Traditionelle deutsche Landschaften werden immer öfter überflüssig, doch ewiggestrige Heimatverfechter bedauern die eingeleitete umfassende Erneuerung. |
Zuwanderung, Barbiere statt Friseure, Dönerbuden und Pizzastände, in der Bahn Arabisch und im Kaufhaus lauter Vermummte: Wenn Landstriche
fremd werden und Menschen ihr Umfeld nicht mehr verstehen, kann sie das traurig machen. Der Fachbegriff dafür heißt Patriastalgie - das peinigende Gefühl, die wohlbekannte alte Heimat zu verlieren. Wie Experten dieses Verlustgefühl beurteilen.
Schon wenn ein alter Kirschbaum gefällt wird, der im Garten der Kindheit stand, kann das einen Menschen sehr traurig machen. Dann wird die alte Schule abgerissen, die alte Stammkneipe schließt, Fahrräder können nicht mehr vor der Tür stehe, weil sie dort unweigerlich gestohlen werden, und der Weg durch den Stadtpark, er verbietet sich bei Nacht.
Schleichender Heimatverlust
Wie verkraftet man es aber, wenn man sein Zuhause schleichend verliert? Wenn alle Gewissheiten schwinden und das, was man als Heimat begreift, durch einen langsamen, aber doch deutlich spürbaren Prozess vernichtet wird? Der Schmerz über den Verlust von Zuhause, Heimat und Heimatgefühl hat einen Namen: Patriastalgie – Leiden an Heimatlosigkeit. Bereits im Jahr 2005 prägte der sächsische Heimatwissenschaftler Elmar Decker den Begriff, der sich aus dem lateinischen Wort "patria" für Heimat und dem griechischen "algia" für Schmerz und Leiden zusammensetzt. Der Forscher definierte ihn als Schmerz über den Verlust tröstlicher heimatlicher Geborgenheit, für das Gefühl, dass sich eine Welt wandelt, ohne dass der Einzelne noch Einfluss darauf nehmen kann.
Diese Heimaterosion wird nicht erst durch Naturkatastrophen hervorgerufen, sondern durch menschliches Handeln, häufig vorangetrieben durch politische Entscheidungen, die aus Feigheit und Bequemlichkeit betroffen werden. Wenn deutsche Städte sich wie Teile Berlins in No-Go-Areas für Jüdinnen und Juden verwandeln, wenn Einkaufstraßen in Kassel und Wiesbaden auf den ersten Blick an Kabul erinnern und in deutschen Provinzstädten Moscheen triumphal aus dem Boden wachsen, lässt das Schonlängerhierlebende mit einem unbehaglichen Gefühl zurück. Bedrückend wird empfunden, dass das Umfeld sich abrupt ändert und neue Bedingungen viel schneller entstehen als früher.
Heimatpsychologe warnt
"Patriastalgie entsteht, wenn wir wahrnehmen, wie sich die Heimat um uns herum grundlegend verändert. Wenn wir etwa bemerken, dass wir im Alltag bestimmte Nachbarn viel weniger oder gar nicht mehr sehen, dafür aber andere, an die wir nicht gewöhnt sind.", sagt der Heimatpsychologe Elmar Decker, der kürzlich in seinem Buch "Heimatgefühl" erstmals beschrieben hat, wie auffällige Veränderungen im persönlichen Umfeld Unsicherheitsgefühle schürt und Entfremdung vom eigenen Leben befördert.
Viele fühlten sich entwurzelt und verloren, etwa wenn "eine Rückkehr an Plätze unserer Kindheit oder einen alten Urlaubsort nicht mehr möglich ist, weil sie von der Landkarte verschwunden sind". Das löse bei Menschen, die aus traditionellen Verhältnissen kämen, Gefühle von Kummer oder Traurigkeit aus. "Wenn wir diese Orte nicht mehr finden, fallen uns die Veränderungen und Zerstörungen besonders auf, und wir versuchen unwillkürlich, Schuldige für eine Entwicklung zu finden, die wir ablehnen", erklärt der Experte. Gerade Menschen, die noch relativ naturnah leben, zum Beispiel in ostdeutschen Städten oder auch kleineren westdeutschen Gemeinden oder einen naturnahen Beruf ausüben wie etwa Maurer, Wärmepumpenmonteur oder Landwirt, können demnach besonders von Pariastalgie betroffen sein.
Pariastalgie schmerzt
Insgesamt zeige sich dies "durch eine breite Palette von Traurigkeitsgefühlen, wie Kummer, Niedergeschlagenheit, mitunter auch depressiv anmutenden Verstimmungen. Diese können auch mit Ängsten und Sorgen verbunden sein", umreißt auch der Biopsychologe Herbert Haase vom Climate-Watch Institut (CLW) im sächsischen Grimma. Als Chef einer Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Heimatheilkunde hatte Haase im vorigen Jahr vor einem insgesamt erhöhten psychiatrischen Versorgungsbedarf im Kontext von gefühlten Heimatverlusten gewarnt.
Erst wenige Monate zuvor war das Phänomen der mentalen Belastung durch einschneidende Veränderungen im unmittelbaren Lebensumfeld erstmals entdeckt und beschrieben worden. Bis dahin war die Heimatwissenschaft davon ausgegangen, dass Menschen ihre Lebensräume immer schon verändert hätten, sie seien stets umgezogen und hätte neu gesiedelt.
Das sei zwar richtig, sagt Herbert Haase. "Nur sind die Veränderungen, die wir bereits heute und in der Zukunft durch die Migrationszuströmenden noch viel mehr erleben werden, viel schneller und sie zerstören bisherige traditionelle Lebensräume im großen Stil irreversibel". Die Geschwindigkeit, mit der diese Zerstörung von Lebensräumen stattfinde, sei mit der Vergangenheit nicht vergleichbar.
Trostloser Heimatverlust
"Nichts wird als trostloser empfunden als eine verlorene Heimat", verweist der Heimatpsychologe Elmar Decker auf historische Beispiele wie das der Heimatvertriebenen aus den früheren deutschen Ostgebieten oder Palästina. Im ersteren Fall habe es Jahrzehnte gedauert, bis sich die Betroffenen mit der neuen Wirklichkeit abgefunden hätten, im zweiten Fall sei der Heimatverlust bei denen, die diese ursprünglichen Siedlungsgebiete nie erlebt hätten, sogar mit den Jahrzehnten immer größer geworden. "Davon Betroffene finden kein gütiges Trostbecken mehr, in das sie tauchen können, und die Sehnsucht danach, verzehrt sie immer mehr."
Nun drohe Millionen in Deutschland ein ähnlicher Heimatverlust und das damit einhergehende Gefühl der Patriastalgie. Herbert Haase mahnt schnelle Vorsorgemaßnahmen an. Wirkungsvolle Bildungsmaßnahmen und eine umfassende Digitalisierung heutiger Landschaften seien die beste Medizin gegen "desaströsen Veränderungen" (Haase), die sich leider nicht verhindern ließen. "Aber es sei möglich, als Heimat empfundene Landschafen nachzubauen. "Das Gute daran ist, dass sie auch den Zweck erfüllen können, dass sich Gemeinschaften rundherum zusammenfinden, die dann zusammen Einsamkeits- und Traurigkeitsgefühle annehmen und als Kollektiv dagegen ankämpfen können."
Wichtiger ist doch, dass sich die Dauergäste der Regierung hier eine Heimat aufbauen, in der es zugeht wie im alten Zuhause.
AntwortenLöschenTraurig das alles. Wird aber wahrscheinlich nur eher von den vor 2000 Geborenen so empfunden - die heutige Jugend lernte dieses Heimatgefühl meist gar nicht erst kennen.
AntwortenLöschenPersönlich würde ich für das in zwei Artikeln weiter unten beschriebene Sicherheitsgefühl gerne gegen Weltreisen, Döner und Khakis, schlicht den ganzen Globalismus, eintauschen.
Wenn ich an die 1970er Jahre zurückdenke! Die Reisekataloge voller Ziele, die heute nur noch in Katastrophenmeldungen auftauchen; bei 2001 in Ffm. gab es einen Reiseführer für Studenten und andere finanziell nicht so Gutgestellte, aus dem man erfuhr, wieviel eine Übernachtung in Kabul kostet und ein Mittagessen in Karatschi, mit welchem Bus und zu welchem Preis man nach Cusco kommt, und wem das nicht reichte, der konnte eine Atlantikpasasage auf einem Frachter buchen. Was für eine Welt hat man uns weggenommen!
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