Zusammen mit ihren zwei rechten Händen trat Innenministerin Nancy Faeser vor die Weltpresse, um die neuen Gesetzestafeln zu präsentieren. |
Es stört schon länger, es nervt, es behindert nicht nur durch die eingebaute Schuldenbremse das konsequente Durchregieren zum Wohle aller. Das Grundgesetz feiert in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag, es ist also wirklich alt und inzwischen überwiegend lästig. Immer schneller muss es geändert werden und immer wichtiger ist es, es je nach Tageserfordernis zu anzupassen. Hatte das Original noch 146 Artikel auf 47 Seiten, die aus 12.216 Wörtern bestanden, ist die Version von heute zwar einen Artikel kürzer, doch das ehemals kompakte Papier wuchs um beinahe die Hälfte seines ursprünglichen Umfangs auf 86 Seiten 23.231 Worten.
Lehren gezogen
Als Nancy Faeser, als Bundesinnenministerin eine der Verfassungsminister, jetzt gemeinsam mit dem BKA-Chef Holger Münch und dem Präsidenten des Bundesverfassungsschutzamtes Thomas Haldenwang vor die Kameras trat, um wegweisende Änderungen beim Umgang mit Grundgesetz Artikel 5 betreffend die Meinungsfreiheit anzukündigen, verzichtete die Sozialdemokratin denn auch bewusst darauf, die große Keule einer erneuten Grundgesetzänderung auszupacken.
Wozu auch? Um einen spürbaren Zuwachs an Demokratie herbeizufördern, das zeigen die jüngsten Erfahrungen aus der Pandemiezeit, reicht es eigentlich, unveräußerliche Grundrechte auf dem Verordnungsweg zu suspendieren. Eine gutmütige Geste der 53-jährigen Sozialdemokratin also, dass sie zum Schutz einer neuen Art von Meinungsfreiheit sogar ein Gesetz plant.
Kompletter Neustart
Es wird einen nichts weniger als einen kompletten Neustart all dessen markieren, was Bürgerinnen und Bürger bisher als ihre ureigenen Rechte betrachten. Meckern können, Maulen, Verhöhnen, Häme zeigen, auch mal hassen oder einen bösen Witz machen - damit ist in Kürze Schluss. Galt bislang das Prinzip, dass jede Meinungsäußerung vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt wird, so lange sie nicht strafbar ist, sieht der Faeser-Plan zur Transformation Deutschlands vor, künftig auch Debattenbeiträge unter Kontrolle zu halten, die zweifelsfrei weder strafbar noch - dabei handelt es sich um einen erst vor einigen Jahren neu erdachten Verfolgungstatbestand - rechtswidrig sind.
Unter dem Titel "Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen" oder kurz "Meinungsfreiheitsschutzgesetz" finden sich 13 Maßnahmen, mit denen Nancy Faeser deutlich macht, dass Grundrechte nur denen gewährt werden können, die keine begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie der Gewährung einer solchen Gnade würdig sind. Für alle anderen gilt künftig trotz offener Grenzen eine Aus- wie Einreise sperre, ihnen darf und soll der Verfassungsschutz auch nachspüren, wenn sie weder Gewalt anwenden noch Gewalt befürworten, sie stehen auf der Beobachtungsliste nicht erst, wenn sie den berühmten Hass predigen, sondern bereits, wenn der Verdacht aufkommt, es sei Hohn im Spiel.
Klare Kante gegen Verdächtige
"Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten", hat der Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang die neue Strategie des Geheimdienstes umrissen. Nach Jahren der Duldung von Äußerungen, die wegen mangelnder Strafbarkeit unter den Schutz des Grundgesetzes fielen, zieht das Innenministerium mit seiner nachgeordneten Verfassungsschutzbehörde nun eine deutlich engere Grenze für Überwachungseinsätze der Ermittlungsbehörden.
Es gehe zunehmend um "verbale und mentale Grenzverschiebung", erläuterte Haldenwang, ohne konkreter zu werden. Die betreffenden Verdächtigen wüssten derzeit sehr genau, was sie gerade noch sagen dürften und wo die Strafbarkeit beginne, dadurch gelingt es ihnen, immer wieder durchs Netz zu schlüpfen, weil bisher nur bei "nachweislich volksverhetzenden und gewaltorientierten Bestrebungen" gegen sie ermittelt werden darf.
Ausweitung der Kampfzone
Ein neues Gesetz, das dem Verfassungsschutz weitgehende Rechte gibt, ohne zureichenden Anfangsverdacht auf kriminelle Aktivitäten und auch ohne Zustimmung eines Richters mutmaßliche Verdachtspersonen im Auge zu behalten, kehrt die von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes eigentlich beabsichtige strikte Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden smart um: Organisatorisch bleiben sie selbstverständlich unabhängig wie es die schrecklichen Erfahrungen mit einer vereinheitlichten Sicherheitsarchitektur durch die der Gräueltaten der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) im Dritten Reich unabdingbar machen.
In der Praxis aber wird das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Dienstleisterfunktion ausbauen. Informationen, die das BfV auf nachrichtendienstlichem Wege gewinnt, abseits zeitraubender rechtsstaatlicher Verfahren, dürfen mehr noch als heute schon "an die zuständigen Behörden vor Ort" (BMI) übermittelt werden. Gemeint ist damit nicht nur die Polizei, sondern auch Ordnungsbehörden wie die Gewerbe- oder die Gaststättenaufsicht, die mit Hilfe der Geheimdienstinformationen dann Veranstaltungen untersagen oder Hygienekontrollen, Steuerprüfungen oder Kontoschließungen anordnen können.
Vergrämen und vergällen
Vergrämen, vergällen, denen, die Übles im Sinn haben wie etwa Äußerungen tätigen, die gegenwärtig noch vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt werden, muss das Leben so schwer gemacht werden, dass sie sich überlegen, ob ihre Ansichten das wert sind. Es ist eine umfassende Zangenbewegung, bei der Lisa Paus auf der einen Seite an einem Demokratiefördergesetz schraubt, das nichtstaatliches Engagement endlich zum anerkannten Erwerbsberuf macht, während Nancy Faeser ein neues Heimtückegesetz aus den Resten des Paragraphen 106 des DDR-Strafgesetzbuches beisteuert.
Mittendrin steht Thomas Haldenwang, dessen Behörde jahrelang nichts vom NSU wusste, keine Ahnung von den Plänen Anis Amris hatte und völlig überrascht war, als nach dem 7. Oktober 2023 plötzlich Antisemiten überall auf den Straßen marschierten, die weder Seitenscheitel noch Springerstiefel noch völkische Kittelschürze trugen. Doch nichts mitbekommen können, solange keine Weisung erteilt wird, ist die hohe Kunst der Nachrichtendiensterei: Haldenwang selbst diente fünf Jahre direkt unter einem Vorgesetzten, der sich nach seiner Entlassung rasend schnell als inzwischen auch aktenkundiger Extremismusverdächtiger entpuppte.
Raue See für Nörgler
So viele Augen werden nie wieder zugedrückt, den vielen anderen Schläfern dort draußen geht es künftig umgehend an den Kragen. Ob eine Meinungsäußerung strafbar ist, spielt keine Rolle mehr, denn, so hat Thomas Haldenwang die neue Linie klar umrissen, auch nicht-strafbare Aussagen könnten "staatswohlgefährdend" sein. Nach den koordinierten Aussagen von Faeser, Paus und Haldenwang steht jeder, der sich nach Inkrafttreten der neuen Meinungsfreiheitsschutzvorschriften verdächtig macht, Hass und Hohn zu äußern oder verbale und mentale Grenzverschiebungen zu planen, unter dem Verdacht, ein "Gefährder" zu sein.
Dieser Begriff, am denkwürdigen 17. März 1960 von keinem Geringeren als dem Erfinder der politischen Hygiene Karl-Eduard von Schnitzler erstmals verwendet, tritt damit frisch aufgeladen mit Bedeutung in sein 65. Jahr.
Die Demokratie in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Nancy sollte die eine Wachspuppe nicht immer so lange in der Sonne stehen lassen. Dem ist schon das Gesicht geschmolzen und fällt irgendwann ganz ab. Das wäre nicht schön.
AntwortenLöschen" gaukeln mit kopierten Zeitungswebsites Glaubwürdigkeit vor.“ Glauben die das wirklich?
AntwortenLöschenKeiner mit einigermaßen funktionierenden Gehirn glaubt doch einer Zeitung noch irgendwas.
Sie leben in einer traurigen Welt. Ständig umzingelt von Nazis (warscheinlich auch unterm Bett) und auf die Straße können sie keinen Schritt mehr machen ohne Leibwächter.
Von der Kampagne gegen Meckerer und Miesmacher, heißt es, sollen auch einige Gauleiter nicht so entzückt gewesen sein ...
AntwortenLöschen