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Maren Müller-Sehl ist die erste Bundessättigungsbeauftragte Deutschlands. Sie soll ab Februar mediale Überdosen und Themenballungen verhindern. |
Radio an, rechts. Radio aus. Fernseher an, Klima. Fernseher aus. "Tagesschau"-Kommentar. "Wir müssen". Tagesschau aus. Zeitung auf. "So heiß wird es, wenn der Winter nicht so kalt bleibt". Zeitung zu. So und ähnlich ging es auch Maren Müller-Sehl immer öfter. "Ich habe mich oft vor mir selbst gefürchtet", gesteht sie, "aber am letzten Ende waren es wohl immer ganz tiefsitzende Instinkte, die mich bewogen haben, in den entsprechenden Augenblicken so und nicht anders zu handeln."
Schuldgefühle am ausgeschalteten Radio
Ja, sagt Müller-Sehl, die in Mecklenburg lebt und sich dort seit Jahren für die demokratische Kultur und Ordnung engagiert, ein gutes Gefühl habe sie nicht gehabt, wenn es ihr wieder passiert sei. "Man ist ja doch der Meinung, dass all die Leute sich große Mühe geben, einem das Richtige zu erzählen, damit man die richtigen Schlüsse ziehen kann, um zu den richtigen Grundüberzeugungen zu gelangen." Rückblickend auf ihr bewegtes Leben in immerhin zwei Systemen mit drei verschiedenen Währungen sieht sich die agile alte Dame gewappnet für einen Einsatz für unsere Demokratie, der über den reinen Konsum zur Aufrechterhaltung der Wachstumskräfte hinausgeht.
Mehrfach habe sie sich bei gewissen Bürgerräten beworben, "ich wollte einfach mitmachen, gehört werden, meinen Beitrag leisten", sagt sie bescheiden. Geklappt habe es nie, selbst nicht in Bereichen, in denen ihr Freundinnen aus der Donnerstagsrunde im Café bescheinigt hätten, sie hielten sie für die Idealbesetzung. "Bürokratie zum Beispiel", sagt Müller-Sehl selbst, da halte sie sich für "absolut beschlagen".
Jahre in Verantwortung
Trotzdem, die 64-Jährige, die lange Jahre als Verwaltungsbeamtin in verantwortlicher Position gearbeitet hat, hatte Schuldgefühle, obwohl ihr selbst die Ablehnungen nicht zuzurechnen waren. "Als ich hörte, dass Anne Will ihre allerletzte Sendung moderiert, rutschte mir im Gespräch mit einer Freundin spontan der Satz heraus, "die gibt es wohl immer noch'?" Müller-Sehl schämte sich, war aber schnell wieder beruhigt. Nicht allein zu sein mit seinen Empfindungen, das habe sie als tröstlich wahrgenommen, obwohl sie genau wisse, dass Zustimmung aus der falschen Ecke jeden Menschen eigentlich eher nervös und hellwachen machen sollte. "Aber meine Freundin ist unverdächtig, eine ganz liebe ältere Dame."
"Meine Freundin gestand mir, dass sie das auch seit vielen, vielen Jahren nicht mehr geschaut hat." Warum es dennoch gesendet werde? An wen sich die fortlaufend ausgestrahlten Belehrungssendungen richten? Auch auf schriftliche Nachfrage bei ARD und ZDF bekam Maren Müller-Sehl keine ausreichende Auskunft. "Man hat mich höflich, aber bestimmt vertröstet und auf den umfassenden Programmauftrag verwiesen, dass für jeden etwas dabei sein müsse, aber nicht für alle immer." Sie sei danach im ersten Moment sogar gewillt gewesen, Einsicht zu zeigen. "Das ist wie beim Bäcker, da kann es auch sein, dass der etliche Kuchensorten hat, aber man selber keinen Appetit auf irgendein Stück."
Mangel an Mitwirkungsbereitschaft
Wenn es um das Große und Ganze geht, zeigt sich in solcher instinktiver Verweigerungshaltung der wahre Charakter. Ein Mangel an gesellschaftlichem Gesamtverantwortungsbewusstsein, so viel war Maren Müller-Sehl klar. Nicht, dass sie agitiert hätte werden müssen. Nein. Der Gedanke, dass eine Gesellschaft nicht funktionieren kann, wenn jeder so handelt wie ich und sich aus den Prozessen zurück in seine Nische verdrückt, der kam mir ganz von allein."
Schließlich sei sie über Jahre ein großer Fan von Angela Merkel gewesen, die nie den Eindruck vermittelt habe, müde zu werden oder in ihrer Bereitschaft nachzulassen, die Gesellschaft weiter zu gestalten, wie sie sie innerlich vor sich sah. Müller-Sehl will sich nicht mit der Rekordkanzlerin vergleichen, sieht sie aber als Vorbild.
"Unser Staat hat mir die Möglichkeit gegeben, mir ein kleines bisschen Wohlstand zu erarbeiten und mit 63 Jahren die Vorrente zu genießen", sagt sie. Etwas zurückgeben zu wollen, halte sie daher für ein "ganz natürliches Bedürfnis, das jeder haben sollte, der das Glück hat, in unserem Land leben zu dürfen." Warum denn nicht ihre große Expertise als Fernsehzuschauerin nutzen? Warum denn nicht auch mal jemanden aus dem ganz einfachen Volk, unverbildet und unabhängig, einbeziehen in die Programmgestaltung?
Ein Traum, der unerreichbar schien, denn auch Maren Müller-Sehl hatte die Funktionsweise des gebührenfinanzierten Gemeinsinnfunk mit all ihrer Lebenserfahrung entschlöüsselt. "Mir ist doch bewusst, dass Frau Merkel dort immer wieder das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern gesucht hat, um ihre Entscheidungen noch besser zu erklären." Dennoch habe sie persönlich es nicht mehr ausgehalten, schon damals. "Nicht, dass ich Frau Merkel nicht mehr mochte", sagt sie, "aber ein bisschen war das immer wie Klippschule." Dass viele Fragen nur eine alternativlose Antwort verdienten, habe sie ohnehin schon gewusst. "Und dann waren die Themen ja auch wie aus einer Dauerschleife abgespielt."
Ein "gewisser Überdruss"
Müller-Sehl ist keine Leugnerin, keine Feindin der Gemeinschaft. Die viel jünger wirkende sportliche Frau mit dem weißblond gefärbten Haar hat bereits mehrere zivilgesellschaftliche Preise für ihren Einsatz erhalten, sie ist Vorsitzende von allein sechs Vereinen, Beisitzer in weiteren sieben und Mitglied in, wie sie selbst scherzhaft sagt, so vielen weiteren Gremien, "dass ich es gar nicht mehr zählen kann".
Seit ein paar Jahren aber, das sage sie ganz ehrlich, habe sie eben innerlich "einen gewissen Überdruss" gespürt. Unendliche Belehrungen, aufgetürmt zu Bergen von Parolen. "Sieben Tage, sieben Köpfe", schmunzelt sie und sie sagt nach einigem überlegen etwas "für mich ganz unerhörtes: Ich kam mir manchmal vor wie damals im Staatsbürgerkundeunterricht in der DDR."
Abschalten sei ihre Alternative geworden. Nicht mehr zuhören. Nicht mehr hinschauen. "es war ja diese Woche das, in der nächsten Woche dasselbe, nur etwas anders." Das Impfen und die schweren Waffen, die Energieversorgung und die Atomkraftabschaltung, der Frieden im Nahen Osten und der Trump. "Ich konnte einfach nicht mehr, denn ich fühlte mich wie unter der chinesischen Wasserfolter." Manchmal habe sie sich schon gefragt, wer sich das alles ausdenke.
"Immer wieder dieselbe Botschaft immer wieder an die gleiche Adresse gerichtet von den gleichen Absendern im gleichen Wortlaut mit dem gleichen Duktus auf allen Sendern, in allen Spalten, in allen Magazinen, in Zeitungen und im Radio". Das bringe doch gar nichts, bemerkte sie an sich selbst. "Ich habe es ja einfach nicht mehr ausgehalten."
Das BBAA meldet sich
Als an einem Abend Anfang Januar ihr Telefon klingelt und sich ein Mann mit Guten Abend,, Hegenzecht meldet, ist Müller-Sehl denn auch nicht schlecht verdutzt. "Der Name sagte mir etwas, auch wenn ich ihn nicht sofort einsortieren konnte." Wie sich herausstellt, ist der Chef des Bundesblockampelamtes im mecklenburgischen Warin am Apparat. Bei der Bundesunterbehörde handelt es sich um einen Teil der kritischen Infrastruktur, die den meisten Bürgern schon aufgrund ihrer Randlage kaum bekannt ist.
Das BBAA ist beauftragt, als ausführendes Organ der Bundesregierung für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Schund und Schmutz im Internet zu sorgen. Zudem fällt auch die vorbeugende Vermeidung von Hetze, Hass und Hohn in den Aufgabenbereich der eigens in der Einöde Mecklenburgs angesiedelten Großorganisation, die durch ihre dezentrale Lage vor hybriden Angriffen ausn Russland geschützt werden soll.
Herrnfried Hegenzecht leitet das BBAA schon seit vielen Jahren mit großem Erfolg, er ist Deutschlands oberster Meinungsfreiheitsschützer, aber auch Bundesverbotsbeauftragter. Seine Mission an diesem Abend, so beschreibt er selbst: "Einen weiteren Schritt auf unsere Bürgerinnen und Bürger zugehen, sie dort abholen, wo sie sind, und eine Tür öffnen, um ihnen mehr Mitarbeit zu ermöglichen."
Maren Müller-Sehl hatte zuvor schon vom Bundesblogampelamt gehört, sie hatte sogar schon einmal mit einem der dortigen Beamten telefoniert, als ein Hetzer und Zweifler dabei war, ihr kleines Dorf im Mecklenburgischen zu terrorisiere. "Ich wollte damals eigentlich nur wissen, ob es sich lohnt, den Mann anzuzeigen." Freundlich, höflich, aber bestimmt habe ihrer der BBAA-Beamte abgeraten. "Jemanden eine alte Wurst zu nennen, ohne dass man weiß, wer hat diese Wurst sein soll, sei nichts, um bei der Staatsanwaltschaft mehr als ein Achselzucken als Reaktion zu provozieren."
Eine viel tiefere Beziehung
Ihr zweiter Kontakt zum BBAA aber entpuppte sich schnell als Startpunkt einer viel tieferen Beziehung. "Herr Hegenzecht hat mir angeboten, mich um eine Stelle zu bewerben, die sie im Amt gerade geschaffen hatten." Der neue Poster den oder des Bundessättigungsbauftragten (BSBA) sei als eine Art Frühwarnsystem angelegt, um eine drohende Informationsüberdosierung der Bevölkerung bei bestimmten Themen künftig zu verhindern."
Hegenzecht wird deutlich: "Frau Müller-Sehl ist uns bei umfassenden Internet-Recherchen als sehr sensible Mitbürgerin aufgefallen, deren Scheuegefühle vor sogenannten Themenclustern, wie es sie immer wieder gibt, stellvertretend stehen für die Emotionen, mit denen viele Bürgerinnen und Bürger richtig umzugehen versuchen." Einerseits gebe es bei einer großen Mehrheit die Bereitschaft, sich Dinge immer besser erklären zu lassen. Andererseits müsse dabei auf den Punkt genau dosiert werden, "sonst verlieren selbst die gutgemeintesten Botschaften ihre Empfänger."
Überdosiskontrolle ab Februar
Als Bundessättigungsbeauftragte werden Maren Müller-Sehl ab Anfang Februar zuständig für die Überdosiskontrolle beim Themenangebot in den Medien sein. "Sie hat einen direkten Draht zu mir, so dass die Vorwarnzeit ganz kurz sein wird." Sobald Müller-Sehl signalisiere, dass sie ein Thema nicht mehr hören könne, einen gerade erfolgreich präsenten Protagonisten nicht mehr zu sehen ertrage, "Werde ich das durchstellen und wir schauen, was sich machen lässt."
Im Kampf gegen Rechts darf es keine Sättigungseffekte geben, vor allem keine finanziellen. Sonst sitzt nächste Woche der Höcke in Berlin.
AntwortenLöschenSchlimmer noch als Höcke in Berlin wird Trump in Washington. Dagegen gilt es auf allen Kanälen anzukämpfen, bis uns das Blut aus den Ohren läuft.
AntwortenLöschenOT a propos Trump, der Schriftstellergott Houellebecq wird bei overton magazin zitiert:
AntwortenLöschenBehinderte zu verspotten sieht [Houellebecq] jedoch kritisch: »Ein echter christlicher Konservativer – also ein ehrenwerter und sittlicher Kerl – mit einem gleichwertigen Programm wäre für Amerika besser gewesen«, deduziert Houellebecq.
Ob da mit 'deduziert' das richtige Zeitwort benutzt wurde, sei dahingestellt. Manchmal ist ein Thesaurus eben doch nicht schlecht, egal für wie gut man sich hält.
Aber zum Großgeist Houellebecq: Wäre ein 'christlicher Konservativer – also ein ehrenwerter und sittlicher Kerl' für die Vereinigten Staaten besser gewesen?
Nein!
Besser wäre ein christlicher Konservativer – also ein ehrenwerter und sittlicher Kerl gewesen, der in echt zaubern und fliegen kann.
Da sind noch ein paar drollige Stellen mehr, ich lass es mal gut sein.