Donnerstag, 29. Februar 2024

Politische Polemisierung: Kampfmittel des Populismus

Hass, Hetze, später die berühmten "Zweifel", die der Fernsehansager Claus Kleber mit Nachdruck unter Verdacht stellte, als Einstiegsdroge in die Staatsfeindlichkeit zu funktionieren. Wer erst Zweifel habe, ob das denn alles so richtig ist, komplett durchgerechnet und am Ende nicht nur funktionsfähig, sondern auch noch halbwegs bezahlbar, der habe schon den ersten Schritt dorthin getan, wo Fremdenfeinde und Nationalisten händereibend auf ihn warten, warnte der vom Medienmagazin DWDL zum "Superstar des Nachrichtenwesens" ernannte Lehrer am Tübinger Institut für Medienwissenschaft, der damals vor fast zehn Jahren schon ein feines Näschen für die beängstigende Entwicklung hatte.

Staatswohlgefährdende Ansichten

Neue Bedrohungen, neue Lügen, neue Einfallstore für staatswohlgefährdende Ansichten, getarnt als legale Meinungsäußerungen, aber in Wirklichkeit gedacht und geäußert, um das Tun und Lassen derer zu delegitimieren, die es nur gut meinen mit ihrem Regieren. Ja, die zuständigen Organe haben seit jenem als "Kleber-Warnung" historischen Satz des "guten Gewissens aus dem Tal der Götter" von "Hetze, Hass und Zweifel" immer wieder nachgeschärft:

Denis Yücel darf alles, aber Satire nicht, wie selbst die Süddeutsche Zeitung erkennen musste, als sie auf einen Versuch des Missbrauchs des Satireprivilegs hereinfiel. Streifen der Satirepolizei behielten unsichere Kantonisten im Blick. Fakechecker der großen Sender spürten gefährlichen Witzen nach. Wo gelacht wurde, saßen immer Verdächtige. Die von Denkmalstürmern im Namen der Gleichheit zeitweise geforderte Abschaffung des  Tatbestand der Majestätsbeleidigung wurde dann doch nicht aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Ein deutlicher Fingerzeig an die Bürgerinnen und Bürger. 

Satiremarsch durch Paris

Die Tage, als sich die Mächtigen der Welt unterhakten, um bei ihrem legendären "Marsch durch Paris" mit ihren Leibern eine menschliche Brandmauer zum Schutz der Satire vor engstirnigen Glaubenskriegern ohne Humor zu errichten, sie waren vorbei, als die verdienstvolle Antonio-Amadeu-Stiftung "Humor als rechtsextreme Strategie" anprangerte. Wo über vermeintlich lustige Sprüche, Bilder, Fotos und Cartoons mit schwarzem oder umstrittenem Humor mit der Begründung "Ist ja nur Spaß!" gelacht werde, seien dunkle Mächte am Werk, die "unter dem Deckmantel des Schalks ideologisch motivierte Witze über Randgruppen" machen und die Erfolge der Regierung beim  Wirschaffendas in Abrede stellen.

Scharfe Richtlinien mussten seitdem den gesunden Menschenverstand ersetzen. Dort, wo ein Vierjähriger früher erkannt hätte, dass eine "Tagesschau"-Sendung, in der sich  der Ansager für "angebliche Lügen" (Tagesschau) entschuldigt, nur eine plumpe Persiflage sein kann, tritt heute umgehend die Staatsanwaltschaft die Bühne. Zuletzt erst hat die Bundesinnenministerin eine Ausweitung der Meinungsfreiheitsschutzmaßnahmen vom Hass, der Hetze und der Zweifel bis hin zum Hohn" angekündigt, den eine "Früherkennungseinheit" direkt im Bundesinnenministerium künftig schon an der Quelle bekämpfen soll. Nur eine Frage der Zeit, bis Häme und Spott als nahe Verwandte des Hohns ins Visier geraten.

Polemik unter Verdacht

Aber kann es das schon gewesen sein? Muss der Staat sich nicht besser wappnen gegen die, die im Übles wollen? Reicht eine "Zentrale für neue Wachsamkeit" (SZ), eine Früherkennungseinheit, eine neue Strategie des Verfassungsschutzes, auch dort ein Auge hinzuwerfen, wo Feinde unserer Ordnung gezielt so tun, als täten sie nichts Illegales?

Ja, hat Bundesklimawirtschaftsminister Robert Habeck jetzt in einem Grundsatzreferat vorgeschlagen, das neben Hetze, Hass, Zweifel, Hohn, Häme und Spott auch der Tatbestand der "politischen Polemisierung" im "inneren Bereich" in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken müsse. Diese Methode scheine im ersten Moment nur ein "Oberflächenphänomen der sozialen Medien" (Habeck) zu sein, die von einer "gewissen Verrohung der Sprache" erzähle.

Kampfmittel der Feinde

"Doch, so warnt Habeck eine solche "Verrohung kann natürlich Wirklichkeit werden". Politische Polemisierung nicht irgendetwas, "was so da ist und was man übersehen kann, sondern das ist das Kampfmittel des Populismus". Wer Probleme und Herausforderungen, die ein Land zu bestehen habe, überzeichne und überspitze, der ziele darauf, dass Probleme nicht mehr lösbar seien. "Um damit den Beweis anzutreten: Guck mal, die Probleme sind ja gar nicht lösbar im Rahmen eines Diskurses, im Rahmen einer Demokratie, wo Argumente ausgetauscht werden, also stellen wir die Demokratie in Frage."

Polemik, in den Zeiten von "Birne" Kohl und "Genschman" Genscher noch als Streitkunst gerühmt und zeitweise vor allem Augen im Bundestag ausgeübt, kann im aktuellen Bedrohungsszenario kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung mehr sein. Die scharfe, undiplomatischen Äußerungen, die  persönlichen Angriffe, das Gerede von "kleinen Paschas", der Bezeichnung politischer Gegner als "Idioten", Hassprediger und Irre darf nicht mit der Entschuldigung zugelassen werden, dass es sich dabei um die genrespezifischen Mittel der Übertreibung, der Ironie und des Sarkasmus handele.

Satire, Humor, Kabarett und die gesamte Witzindustrie gehören unter Aufsicht gestellt, für illegale Späße, zumal mit vermeintlich gesellschaftskritischem Ansatz, braucht es eine Zulassungsbehörde, für Produzenten von populistischen Kampfmitteln ein Prüf- und Lizenzverfahren. Vorbild könnten hier die neuen kanadischen Gesetze gegen sogenannte "Online-Übel" sein: Die Online Harms Bill droht Schmähern mit notfalls lebenslanger Haft, dazu enthält sie umfassende neue Zensur- und Meldepflichten, Offenlegungsbestimmungen und Verhaltensregeln für Nutzerinnen und Nutzer, die durch den erweiterten Meinungsfreiheitsschutz künftig von erweiterten Speicherfristen, schneller Zensur weitgehendem Schutz vor schädlichen Inhalten profitieren.

Verrat beim Verfassungsschutz: Geheimnisse auf dem Markplatz

Thomas Haldenwang ist der öffentlichste Geheimdienstchef, den Deutschland je hatte. Auch seine Behörde gleicht einem offenen Buch: Meist bekommt sie von Bedrohungen nichts mit, ihre Interna aber sind Stadtgespräch.

Riesenleck beim Verfassungsschutz, offenbar völlig ungehindert strudeln geheime Daten ab, Akten, Listen, Gutachten und Dokumente, alles liegt der Süddeutschen Zeitung vor, ungeschwärzt und ungefiltert. Der immer wieder von Skandalen geschüttelte Inlands-Geheimdienst, eine weltweit einmalige Einrichtung, die geschaffen wurde, um über jeden Wechsel an der Regierung hinweg die Kontinuität und Unverletzlichkeit der Verfassung zu gewährleisten, steckt einmal mehr tief in Sumpf einer Affäre um Geheimschutz, Geheimhaltung und die Wahrung der Vertraulichkeit.

Offenes Verfahren ohne offenes Ende

Obwohl es sich um ein offenes Verfahren handelt, in dem es um höchste Verfassungsorgane geht, ist es irgendwo in der Riesenbehörde mit inzwischen mehr als 4.200 Mitarbeitern wieder passiert: Noch ehe die entsprechenden Untersuchungen beendet, die Sachverständigengutachten geschrieben und die grundgesetzliche vorgeschriebenen Regularien eingehalten waren, verkündete die Süddeutsche Zeitung von anderen Ende der Republik, dass das BfV die Einstufung der gesamten AfD als "gesichert extremistische Bestrebung" vorbereite.  

Aus dem sogenannten "Verdachtsfall", einem erst im Zuge des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens etablierten Sonderbegriff, unter dem die Partei in den internen Dokumenten der Behörde gelistet wird, würde dann eine der "immer komplexer werdenden Bedrohungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung", die der Verfassungsschutz mit Hilfe geheimdienstlicher Methoden überwachen kann. Der Schritt gilt als wichtige Stufe auf dem Weg zu einem förmlichen Verbotsverfahren, wie es der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl für die Partei der "Brandstifter in Biedermannsakkos" bereits 2018 gefordert hatte. 

Härtere Gangart im Wahlkampf

Seinerzeit erfolglos, zuletzt aber hatte sich eine härtere Gangart gegen die in Teilen bereits als gesichert rechtsextrem eingestufte zweitstärkste Partei Deutschlands bereits angedeutet. Wie die Süddeutsche Bundesamt aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz erfahren hat, wolle man dort eine "verschärfte Einstufung der AfD erwirken". Wie genau das vor sich geht, wo wer bei wem was beantragt, um nach welchen wo festgeschriebenen rechtlichen Regularien etwas zu "erwirken", erklärt das Münchner Blatt nicht. Da es sich bei der "Einstufung" um ein behördeninternes Verfahren handelt, ist aber auch so schon bemerkenswert, wie detailliert die Informationen um das "neue Gutachten" mit dem Zweck, "die AfD zur gesichert extremistischen Bestrebung hochstufen", aus den Geheimschutzanlagen des BfV sprudeln.

Auch unter Thomas Haldenwang, dem seit fünf Jahren amtierenden Chef des zivilen und nur für das Inland zuständigen Nachrichtendienst des Bundes, bleibt die Behörde mit Hauptsitz in Köln-Chorweiler ihrem Ruf treu. Immer schon hat der Verfassungsschutz versagt, die darauffolgenden Krisen aber bei bester Gesundheit überstanden. 

Vom Abhören des Kanzlerinnentelefons bekamen die Schlapphüte so wenig mit wie von den Mordausflügen des NSU, das Entstehen von Pegida kam für Schild und schwer der Verfassungsordnung vollkommen überraschend und über die Existenz von National-befreiten Zonen in den verlassenen weiten Dunkeldeutschlands musste seinerzeit der emeritierte Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye die zu Fußball-Weltmeisterschaft 2006 anreisenden Besucher aus aller Welt informieren. Das BfV wusste nichts.

Bundesamt für Verdrängung

"Bundesamt für Verdrängung" nennen sie die dem jeweiligen Innenminister unterstellte Nachfolgeorganisation des Reichskommissars für Überwachung der öffentlichen Ordnung, der in der Weimarer Republik ebenfalls ohne polizeilichen Befugnisse und vollkommen erfolglos bei der Nachrichtengewinnung über verfassungsfeindliche Bestrebungen agiert hatte. 

So wie es der Verfassungsschutz seinerzeit verabsäumte, Fußballfans mit "anderer Hautfarbe" (Heye) aus dem Ausland vor Besuchen in Brandenburg zu warnen, obwohl sie Orte dort "möglicherweise lebend nicht mehr verlassen" hätten, ignorierte der Verfassungsschutz zuletzt sogar das sogenannte "Geheimtreffen gegen Deutschland" (Correktiv): Von den Plänen zu Remigration und schneller Abschiebung in großem Stil  hatten die Schlapphüte nichts mitbekommen, bis es die Spatzen am Mitte Januar von den Dächern pfiffen.

Nie nichts wissen

Das ist Tradition in einer Behörde. Der Bundesverfassungsschutz hat bis heute von Nordstream nichts gewusst, nichts von den Terrorplänen Anis Amris, nicht von den russlandfreundlichen Umtrieben der SPD in Mecklenburg oder gar von der viele Jahre andauernden Unterwanderung der Bundespolitik durch russische Lobbyisten, die Deutschland von Kreml-Gas abhängig machten, die Verteidigungsfähigkeiten des Landes ruinierten und Ermahnungen des US-Präsidenten zu mehr Investitionen in die eigene Resilienz mit gezielten Angriffen auf die Schutzmacht jenseits des Atlantik beantwortete.  

Beobachter halten das längst für typisch für ein Haus, in dem nicht einmal ein mittlerweile als Rechtsextremist aktenkundiger "Schläfer" entdeckt wurde, obwohl er jahrelang als Chef der Behörde diente und der heutige Präsident direkt unter ihm. Konsequenzen hatte die endlose Kette an Totalversagen nie: Die von Freunden abgehörte Bundeskanzlerin verzieh dem Verfassungsschutz, dass der nichts hatte ahnen können. Die Medien verzichteten nach NSU, nach Amri, nach Pegida und auch nach dem Bekanntwerden der Verstrickungen der deutschen Sozialdemokratie und etlicher Christdemokraten in die Pläne des Despoten von Moskau zur Abhängigmachung Deutschlands auf jedes Scherbengericht samt Forderung nach personellen Konsequenzen.

Geheimdienst als offenes Buch

Doch wie geheim ist ein Geheimdienst, vor dem zwar alles geheim bleibt, der selbst aber transparent ist wie ein offenes Buch?  Der aktuelle Leak zur geplanten "Massendatenauswertung von Internetinhalten", die nach einer Handhabe durchsucht werden sollen, um beispielsweise "Kontaktlisten und Beziehungsgeflechte bei Facebook" zu nutzen, um die gesamte AfD als gesichert extremistische Bestrebung einzustufen, wirft Fragen nach Deutschlands Sicherheit auf. 

Wenn eine von der Medienkrise geschüttelte und gebeutelte Tageszeitung, die heute nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, Zugang zu "internen E-Mails und Vermerken des Inlandsgeheimdienstes" hat, wer liest sonst noch alles mit, was insgeheim getan wird, um die Verfassung zu schützen? Wenn Journalisten wissen, dass "ein Team des Bundesamts schon seit Monaten daran sitzt, ein neues Gutachten zur AfD zu erstellen" und nun nur noch abwarten, wie eine im März bevorstehende Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster ausgeht, wo die Partei gegen ihre Beobachtung klagt, wo überall sonst kennen Organisationen, Parteivorstände, Medienarbeiter und ausländische Agenten die genauen Pläne, Abläufe und Strategien, nach denen der Verfassungsschutz vorgeht?

Die Süddeutsche weiß alles

Eigenen Angaben zufolge verfügt die Süddeutsche Zeitung über den Zugang zu internen E-Mails des Bundesamts von März 2023 an. Auch ein aus dem April 2023 stammender "erster Entwurf einer Gliederung" des geplanten Urteils liegt der Redaktion eigenen Angaben zufolge vor. Das Dokument liste die schon bekannte Kritik des Verfassungsschutzes an Rassismus und Autoritarismus in der AfD auf, enthalte aber auch den neuen Punkt "Verhältnis zu Russland", der intern als wirkmächtiges Argument gilt, aber auch Ängste schürt, dass andere Parteien ähnlich ins Visier geraten könnten. 

Minutiös ist die SZ über den Zeitplan informiert, den Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (CDU) und dessen Stellvertreter Sinan Selen abgesegnet hätten: Der Ausgang des Berufungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster solle vorsichtshalber erst noch abgewartet werden. Danach erst könne das "Koordinierungsteam" (SZ), das mit der sogenannten Bearbeitung der AfD befasst ist, den Verdachtsfall offiziell ausrufen.

Mittwoch, 28. Februar 2024

Ex und Hopp: Terroralumni aus Kreuzberg

Nie mutmaßlich, aber je nach Bereitschaft zur Vergebung "Ex": Daniela Klette.

Ein unauffälliges Mietshaus in Berlin-Kreuzberg. Eine ältere Frau. Eine Spur in eine blutige Vergangenheit. Sondereinsatzkommando. Dann wird die seit mehr als 30 Jahren gesuchte RAF-Terroristin Daniela Klette festgenommen. Zielfahnder waren der Rentnerin aus Karlsruhe auf die Spur gekommen. Zusammen mit Burkhard Garweg (55) und Ernst-Volker Staub (69) war Klette eines der letzten namentlich bekannten Mitglieder der Terrorgruppe RAF, die als Angehörige der dritten Generation der "Rote Armee Fraktion" bis 1998 Sprengstoffanschläge und Mordanschläge verübte, ehe sie sich auf Banküberfälle verlegte, die nicht mehr politischen Zwecken, sondern nur noch der Finanzierung des eigenen Lebensunterhaltes dienten.

Erster Erfolg seit Bad Kleinen

Wie genau der erste Erfolg im Kampf gegen den linken Terror seit dem Desaster von Bad Kleinen vor fast 31 Jahren zu bewerten ist, muss allerdings noch ausgehandelt werden. Auffällig bei den Meldungen über das Ende der Fahndung nach Klette ist die Wortwahl: Für einen Teil der Medien handelt es sich bei der 65-Jährigen um eine "frühere RAF-Terroristin"

Der andere Teil hingegen bezeichnet sie als "RAF-Terroristin", geht also offenbar davon aus, dass das niedersächsische LKA nicht auf der Suche nach einer mutmaßlichen Kriminellen war, die ihre terroristische Tätigkeit mit dem Eintritt in den Ruhestand eingestellt hat. Und aus Respekt vor der sogenannten Selbstauflösung der RAF deswegen nicht mehr behelligt werden müsste. 

Riss durch die Landschaft

Der Riss geht quer durch die Landschaft, er teilt bemerkenswerterweise eher linke deutlich von eher rechten Medienhäusern. Für den "Spiegel" und die "Zeit" ist Klette eine "ehemalige" Terroristin, für die Süddeutsche Zeitung eine "Ex-Terroristin", auch die Taz nennt sie selbstverständlich so, Arm in Arm mit der "Tagesschau"

Unversöhnlich dagegen geben sich der "Focus", n-tv, die "Welt" und das ZDF. Die ehemals streng konservative FAZ hält es wie die Nachrichtenagentur DPA: Klette ist hier sowohl "Terroristin" als auch "ehemalige Terroristin". Die beiden noch zur Fahndung ausgeschriebenen Verdächtigen für die zehn Morde, die die RAF zwischen 1985 und 1993 beging, werden als "Mitstreiter" (FAZ) bezeichnet, die weiterhin "im Untergrund" lebten.

Ex und hopp

Das "mutmaßlich", das in einer längst vergangenen Vergangenheit unumgänglich gewesen wäre, wenn es um Verdachtsberichterstattung geht, fällt überall weg. In Zeiten, in denen ein Verhalten legal sein und trotzdem das Staatswohl gefährden kann, so dass es schon weit vor der Strafbarkeitsgrenze verfolgt werden muss, wollen die einen nicht vergeben, die anderen aber gern vergessen. Der deutsche Herbst, die Morde an Unschuldigen, Entführungen, der "Krieg gegen den Staat", alles ist so lange her, dass das Präfix "Ex" genau zu passen scheint. Als habe Klette einen Posten zurückgegeben, als habe sie genug gebüßt, heften sie ihr das "Ex" für "ehemalige" an. "Terrorist" eine Lebensphase wie Langhaariger, DDR-Bürger oder Minister.

Geht auf das Lateinische zurück und später vorbei. "Ex" oder "ehemalig" kann eigentlich nur sein, wer es nicht mehr ist, erstmals verwendet wurde die Vorsilbe nach dem Verbot des Jesuitenordens im Jahr 1773, als ehemalige Ordensbrüder keine mehr waren, sondern Ex-Jesuiten wurden. Umgangssprachlich steht es seitdem für etwas oder jemanden, der eine Funktion verloren hat, den Beruf gewechselt, die Partnerin, den Fußballverein, die Sportart oder die Stadt.

Eigenschaft durch Taten

Nicht Ex dagegen wird, wer keine Angewohnheit ablegt, keine Vorliebe oder Haarfarbe wechselt oder ein Millionenvermögen verliert, sondern eine Eigenschaft durch Taten erworben hat: Der Torschützenkönig des Jahres 1971 wird auch in 550 Jahren noch der Torschützenkönig von 1971 sein und kein "Ex-Torschützenkönig". Ein Mörder bleibt ein Leben lang ein Mörder, selbst wenn er die Strafe für seine Tat verbüßt hat. Und eine mutmaßliche Terroristin ist eine mutmaßliche Terroristin, bis ein Gericht sie freigesprochen oder sie ihre Strafe verbüßt hat.

Nachhilfeunterricht in Mathematik, ein neuer Name, die Wohnhaft in der Sebastianstraße, verschenkte Kekse zu Weihnachten und die "Selbstauflösung" einer informellen Gruppe reichen nicht, um Terroralumni zu werden, selbst wenn die letzten Taten simple Banküberfälle waren, denen die Staatsanwaltschaft eine politische Motivation abspricht. Die Opfer der mutmaßlichen Täter - der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und der Treuhand-Chef, Detlev Karsten Rohwedder - sind immer noch tot und sie bleiben es. 

Einem ihrer mutmaßlichen Mörder das saloppe Kurzwort "Ex" wie einen Orden anzuheften, als sei mit der Erklärung der Mörder, keine mehr begehen zu wollen, alles vergeben, ist ein Versuch, "entsprechende Denk- und Sprachmuster in unserer Sprache einzunisten", wie Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang erst kürzlich gewarnt hat. 

Mutmacher Macron: Marsch auf Moskau

Der letzte Rückzug der Franzosen aus Russland, gemalt von Adolf Northern (1828-1876).

Am frühen Morgen des 23. Juni 1812 schaut sich Napoleon selbst das Ufergelände an der Memel an, das die Grenze zum Zarenreich bildet. Die Armeen des Kaisers sollen den Fluss am nächsten Tag überqueren, um Russland niederzuwerfen. Napoleon ist frohen Mutes. Niemand kann ihm widerstehen. Als der Kaiser der Franzosen die Erkundung beendet hat und zurückgaloppiert, springt ein Hase in seinen Weg. Das erschreckte Pferd bäumt sich auf und wirft seinen Reiter aus dem Sattel. Napoleon stürzt schwer.  

Mutmacher Mali

Doch erst ein halbes Jahr später fällt er. Der Russlandfeldzug des Herrschers über ein beinahe ganz vereintes Europa scheitert wie 211 Jahre später der seines Nachfolgers im afrikanischen Mali. Napoleon verliert allerdings fast eine halbe Million Soldaten, ungleich mehr als Emmanuel Macron bei seiner Opération Serval in Afrika zu beklagen hat.

Für den französischen Präsidenten offenbar ein Mutmacher. Während die USA sich zurückhalten und die Deutschen zögern, hat der 46-Jährige nun als erster westlicher Führer den Einsatz von Bodentruppen der Wertegemeinschaft in der Ukraine ins Gespräch gebracht. Macron schlug einen harten Keil in Putins harten Klotz. Und kündigte an, dass auch die Entsendung westlicher Bodentruppen auf die Schlachtfelder weit im Osten nicht mehr ausgeschlossen sei.

Die Verbündeten reagierten irritiert. Die deutschen Medien fuhren die besten Beschwichtiger auf, um die überraschende Kriegserklärung des Verbündeten in die Tube zurückzudrücken. Das sei alles ganz und gar ausgeschlossen. Der Kanzler habe längst abgelehnt. Boris Pistorius hat auch etwas gesagt.  Allenfalls ohne Schuhe! Selbst Polen, das auch nach dem Regierungswechsel beständig mit den Hufen zu scharren vorgibt, sei gar nicht begeistert.

Erste Reaktionen ohne Washington

Dass Macron ausdrücklich von einer "eigenständigen und souveränen" Entscheidung jedes Landes gesprochen hatte, fiel in jeder Kurzfassung unter den Tisch. Dass Washington nicht allzu begeistert reagierte, meldeten die Blätter in Übersee erst einen Tag nach dem Versuch des "entzauberten Hoffnungsträgers" (Der Spiegel). Vorsichtshalber hatten die deutschen Korrespondenten es vermieden, nachzufragen. Auch bei Joe Biden weiß ja niemand, was als Antwort kommen könnte.

Dass der Franzose an der "roten Linie kratzt" (Merkur), obwohl es für Scholz schon seit mehr als zwei Jahren keine roten Linien mehr gibt, diese aber dann doch, wirkt so schon unabgesprochen, gerade nach "einer Hilfskonferenz für die Ukraine". An der hatten "über 20 Länder" (Tagesschau) oder auch "rund 25 Länder" (ZDF) teilgenommen - genauer weiß man es offenbar nicht. Sicher aber ist, dass zumindest Macron zufolge "auch über den Einsatz von Bodentruppen geredet" wurde. Nur einig war man nicht geworden, nicht einmal über die Frage, ob man die Diskussion zu dieser Frage öffentlich machen sollte oder ob die entsprechenden Gespräche überhaupt stattfanden. 

Alleingang einer Atommacht

Alle fanden nein, Macron fand ja. Europäische Einigkeit, wie eigentlich üblich ist: Engagiert wird so lange an einem Kompromiss verhandelt, bis jeder alles, was er von Anfang an wollte, irgendwo im Kleingedruckten untergebracht hat. Macrons Ansage, dass "nichts ausgeschlossen" sei, "um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern", weshalb bei einem weiterhin ungünstigen - Macron sagt einfach "künftigen" - Kriegsverlauf auch Bodentruppen des Westens in die Schlacht geworfen werden müssten, schreckt das vom letzten Auslandsabenteuer in Afghanistan noch wunde Pazifisten-Deutschland auf. 

In Frankreich, das seine Verbündeten am Hindukusch rechtzeitig im Regen stehen lassen hatte, hat die deutsch-amerikanische Abzugstragödie vom Sommer 2021 keine Spuren hinterlassen. Und als Präsident einer Atommacht, der in Kürze eine Wahl zu gewinnen hat, sucht Macron sein Heil in der Offensive.

Schlecht genug steht es um die Grande Nation. Das Wachstum ist mau, die Staatsschulden haben längst alle eisernen Maastricht-Schuldenregeln zu Staub zerbombt, Marine Le Pens Rassemblement national hat im Vergleich zur letzten Wahl elf Prozent gewonnen und führt nun mit 28 Prozent in den Umfragen. Macrons Renaissance kommt nach einem Verlust von 21,6 Prozent ihrer Wählerstimmen nur noch 17 Prozent. Ein kleiner Ritt Richtung Osten kann da nicht schaden, auch wenn die heldenhaften Forces armées françaises ein erneutes Überqueren des Wasserhindernisses Memel aufgrund der aktuellen Kräfteverhältnisse vermutlich in ähnlichem Zustand wie Napoleons  La Grande Armée beenden würde.

Emmanuels Eskalationsbereitschaft

Der drohende Aufmarsch aber bleibt Macron. Im stahlblauen Mantel, der Blick streng und mit durchgestrecktem Rücken signalisierend, dass Putin trotz der allenfalls tröpfelnden Hilfe aus Paris nicht den Eindruck bekommen soll, dass die Ukraine von ihren westlichen Alliierten im Stich gelassen wird. Zumindest verbal will Macron Eskalationsbereitschaft zeigen, das spart Geld. Nun reden alle über das gebrochene Tabu. Nun sitzen sie im Kreml und fragen sich, wie ratlos die Führer des Westens wohl wirklich sind, zwei Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, historisch also etwa zu einem Zeitpunkt des Kriegsverlaufs kurz nach der alliierten Landung auf Sizilien Ende Juli 1943.

Aus den USA kommt nichts mehr. Aus Deutschland wenig mehr als die berühmten Helme. Frankreich ist raus. Die Polen und die Slowaken ziehen mit der Sammelbüchse um die Welt. "Von einer Million Bomben, die uns die EU versprochen hatte, haben wir nicht die Hälfte, sondern leider nur 30 Prozent bekommen", hat Wolodymyr Selenskyj zuletzt beklagt. 

Deutschlands Militärstratege Anton Hofreiter bedauert das auch. Bis 2025 müsse die Ukraine noch durchhalten, hat das Gründungsmitglied der parlamentarischen Gruppe "Frei fließende Flüsse" gerade erst um mehr Mut gebeten und Resilienz gefordert. "Alles deutet darauf hin, dass der Krieg noch sehr, sehr lange dauern wird."

Fünf unglaubliche Fakten, die Sie über Casinos nicht wussten


Fünf unglaubliche Fakten, die Sie über Casinos nicht wussten

Wenn wir über die Geschichte der Casinos sprechen, gibt es einige lustige Fakten über die Branche, die viele Menschen bis heute nicht kennen. Es gab riesige Gewinne und Verluste in Casinos, und im Laufe der Jahre sind merkwürdige Ereignisse passiert, so wie im Online Casino Liechtenstein.

Casinos wurden in Italien gegründet

Die Geschichte der Casinos beginnt in Italien um das 17. Jahrhundert. Der Begriff Casino leitet sich vom italienischen Wort „casa“ ab, das ein kleines Haus bezeichnet. Ursprünglich handelte es sich bei diesen Einrichtungen nicht um Spielhallen, sondern um Orte für Musik, Zuhören und Tanzen. Die Entwicklung von exklusiven Gesellschaftsclubs zu öffentlichen Spielhallen markiert einen bedeutenden kulturellen Wandel.

Das erste bekannte europäische Glücksspielhaus, das noch nicht als Casino bezeichnet wurde, war das Ridotto, das 1638 in Venedig, Italien, gegründet wurde. Es wurde gegründet, um während der Karnevalszeit ein kontrolliertes Spielumfeld zu schaffen. Diese historische Entwicklung spiegelt wider, wie sich Casinos von bescheidenen sozialen Zentren zu prominenten Unterhaltungs- und Glücksspielzentren entwickelt und soziale und wirtschaftliche Aspekte in verschiedenen Epochen und Kulturen beeinflusst haben.

Größter Spielautomatengewinn von etwa 40 Millionen Dollar

In Casinos gibt es enorme Gewinnmöglichkeiten, die täglich Rekorde schaffen. Es gibt Jackpots, die bis heute lebensveränderndes Geld einbringen. Der größte jemals verzeichnete Spielautomatengewinn wurde in einer der größten Städte der USA erzielt. In Las Vegas, einer Stadt, die für Casinospiele bekannt ist, hat ein Ingenieur, der mit einem Einsatz von 100 Dollar spielte, einen Gesamtgewinn von 39,7 Millionen Dollar erzielt. Dieser Rekord besteht seit über 15 Jahren und ist in der Casinobranche bis heute gültig.

Die Psychologie hinter dem Casinodesign

Das Casinodesign ist eine komplexe Wissenschaft, die darauf abzielt, das Engagement der Spieler und die Spielsitzung in den Casinos zu maximieren. Das Layout ist absichtlich labyrinthartig, so dass es für die Spieler einfach ist, hineinzugehen, aber schwieriger, den Weg hinauszufinden. Dieses Design regt zum Erkunden und zur Beschäftigung mit verschiedenen Spielen an.

Die hellen Lichter und die ständigen Geräusche von Spielautomaten und Jubelrufen sind Teil eines inszenierten Erlebnisses, das die Sinne und Gefühle der Spieler anspricht. Casinos nutzen auch Duftmarketing, bei dem angenehme Düfte in die Luft gepumpt werden, um eine einladende Atmosphäre zu schaffen. Auch das Fehlen von Uhren und natürlichem Licht ist eine strategische Entscheidung, die eine Umgebung schafft, in der die Zeit stillzustehen scheint und die Spieler dazu verleitet, das Zeitgefühl zu verlieren und weiterzuspielen.

Sicherheit und Überwachung

In modernen Spielbanken ist das Ausmaß der Überwachungs- und Sicherheitsmaßnahmen mit dem von Hochsicherheitseinrichtungen vergleichbar. Der Einsatz von hochauflösenden Kameras auf dem gesamten Gelände in Verbindung mit fortschrittlicher Gesichtserkennungstechnologie erleichtert die sofortige Identifizierung und Überwachung jeglicher Aktivitäten. Die in die Spielchips integrierte Radiofrequenz-Identifikationstechnologie dient der Überwachung ihrer Verteilung, wodurch Diebstahl und Fälschungen eingedämmt werden.

Darüber hinaus überprüfen komplexe Softwaresysteme das Spielverhalten, um potenzielle Betrugsfälle zu erkennen. Das umfassend geschulte Sicherheitspersonal ist bestrebt, die Integrität des Spielbetriebs aufrechtzuerhalten und die Kundschaft zu schützen. Diese Sicherheitsprotokolle sind unerlässlich, um den Ruf des Casinos zu wahren und die strengen behördlichen Auflagen zu erfüllen.

Die verborgenen Einnahmen der Casinos

Das Glücksspiel ist zwar nach wie vor die Haupteinnahmequelle der Casinos, doch ihr wirtschaftlicher Einfluss geht weit über die Spieltische hinaus. Moderne Casinos sind vielseitige Unterhaltungskomplexe mit Luxushotels, Restaurants und hochwertigen Einzelhandelsgeschäften. Diese Annehmlichkeiten ziehen nicht nur eine vielfältige Kundschaft an, sondern sie schaffen auch zusätzliche Einnahmequellen. Das Hotel- und Gaststättengewerbe beispielsweise richtet sich an Touristen und Geschäftsreisende und bietet ein luxuriöses Erlebnis, das die Spieleinrichtungen ergänzt.

Das Vorhandensein von Spitzenrestaurants und Einzelhandelsgeschäften erhöht die Anziehungskraft der Casinos und macht sie zu Zielen für ein umfassendes Unterhaltungserlebnis. Darüber hinaus finden in den Casinos häufig Konzerte, Shows und Sportveranstaltungen statt, die Menschen anziehen, die nicht unbedingt am Glücksspiel interessiert sind, aber bereit sind, für andere Formen der Unterhaltung Geld auszugeben. Diese Diversifizierungsstrategie ist von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Casinos.

Dienstag, 27. Februar 2024

NoFake: Medienhaus räumt zu Hause auf

1,33 Millionen Euro lässt sich die Bundesregierung die neue Plattform gegen irreführende Auffassungen kosten.

Start nach Maß für das "Projekt noFake", bei dem sich menschliche und Künstliche Intelligenz gegen sogenannte "Desinformation" zusammentun. Unter der Ägide des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv und Wissenschaftsteams der Ruhr-Universität Bochum sowie der Technischen Universität (TU) Dortmund brauchten die Fake-Bekämpfer nicht lange, um direkt vor der eigenen Haustür fündig zu werden: Der Scharfstart des Unternehmens „noFake“ (Eigenschreibweise) wurde mit umfangreichen Berichtigungen an der eigenen Enthüllungsstory zu den erst im Januar enthüllten Remigrationsplänen des Österreichers Martin Sellner gefeiert.  

Verschwörer am Wannsee

Konsequent und gründlich wurde in der aufsehenerregenden Enthüllung über den "Geheimplan gegen Deutschland" etwa die Formulierung gestrichen, dass es beim Verschwörertreffen unweit des Wannsees um "die Ausweisung von deutschen Staatsbürgern aufgrund ihrer Ethnie" gegangen sei. Zugespitzte Vorwürfe wie der, dass Millionen Menschen wegen „falscher Hautfarbe oder Herkunft“ – also anhand rassistischer Kriterien – vertrieben werden sollen, seien nun nie aufgemacht worden. Es habe sich stets nur um Interpretationen gehandelt, die den "Überzeugungen" der Mitarbeiter des "Medienhauses" zufolge deren "Auffassung" waren und allein als "wertende Schlussfolgerungen" zu betrachten gewesen seien.

Auch wenn die Berichtigungen und Streichungen im Text ohne großes Brimborium erfolgten, hat Correktiv-Chef David Schraven die eigene Betroffenheit selbst doch umfassend und transparent thematisiert: „Bei Correktiv.Faktencheck erleben wir das Problem von Desinformation hautnah", beschreibt er zum Start der neuen Faktencheck-Community, die "Engagement mit professionellen Standards verbinden" wird. Dank "Crowdsourcing" und Künstlicher Intelligenz (KI) will Correktiv künftig weitere Falschmeldungen erkennen und widerlegen.

Neue Fake-Plattform

"Manipulative Falschinformationen untergraben die Demokratie und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt", heißt es dazu in der Ankündigung zum Start des Faktencheck 2.0, an dem "engagierte Bürgerinnen und Bürger" ähnlich wie derzeit bereits beim Hassportal X und dessen Community Notes teilhaben können sollen. Die neue Hass- und Fake-Plattform "CORRECTIV.Faktenforum" (Eigenschreibweise) bringe dazu die "menschliche Intelligenz der Crowdworker mit künstlicher zusammen". 

Ausdrücklich geht es den Initiatoren des weltweit ersten KI-gestützten Falschnachrichten-Assistenzsystems um die "unkontrollierte Verbreitung von Desinformation". Getreu der alten Devise, nichts gegen lange Haare, aber gepflegt müssen sie sein, werden die Arbeitsgruppe Kognitive Signalverarbeitung um Prof. Dr. Dorothea Kolossa und die Arbeitsgruppe Digitale Forensische Linguistik um Prof. Dr. Tatjana Scheffler sich aber auch sogenannte "irreführende Informationen" kümmern, die zwar richtig seien, aber missbräuchlich verbreitet werden. Auch sie stellen demokratische Systeme vor große Herausforderungen, schwächten die faktenbasierte Berichterstattung seriöser Medien und erschwerten es politischen Akteuren, Behörden, Medien und - in genau dieser Reihenfolge - Bürgerinnen und Bürgern, sich ein verlässliches Bild zu machen, was gerade richtig und was falsch sei. 

Feierabendkrieger an der Falschnachrichtenfront

Dass Faktenchecks nicht allein durch Bürgerinnen und Bürger erfolgen können, sondern KI-gestützte Assistenten bei der Erkennung auch schon "potenzieller Falschinformationen" (Correktiv) helfen müssen, erklärt sich durch die akute Gefahr, dass Faktenfeinde sich unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements unter die Wahrheitsprüfer mischen könnten. 

Zwar werden Correktiv-Mitarbeitende Seminare geben, um die Medienkompetenz der Crowdworker zu stärken. Doch ehe einfache Menschen wirklich eigenständig Faktenchecks durchführen und einen gesellschaftlichen Beitrag dazu leisten können, Falschnachrichten nicht weiter zu streuen, braucht viel Nachhilfe in "wissenschaftlichen und ethischen Arbeitsmethoden für fundierte Faktenchecks". Entsprechende Schulungsunterlagen und Lerncurricula werden bereits entwickelt. 

Staatlich seriös finanziert

Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,33 Millionen Euro finanzierten bisher größten deutschen KI-Projekts "KI-unterstütztes Assistenzsystem für die Crowdsourcing-basierte Erkennung von über digitale Plattformen verbreiteter Desinformation (noFake)" ist letztlich eine automatisierte Erkennung von  Desinformation. Große Datenmengen werden von Algorithmen gesichtet und sortiert, verdächtig erscheinendes Meinungsmaterial wird markiert, seine Verbreitungswege werden eruiert und geschlossen.  Hier sind allerdings in Zusammenarbeit mit dem Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin offenbar noch letzte rechtliche Fragen in Bezug auf die Wahrung der Meinungs- und Pressefreiheit während der Durchführung der Maßnahmen zu ihrer Einschränkung zu klären.

Die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Behauptung als "Fakt" im Netz belassen oder als "Desinformation" gemeldet und gelöscht werden, wollen die staatlichen Fake-Expert*innen "immer bei den menschlichen Nutzern und Nutzerinnen" belassen. Mit der richtigen Ausbildung und Einstellung könne das gelingen. "Wichtig ist dafür besonders, dass unsere KI-Methoden transparent und ihre Entscheidungen gut nachvollziehbar sind."

Omas raus: Reich ins Heim

Oma muss Platz machen für Menschen, die große Wohnungen in zentraler Lage dringender brauchen.

Sie sind alt, sie sind ohnehin nicht mehr lange da, oft widersprechen ihre Ansichten auch allem, was richtig und wichtig ist in einer Zeit, in der Menschen zusammenrücken, und das nicht nur, wenn sie gegen rechts auf die Straße gehen, sondern auch, weil es vor allem in den boomenden Großstädten des kriselnden Landes an allen Ecken und Enden an großen, zentral gelegenen, modernen und bezahlbaren Wohnungen fehlt. Die Not ist groß, inzwischen sogar schon die Not, passende Erklärungen zu finden, ohne auf bestimmte Einflussgrößen zu sprechen zu kommen.

Störfaktor alte Leute

Alte Leute haben sich zuletzt zunehmend als gesellschaftliche Hemmschuhe herausgestellt. Meist säen sie nicht mehr, sie ernten aber kaltblütig und rücksichtslos. Oft leben sie in "spätrömischer Dekadenz" (Guido Westerwelle)  von Renten, die nachkommenden Generationen erarbeiten müssen. Und selbstbewusst, als seien sie es gewesen, die Deutschland nach Krieg und Finanzkrise wiederaufgebaut haben, verlangen sie, dass bei Klimaschutz und ökologischer Transformation gefälligst Rücksicht auf ihre Belange genommen werden müsse, statt sozial- und klimaverträglich früh abzuleben

Die Alten und Älteren haben die Gesellschaft in Geiselhaft genommen. Ihre kruden Vorstellungen von Wohlstand und gesellschaftlichem Frieden blockieren einerseits den notwendigen raschen Fortschritt. Andererseits sind es diese Menschen, die als gesellschaftliche Gruppe davon profitieren, dass die hochfliegenden Wohnungsbauprogramme einer Vielzahl von Bundesregierungen bisher noch nicht ausreichend Raum greifen konnten. 

Statt im Keller

Weder die auf Discountern, über Gleisen und Parkplätzen geplanten drei Millionen Wohnungen konnten bisher entstehen. Noch die in den Kellern von fast allen 18,95 Millionen Wohngebäuden in Deutschland, unter Fabriken, Bürohochhäusern und Behördensitzen ausgemachten Platzreserven gehoben werden. Das Ziel, mit dem Wohnungsbauprogramm 400.000 neue Wohnungen im Jahr zu schaffen, hat die Ampelkoalition bisher in keinem Jahr erreicht. Sie steht damit in einer langen Tradition - auch den Vorgängerkoalitionen gelang es nie, die Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem so wirksam anzugehen wie das noch die Regierung Honecker zwischen Mitte der 70er und Ende der 80er Jahre getan hatte.

Immer war anderes wichtig, immer gab es aber auch ausreichend Ausreden. Zuletzt ließ Bundesbauministerin Klara Geywitz erkennen, dass sie erneut "optimistisch für dieses Jahr" sei. Ein bekanntes Rezept im unmittelbaren Krisenmanagement. Rein rechnerisch hilft ein ehrliches Eingeständnis verfehlter Ziele, ein Thema etwa vier bis sechs Monate zu begraben. Durch die Ausrufung sogenannter "ehrgeiziger" neuer Ziele lassen sich dann in der Regel weitere drei bis fünf Monate gewinnen.

Gegen den alten Wohnadel

In der Zwischenzeit sorgen Freiwillige dafür, dass die wahren Schuldigen nicht ungeschoren davonkommen. So hat die Süddeutsche Zeitung den alten Wohnadel aus den Zeiten, als Deutschland noch kaum mehr als 81 Millionen Einwohner hatte, als verantwortlich für Wohnungsmangel, hohe Mieten und lange Schlangen bei Neuvermietungen in den Bionadevierteln der Republik ausgemacht. gerade dort lebten "ältere Menschen leben oft allein in vier Zimmern", draußen in den Speckgürteln sogar "in Einfamilienhäusern", so das Blatt, das in Sachen Regierungsunterstützung seit seiner kruden Kampagne gegen Außenministerin Annalena Baerbock einiges gutzumachen hat.

Statt sich im "diskursschädlichem Herdenverhalten" (SZ) zu üben und ins laute Wehklagen der "ruchlosen" (SZ) Gestalten einzustimmen, die die Verantwortlichen in der Bundesregierung für alles verantwortlich machen, ist die Redaktion in der einstmaligen Hauptstadt der Bewegung selbst auf die Suche nach Lösungsmöglichkeiten gegangen. Und auf eine ganz einfache Maßnahme gestoßen: "Oma soll umziehen", raus aus der großen Altbauwohnung mit Parkett, Salon und Bad mit Fenster, rein in irgendetwas kleines, ein Einzimmerappartment oder eine Kammer in einem Heim. 

Die Wohnungsnot wäre dann besser verteilt, das Land ein Stück gerechter. Und, das hat die Jugendbewegung "Fridays for Future" schon vor Jahren festgestellt: "Die Großeltern sind doch eh bald nicht mehr dabei". Nötig wären den "paar Vorschlägen" (SZ) der freiwilligen Helfer der Mietpolizei zufolge ein paar entscheidende Maßnahmen, um zu verhindern, dass "eine Bevölkerungsgruppe so lebt, wie sie will, auch wenn sie damit einer anderen schadet" (SZ). Auf großem Fuß, zu niedriger Miete, auf mehr Quadratmetern pro Person als selbst ein Minister Bürofläche hat.

Gesammelter Plunder auf zu viel Platz

Und wofür? Um den in einem langen Leben gesammelten Plunder stapeln zu können - nach Zahlen des Statistischen Bundesamts auf mindestens 100 Quadratmetern bei einem Drittel der Alten, auf 83 Quadratmetern im Durchschnitt. Das sind 51 Quadratmeter mehr, als junge Familien pro Kopf zur Verfügung haben, die den Platz viel dringender bräuchten. Höchste Zeit, dass die Alten nicht mehr in ihren Wohnungen wohnen bleiben dürfen, wenn ihr Partner gestorben ist oder sie sich spät im Leben doch noch getrennt haben.

Die derzeitige Praxis des lebenslangen Wohnrechts "verknappt den Markt für junge Familien" (SZ), sie lässt die Mieten steigen, weil die Nachfrage auf immer weniger Angebot trifft. Da noch nicht aufgehobene Grundrechte einer Umsiedlung im Interesse des Kollektivs vorerst noch entgegenstehen, schlägt die Münchner Redaktion die Einführung einer "Alleinwohnsteuer" vor. Sie könne mit sanften, aber zunehmendem Druck dafür sorgen, dass zumindest die weniger Begüterten unter den Zugroßwohnern die Waffen strecken und ihre letzten Tage lieber in einem günstigen Kämmerlein zubringen als den letzten Cent für Miete und Quadratmetersteuer auszugeben.

Eine menschenrechtskonforme Lösung, die darauf verzichtet, allzu enge staatliche Vorgaben zu machen oder gar deutsche Staatsbürger*innen in Kleinstwohnungen in billigen Außenbezirken zu deportieren. Dennoch dürfte sie wirken: Oma raus, Gerechtigkeit rein.

Montag, 26. Februar 2024

Verrat am Staat: Trübes Wasser auf üble Mühlen

Das ZDF fährt auf der populistischen Schiene und gibt denen eine Plattform, die alles schlecht reden.

Sie leugnen, dass die Rezession nur ein Luftholen ist. Sie bestreiten, dass die Perspektiven für die deutsche Wirtschaft hervorragend sind. Ihnen ist egal, dass all das Flauten-Gejammer nur denen nützt, die davon profitieren. Sie reden die Wirtschaft schlecht, beschuldigen die EU-Kommission, systematisch jeden Fortschritt unter dicken Lagen von bürokratischen Vorschriften zu ersticken, bezeichnen reguläre Sondervermögen als Schulden und das vom Bundeskanzler angekündigte neue Wirtschaftswunder als Fata Morgana. Und wenn das Übermaß an Negativ-Propaganda dann bei den Menschen draußen im Lande verfängt, nutzen sie auch das wieder, um die zuständigen staatlichen Organe verfassungsfeindlich zu delegimieren.

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl deckt auf, wem Gejammer und Untergangsgerede sehr gut ins Konzept passen.  

Typische Masche

Svenja Prantl zweifelt an der Solidarität
Lange war dieses typische Vorgehen die Masche von in Teilen als nachgewiesen rechtsextremistisch anerkannten Parteien und Organisationen, denen es darum ging, die Glaubwürdigkeit von Regierungsentscheidungen in Zweifel zu ziehen, nur weil deren Grundausrichtung sich gelegentlich entscheiden änderte. Neuerdings aber zieht dieser verhängnisvolle Geist des Unglaubens offenbar auch in die traditionellen Festungen der Verteidiger der jeweiligen Tageswahrheit ein. Der "Spiegel" kritisiert die FDP, aber auch die Grünen, wenn die SPD sie kritisiert. Die überaus verlässliche "Zeit" versteigt sich dazu, ein trübes Licht auf den Kanzler selbst zu werfen. Die direkt von Finanzierungsentscheidungen der Politik abhängige "Tagesschau" maßt sich an, den Bundeskanzler "Fehler" einräumen zu lassen.

Ein Trend, der darauf zielt, eine vermeintliche Unzufriedenheit im Land im Auftrag Russlands als trübes Wasser auf die eigenen Mühlen zu leiten. Hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung ihres "Aktionsprogramms gegen Rechtsextremismus" noch gehofft, mit markigen Ankündigungen wie der, dass "diejenigen, die den Staat verhöhnen, es mit einem starken Staat zu tun bekommen" werden, Abschreckung genug betrieben zu heben, weil sich nun jedermann genau überlegen werde, was er noch sagen dürfe, spricht der Eindruck seitdem klar dagegen. 

Außer Rand und Band

Die Disziplin ist weg, die Medienbranche wirkt wie außer Rand und Band. Die Frankfurter Rundschau bezeichnet die deutsche Unabhängigkeitserklärung der Ampel gegenüber russischer Energie als Märchen. Die "Tagesschau" mäkelt am Tempo der Transformation in der Verwaltung herum. Das ZDF kritisiert sogar die EU, die im AfD-Sprech als "teurer Wanderzirkus" ausgeschmiert wird. Selbst die "Zeit" bietet regierungsinternen Meckerern Platz, um Quote zu machen. Und die Süddeutsche Zeitung fordert von der Koalition härtere Regeln, um im Kampf gegen den Wohnungsmangel Ältere in kleinere Behausungen umzusiedeln.

Es scheint Mode geworden zu sein, auf Steuererleichterungen für die Reichen und multinationale Unternehmen zu pochen, über hohe Energiepreise und steigende Insolvenzzahlen zu jammern oder sogar in den Chor einzustimmen, der Sozialkürzungen als unausweichlich ansieht. Nur weil die Konjunktur "schwächelt" (DPA), soll plötzlich nichts mehr richtig gewesen sein, was die rot-grün-gelbe Koalition an Reformschritten angeschoben hat. Die Bürger gäben Hunderte Milliarden Euro zu wenig aus, die Wirtschaft "dümpele" (Taz) und auch die Klimaziele würden trotzdem nicht erreicht. 

Immer noch recht stark

Obwohl klar ist, dass das Schlechtreden des Standorts nur der AfD nützt, ist der Verzicht auf die üblichen Euphemismen augenfällig. Dabei geben die Zahlen das keineswegs her. Deutschland verzeichnet immer noch einen satten Exportüberschuss von 4,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, umgerechnet 200 Milliarden Euro, wenn auch nur, weil weniger importiert wird. Deutschland hat auch immer noch annähernd Vollbeschäftigung, weil die Ampel mit einer großen Einstellungsoffensive  rechtzeitig Vorsorge getroffen hat. 

Der "starke Staat", den Nancy Faeser zur Verteidigung vor Standortleugner und Verhöhnern gefordert hat, begegnet seinen Bürgerinnen und Bürgern jeden Tag: Er baut neue Behörden und Ämter und gründet "Früherkennungseinheiten"  und Nationale IT-Lagezentren,  eine verspätete Realisierung von Thomas de Maizieres Idee einer "Cyberfeuerwehr" (®© BWHF)

Jetzt zu sparen, nur weil es an Geld fehlt, wäre ein kapitaler Fehler. Für die Reichen wäre es beispielsweise ein dickes Geschenk, wenn der Rest-Soli gestrichen würde. Die zwölf Milliarden Euro kann der Staat sicher besser gebrauchen als irgendwelche Privatleute. Auch die Steuersenkungspläne der Union, wie immer als Wahlkampfköder ausgelegt, schaden mehr als sie nützen. Ob nun 28,3 Prozent wie jetzt oder 25 - die zehn Milliarden Euro im Jahr, um die es da geht, reißen ein Loch in den Staatshaushalt, der heute schon mit nur 916 Milliarden Euro Steuereinnahmen auskommen muss. Für die ohnehin reichen Unternehmer aber wären es nur ein paar Euro mehr, die sie anstrengungslos einheimsen könnten.

Kein Anlass für Stimmung

Dass die Stimmung schlecht ist, obwohl die Lage dafür noch längst keinen Anlass bietet, begreifen immer mehr Medien offenbar als Freibrief dafür, trotz engster fiskalischer Spielräume über eine verfahrene Situation zu klagen, "Führung" zu fordern und den Solidaritätsvertag zwischen Regierung und regierungsnahen Medien aufzukündigen. Außer Zweifel steht, dass es "keine Haushaltsposten gibt, an denen der Staat signifikant sparen könnte" (Ulrike Herrmann), denn alles "reicht nur knapp, um über die Runden zu kommen". Wenn aber dann selbst das ZDF-Polit-Barometer Stimmungen schürt, indem es Umfrageergebnisse präsentiert, denen zufolge nur noch zehn Prozent der Bürger die Wirtschaftslage für gut halten und 69 Prozent sie immer schlechter werden sehen, macht das etwas mit Land und Leuten.

Ja, es kommt offenem Verrat gleich. Wirtschaftsminister Robert ­Habeck hat mehrfach deutlich gemacht, dass es nicht möglich ist, in den staatlichen Haushalten zu ­kürzen. Und die einzige Möglichkeit, sich um die leidige Schuldenbremse herumzudrücken, sind eben schuldenfinanziertes Sondervermögen, die heutige Lasten auf kommende Generation überwälzen. Freilich werden 100 Milliarden Euro diesmal nicht reichen. Die Inflation hat allein in den zurückliegenden zwei Jahren rund 15 Prozent des Geldwertes der 100 Bundeswehr-Milliarden aufgezehrt, so dass die Bundesregierung allein hier schon einen kräftigen Schluck nachschenken müsste, weil sie viel zu zaghaft zur Sache geschritten ist. 

Sonst wird es teuer

Die 300, 400 oder 800 Milliarden, die Robert Habeck vorgeschlagen hat, wären das Mindeste. Und es würde ja investiert -in den Klimaschutz, den Konsum, den Krieg, in moderne Waffen, Wasserstoff und  Wählerstimmen. Und darum geht es: Noch vor den anstehenden Wahlen muss es Regierung und Medien gelingen, Tatendrang zu zeigen und Handlungsfähigkeit zu simulieren. Sonst "setzt sich der Eindruck fest, dass die da oben unfähig sind" (Ulrike Herrmann). Ja, schuldenfinanzierte Geschenkprogramme sind kostspielig. Aber bleiben sie weiterhin aus, wird es eines Tages wirklich teuer werden.

Politisches Grundtalent: Schnell mal die Gefühle wechseln

Emilia Fester scheiterte einst an der Schauspielschule, zeigt aber heute im Bundestag, welches Talent sie hat: Gerade tanzt sie glücklich über die Drogenfreigabe durch das Hohe Haus, schon weint sie im Kostüm einer Kriegerwitwe heiße Tränen überf die Lage an der Ostfront.

Glück und Trauer, Wut und Scham und höchste Wonnen, sie liegen nirgendwo so doch beieinander wie im politischen Berlin. Legende sind die vor Mitgefühl zitternden Twitter-Einträge, die die diensthabenden Sockenpuppen der früheren Kanzlerin und ihres einstmaligen Außenministernden nach grausigen Terroranschlägen im Netz verklappten, Buchstabenfolgen aus den Tiefen des Herzens der am schlimmsten Betroffenen, erstellt nach dem Baukastenprinzip und, einmal für gut befunden, immer wieder gern genutzt.  

Nachrichten aus der Heuchelmaschine

Entsetzen und Mitgefühl speisten sie in die Heuchelmaschine der politischen Beileidsproduktion. Zuweilen setzten sie sich sogar selbst in Bewegung, um ihre Krokodilstränen im Kollektiv zu weinen. Die oft als "Lügenpresse" angegriffenen freien Medien dienten in solchen Momenten als begeisterte Verteilstationen der Bilder und Filmschnipsel von inszenierten Aufmärschen. Jederzeit zitierbereit tragen sie auch noch das gellendste Geheuchel in die Öffentlichkeit. 

2017 etwa zitierte Ralf Stegner, das schärfste Schwert der SPD im Meinungskampf, den sich langsam warmlaufenden Kanzler Martin Schulz, als der sich nach einem Terroranschlag wieder einmal von jedem Terror distanzierte: "Geschockt und wütend über Nachrichten aus Barcelona. Ein feiger Anschlag auf unsere Werte! Meine Gedanken sind bei Opfern und Angehörigen". Schulz wiederum hatte sich selbst mit dem Satz, den er bei jeder Terror- und Tod-Gelegenheit ehrlich betroffen zu nutzen pflegte: Geschockt und wütend. Feiger Anschlag. Gedanken bei usw.

Auf Knopfdruck umschalten

Gewöhnliche Menschen staunen oft, wie sich die am schlimmsten Betroffenen, Geschockten und Wütenden nur Stunden später wie verwandelt zeigen. Die führendsten Mitglieder der Trauergemeinde - ehemals Martin Schulz, aber auch Angela Merkel, Heiko Maas, der später brutal aussortierte Innenminister Thomas de Maiziere und der aufgrund seiner vielfältigen Talente bis heute überlebende Bundespräsident Walter Steinmeier - sind in der Lage, "unsere Gedanken und unser Mitgefühl", die sich eben noch "bei den Opfern und deren Angehörigen" aufhielten, wie mit einem Knopfdruck umzuschalten. Gut gelaunt arbeiten sie sich dann durch Schnittchentermine, aufgeräumt freuen sie sich über Filmpreisverleihungen, blitzende Orden, neue Fabriken und Autobahnabschnitte.

Alles ist echt, nichts ist gestellt. Wenn auch Normalbürgerinnen und Normalbürger kaum verstehen könne, wie echte Politikprofis ihre tiefe persönliche Anteilnahme und ihre umfassende emotionale Betroffenheit ein- und ausschalten können wie ein Nachtlicht, gehört diese Fähigkeit doch zur Innenausstattung jedes nach Höherem strebenden Politikprofis. 

Wer dort hoch will, wo die Luft dünn und die Zeit knapp ist, muss das können. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz beklagten zwar alle Angereisten den hohen Blutzoll, den Ukraine nach dem russischen Überfall zu zahlen. Zeit für lustige Fotos an der Heimatfront aber blieb dennoch. Großes Gelächter. Frauenpower. Klassenfahrtstimmung mitten im Krieg.

Härter als der Rest

Ohne große Umschaltpausen gilt es, glaubhaft vermitteln zu können, dass ein Terroranschlag, ein frisch ausgebrochener Krieg oder eine wegen des Klimawandels so verheerenden Naturkatastrophe einen selbst härter mitnimmt als jeden anderen. Nur Minuten später und oft ohne Kostümwechsel heißt es, sich der nächsten Tagesaufgabe widmen und freudestrahlend ein aussterbendes Tier taufen, einen  Kindergarten einweihen oder zufrieden einen Liefervertrag über Milliarden Tonnen klimazerstörendes fossiles Vernichtungsgas unterschreiben.

Emilia Fester, Mitte 20 und doch schon drei Jahre Mitglied der grünen Bundestagsfraktion, hat für ihre follower in den Hassnetzen eben eine Lehrvorführung gestartet, in der sie detailverliebt zeigt, wie sich überschäumende Freude angesichts der bevorstehenden Freigabe von "Bubatz" (Fester) hüftsteif in die welt tanzen lässt, Ehe dann schlagartig Trauer, Wut und Scham angesichts des Menschheitstragödie, die seit zwei Jahren in der Ukraine abläuft, jedes Lächeln aus dem Gesicht wischen müssen. Emilia Fester, die sich selbst "Milla" nennt, spielt nun nicht mehr die angeturnte Tänzerin im Drogensturm, sondern eine imponierend depressive Kriegerwitwe, die sich kraftlos an eine Wand lehnen muss und kein Wort mehr hervorbringt.

Es fehlen die Tränen

Fester zeigt hier, dass sie das zweifellos über das vielleicht wichtigste politische Grundtalent verfügt. Ohne vor Scham rot zu werden, gelingt es ihr, die Gefühle umstandslos zu wechseln, sobald sie einen Bedarf erkennt. Geschult am großen Vorbildern, zu denen zweifellos auch die parteieigenen Emotionsführer Annalena Baerbock, Claudia Roth, Robert Habeck und Ricarda Land gehören, heuchelt die Tochter eines Schauspielerehepaars aus Hildesheim zwar noch etwas hölzern. Fester tanzt flüssig, ihr Blick aber meidet die Kamera. Bei ihrem Witwenauftritt hingegen fehlen die Tränen und die feinen Züge der Wahlhamburgerin vermögen es nicht gänzlich, den ganzen Schrecken der Situation nach dem russischen Überfall widerzuspiegeln.

Die Inszenierungen aber, von der während ihrer kurzen beruflichen Laufbahn als freischaffende Regieassistentin im Kinder- und Jugendtheater tätigen Abgeordneten selbst geplant und umgesetzt, stimmen. Auch die Auftritte Festers sind aller Ehren wert, ohne Drehbuch abgedreht, mehr "Berlinale"-Film als Kinokassenknalle. Doch dass die Hochschule für Musik und Theater Hamburg Fester vor Jahren einen Studienplatz verweigerte, scheint eine Fehlentscheidung gewesen zu sein. 

Die Bi-Parlamentarierin

Der Grünen, zu deren großen Leistungen es gehört, einst nicht nur die jüngste Bundestagsabgeordnete gewesen zu sein, sondern später knapp hinter Parteichefin Ricarda Lang acuh noch als zweite bekennende Bi-Parlamentarierin aktenkundig zu werden, gelingt es, im Handumdrehen von lustig auf depressiv umzuschalten. Das desorientierte Drogenopfer, ungelenk hüpfend zur Musik eines "Murder"-Hits aus der Zeit, als in "Jim Knopf" noch das N-Wort vorkam, spielt die als Günstling des ehemaligen grünen Hamburger Justizsenators Till Steffen in die Bundespolitik aufgestiegene Abiturientin mit der gleichen Überzeugungskraft wie die von Bombenterror, Munitionsmangel und der hoffnungslosen Lage an der Ostfront zum Schweigen gezwungene wehrhafte Witwe.

Sonntag, 25. Februar 2024

Zitate zur Zeit: Helfershelfer der Höllenfahrt

Es hilft nicht, den Lautsprecher immer weiter aufzudrehen, wenn man die falsche Botschaft hat.

Robert von Loewenstern beschreibt die Fehler der wichtigsten Helfer des Rechtsrutsches

SWR-Statistik: So sehen Umfragesieger aus

Grafik ist Waffe im Kampf um die Köpfe. Zuweilen können nur falsche Darstellungen die richtige Botschaft transportieren.

Wer mit der Wahrheit lügen will, mit reinen, puren, ungeschminkten Fakten Meinung machen und dabei nicht erwischt werden, dem rät das Lehrbuch des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit" Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren, den Kontext von Nachrichten wegzulassen, in Grafiken zeichnerisch Wertungen zu setzen, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben. Doch nicht immer gibt die Wirklichkeit genug Material her, um mit kleinen Änderungen ausreichend Wirkung zu erzielen.

Ohne Bezug zur Realität

In der Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM) des ZDF lernen junge Propagandisten und Agitateure deshalb, störende Einzelheiten auszublenden und mit dem zu arbeiten, was nicht da ist. Fehlende Fakten werden durch richtige Botschaften ersetzt, an die Stelle von Nachrichten, die Teile der Bevölkerung beunruhigen könnten, treten Scheininformationen, die schnurstracks in die Irre führen. Echten Experten gelingt es sogar, mit sogenannten Faktenchecks jeden Bezug zwischen Realität und Verzerrung aufzulösen.

Eine Praxis, die wie jedes andere Erfolgsrezept im medialen Raum längst Schule gemacht hat. Wie das ZDF besitzt auch die ARD eine hochkarätig besetzte Abteilung für interpretative Information (AII), der "Spiegel", die "SZ" und andere "private Medienheuschrecken" (ARD) versuchen im Moment, mit Hilfe von Kümmerlicher Intelligenz (KI) ähnlich heilsam und befriedend auf die Situation einzuwirken. 

In prächtigen Studiopalästen

Nicht gänzlich außen vor bleiben freilich die Dritten Programme des Gemeinsinnfunks: In den Sendeanstalten draußen im Land, in den kleinen Städten und Dörfern, wo nach dem Willen der Politik in den zurückliegenden Jahrzehnten für jeden Landesfürsten und jede mitregierende Partei prächtige Studiopaläste errichtet wurden, wird die Basis für den Erfolg der Grundlage bei der Umsetzung der anstehenden Transformationsaufgaben gelegt. Dazu muss vor allem Stabilität behauptet werden.

Als der Südwestrundfunk, die bescheidene Landesrundfunkanstalt für die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit funkelnden Funkhaus-Sitzen in Baden-Baden, Mainz und Stuttgart, sich jetzt mit der Tatsache konfrontiert sah, dass die Umfragewerte der AfD selbst in den Wohlstandsgebieten der Republik fast beängstigend ostdeutsche Höhen erreichen, besann sich die zuständige Redaktion "Zur Sache" gerade noch rechtzeitig auf die umfassenden Möglichkeiten der Deutungshoheit, die Artikel 5 GG bereitstellt. 

Grafik ist reine Meinung

Danach ist eine grafische Festlegung auf eine einklagbare Wahrheit, sondern gemalte Meinungskunst. Entsprechend umsichtig wurde die Illustration des Rechtsrutsches in Rheinland-Pfalz erstellt: Der 22-Prozent-Balken der SPD dreimal so groß wie der 15-Prozent-Balken der AfD, der Zehn-Prozent-Balken der Grünen dafür aber genauso groß wie der der Rechten. Um das Verständnis der Absicht zu erschweren, bekamen die Freien Wähler für ihre sieben Prozent einen größeren Balken als die Grünen für ihre zehn. Die Balken von SPD und AfD, zusammen 37 Prozent groß, würden zusammen nicht ganz so groß werden wie der der CDU, obwohl die laut Umfrage nur 31 Prozent erwarten darf.

Der Vorwurf, das stimme doch aber alles nicht, ließ nicht lange auf sich warten. Angeblich werde im Diagramm bewusst verfälscht, auch eine "technische Panne" wegen der völlig unzureichenden finanziellen Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems wird nicht ausgeschlossen. Bis hin zu "Lügenpresse" und "Fachkräftemangel" gehen die Anwürfe. 

Dabei hat der SWR alles richtig gemacht: Das Verhältnis der Balken in der Darstellung entspricht gerade durch die auf den ersten Blick unzureichend mit den Zahlen korrelierenden Darstellung den gesetzlichen Anforderungen an eine angemessene Aufbereitung problematischer Sachverhalte. Die Größe der Balken ist nicht etwa unverhältnismäßig, sondern situationsangepasst: Den richtigen Eindruck kann manchmal nur eine falsche Grafik erwecken.