlande und frankreich wagen ja nur dagegen zu sein, seit sie wissen, dass die FDP das genehmigt hat

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  3. Solche Qualitätszeitungen wie der Spiegel muss man wie Qualitätsweine ablagern lassen. Kaufen und mindestens ein halbes Jahr liegen lassen. Dann erkennt man die Klugheit und Weitsicht der Redakteure erst so richtig. Ich habe das mal ein dreiviertel Jahr so gemacht, bei einer Arbeitsgelegenheit vom Jobcenter. 80 Prozent der Artikel entpuppten sich als blanker Humbug.
    Ich kann dieses Experiment jeden nur wärmstens empfehlen.

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  4. halbes Jahr liegen lassen

    Besser: Dreißig Jahre und mehr. Habe da ein paar "Das Magazin" von Anfang der Sechziger, in einem z.B. wird Maos berüchtigte Stahlkampagne gepriesen.

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  5. "Alles ist eitel, nur nicht ein voller Bauch ..."
    Primo Levi: "Der Freund des Menschen".

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