Donnerstag, 29. Februar 2024

Politische Polemisierung: Kampfmittel des Populismus

Hass, Hetze, später die berühmten "Zweifel", die der Fernsehansager Claus Kleber mit Nachdruck unter Verdacht stellte, als Einstiegsdroge in die Staatsfeindlichkeit zu funktionieren. Wer erst Zweifel habe, ob das denn alles so richtig ist, komplett durchgerechnet und am Ende nicht nur funktionsfähig, sondern auch noch halbwegs bezahlbar, der habe schon den ersten Schritt dorthin getan, wo Fremdenfeinde und Nationalisten händereibend auf ihn warten, warnte der vom Medienmagazin DWDL zum "Superstar des Nachrichtenwesens" ernannte Lehrer am Tübinger Institut für Medienwissenschaft, der damals vor fast zehn Jahren schon ein feines Näschen für die beängstigende Entwicklung hatte.

Staatswohlgefährdende Ansichten

Neue Bedrohungen, neue Lügen, neue Einfallstore für staatswohlgefährdende Ansichten, getarnt als legale Meinungsäußerungen, aber in Wirklichkeit gedacht und geäußert, um das Tun und Lassen derer zu delegitimieren, die es nur gut meinen mit ihrem Regieren. Ja, die zuständigen Organe haben seit jenem als "Kleber-Warnung" historischen Satz des "guten Gewissens aus dem Tal der Götter" von "Hetze, Hass und Zweifel" immer wieder nachgeschärft:

Denis Yücel darf alles, aber Satire nicht, wie selbst die Süddeutsche Zeitung erkennen musste, als sie auf einen Versuch des Missbrauchs des Satireprivilegs hereinfiel. Streifen der Satirepolizei behielten unsichere Kantonisten im Blick. Fakechecker der großen Sender spürten gefährlichen Witzen nach. Wo gelacht wurde, saßen immer Verdächtige. Die von Denkmalstürmern im Namen der Gleichheit zeitweise geforderte Abschaffung des  Tatbestand der Majestätsbeleidigung wurde dann doch nicht aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Ein deutlicher Fingerzeig an die Bürgerinnen und Bürger. 

Satiremarsch durch Paris

Die Tage, als sich die Mächtigen der Welt unterhakten, um bei ihrem legendären "Marsch durch Paris" mit ihren Leibern eine menschliche Brandmauer zum Schutz der Satire vor engstirnigen Glaubenskriegern ohne Humor zu errichten, sie waren vorbei, als die verdienstvolle Antonio-Amadeu-Stiftung "Humor als rechtsextreme Strategie" anprangerte. Wo über vermeintlich lustige Sprüche, Bilder, Fotos und Cartoons mit schwarzem oder umstrittenem Humor mit der Begründung "Ist ja nur Spaß!" gelacht werde, seien dunkle Mächte am Werk, die "unter dem Deckmantel des Schalks ideologisch motivierte Witze über Randgruppen" machen und die Erfolge der Regierung beim  Wirschaffendas in Abrede stellen.

Scharfe Richtlinien mussten seitdem den gesunden Menschenverstand ersetzen. Dort, wo ein Vierjähriger früher erkannt hätte, dass eine "Tagesschau"-Sendung, in der sich  der Ansager für "angebliche Lügen" (Tagesschau) entschuldigt, nur eine plumpe Persiflage sein kann, tritt heute umgehend die Staatsanwaltschaft die Bühne. Zuletzt erst hat die Bundesinnenministerin eine Ausweitung der Meinungsfreiheitsschutzmaßnahmen vom Hass, der Hetze und der Zweifel bis hin zum Hohn" angekündigt, den eine "Früherkennungseinheit" direkt im Bundesinnenministerium künftig schon an der Quelle bekämpfen soll. Nur eine Frage der Zeit, bis Häme und Spott als nahe Verwandte des Hohns ins Visier geraten.

Polemik unter Verdacht

Aber kann es das schon gewesen sein? Muss der Staat sich nicht besser wappnen gegen die, die im Übles wollen? Reicht eine "Zentrale für neue Wachsamkeit" (SZ), eine Früherkennungseinheit, eine neue Strategie des Verfassungsschutzes, auch dort ein Auge hinzuwerfen, wo Feinde unserer Ordnung gezielt so tun, als täten sie nichts Illegales?

Ja, hat Bundesklimawirtschaftsminister Robert Habeck jetzt in einem Grundsatzreferat vorgeschlagen, das neben Hetze, Hass, Zweifel, Hohn, Häme und Spott auch der Tatbestand der "politischen Polemisierung" im "inneren Bereich" in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken müsse. Diese Methode scheine im ersten Moment nur ein "Oberflächenphänomen der sozialen Medien" (Habeck) zu sein, die von einer "gewissen Verrohung der Sprache" erzähle.

Kampfmittel der Feinde

"Doch, so warnt Habeck eine solche "Verrohung kann natürlich Wirklichkeit werden". Politische Polemisierung nicht irgendetwas, "was so da ist und was man übersehen kann, sondern das ist das Kampfmittel des Populismus". Wer Probleme und Herausforderungen, die ein Land zu bestehen habe, überzeichne und überspitze, der ziele darauf, dass Probleme nicht mehr lösbar seien. "Um damit den Beweis anzutreten: Guck mal, die Probleme sind ja gar nicht lösbar im Rahmen eines Diskurses, im Rahmen einer Demokratie, wo Argumente ausgetauscht werden, also stellen wir die Demokratie in Frage."

Polemik, in den Zeiten von "Birne" Kohl und "Genschman" Genscher noch als Streitkunst gerühmt und zeitweise vor allem Augen im Bundestag ausgeübt, kann im aktuellen Bedrohungsszenario kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung mehr sein. Die scharfe, undiplomatischen Äußerungen, die  persönlichen Angriffe, das Gerede von "kleinen Paschas", der Bezeichnung politischer Gegner als "Idioten", Hassprediger und Irre darf nicht mit der Entschuldigung zugelassen werden, dass es sich dabei um die genrespezifischen Mittel der Übertreibung, der Ironie und des Sarkasmus handele.

Satire, Humor, Kabarett und die gesamte Witzindustrie gehören unter Aufsicht gestellt, für illegale Späße, zumal mit vermeintlich gesellschaftskritischem Ansatz, braucht es eine Zulassungsbehörde, für Produzenten von populistischen Kampfmitteln ein Prüf- und Lizenzverfahren. Vorbild könnten hier die neuen kanadischen Gesetze gegen sogenannte "Online-Übel" sein: Die Online Harms Bill droht Schmähern mit notfalls lebenslanger Haft, dazu enthält sie umfassende neue Zensur- und Meldepflichten, Offenlegungsbestimmungen und Verhaltensregeln für Nutzerinnen und Nutzer, die durch den erweiterten Meinungsfreiheitsschutz künftig von erweiterten Speicherfristen, schneller Zensur weitgehendem Schutz vor schädlichen Inhalten profitieren.

2 Kommentare:

  1. OT
    >> Christian Bauer am 28. Februar 2024 um 13:08
    Der Kardinalfehler ist doch, dass der „worst case“ dann eintritt, wenn weder Wind noch Sonne irgendwelchen Strom liefern. Die nicht vorhandenen Gaskraftwerke werden dann den Strom auch nicht liefern.

    So schlimm es klingt (und auch wird!): Wir brauchen offensichtlich den grossen Blackout mit 14-tägiger Dauer, damit der Bevölkerung und anschliessend den Politikern klar wird, dass wir auf dem verkehrten Weg sind
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    Stefan Steger am 28. Februar 2024 um 23:07
    Herr Bauer, einen Blackout von 14 Tagen überlebt unsere Gesellschaft nicht, schon nach ein paar Tagen herrscht Anarchie! <<
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    Nach drei bis fünf Tagen ist hier Kladderadatsch, das ist wohl wahr. Aber dass der "Bevölkerung" dadurch oder überhaupt "etwas klar" werden würde, ist grobe Narrheit: Die Ursache wird dann sein, dass die "Energiewende" zu lasch und zu langsam betrieben wurde, und, dass uns Putin aus Bosheit den Gashahn zugedreht hätte. Was gilt's? Hiob 1.11

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  2. OT
    Tapfer und weise, außerdem neu, geradezu originell:


    >> Aufrechter Deutscher 29. Februar 2024 at 10:45

    Goebbels hätte seine hellste Freude an seinen Correctiv-Jüngern. <<

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