Dienstag, 12. Dezember 2023

Rot Front: Es wird eng am linken Rand

 "Völker, hört die Signale", schmetterten die handverlesenen Angehörigen auf dem SPD-Parteitag. Mittendrin erschallen frenetische "Rot Front"-Rufe

Es war alles wie früher, in den Nahkampfdielen, mit den Nazihorden vor der Tür. Selig lagen sich die Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in den Armen. Drei Tage Parteitag waren geschafft, ohne größere Unfälle und ohne Kursänderungen. Nun sang man die "Internationale", jene Hymne der Arbeiter, die alle im Saal vom Hörensagen kennen, aus Büchern und Erzählungen von verbeamteten Armutsbekämpfern und der eigenen Vorstandsarbeit in Sozialverbänden. "Völker, hört die Signale", schmetterten die handverlesenen Angehörigen der führenden Regierungspartei erleichtert in den CityCube Berlin. Und immer dort, wo bei "Living next door to Alice" das "Who the fuck is Alice" kommt, erschallten frenetische "Rot Front"-Rufe.

Noch eine Wagenburg-Partei

Deutschland hat nun, nach diesem Parteitag, der neue Rekorde bei Geschlossenheit, Betonköpfigkeit und Wirklichkeitsverweigerung aufstellte, noch eine strenge Linkspartei mehr. Nach der umbenannten SED, der abgespalteten Wagenknecht-Partei und den Grünen bekennt sich die mittlerweile vierte politische Großformation ganz offen zu den Werten von Marx, Engels und Lenin. Ehe der Staat einst wird absterben können, muss er stark genug gemacht werden, um sich ein Absterben erlauben zu dürfen. 

Dazu gehören als Grundsicherung grenzenlose neuen Schulden, wie sie der SPD-Parteitag beschlossen hat. Darauf aufbauend braucht es zudem eine umfassende staatliche Planung und Leitung, die strikte Überwachung der Bürgerinnen und Bürger und ein ausgeklügeltes System der Patronage und Günstlingswirtschaft, über das an die Gefolgsamen ausgeschüttet wird, was nötig ist, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten.

Das letzte Gefecht

Es ist vielleicht wirklich das letzte Gefecht, von dem die Genossinnen und Genossen so inbrüstig wie erleichter sangen. In den drei ostdeutschen Bundesländern droht der SPD im kommenden Jahr ein brutaler Realitätsschock. In Thüringen und Brandenburg wird die Regierungsbeteiligung verlorengehen, in Sachsen könnte die einstige Arbeiterpartei gemeinsam mit den Grünen zum ersten Mal von der anderen Seite der Fünf-Prozent Hürde in den Landtag schauen. Bei den anstehenden Kommunalwahlen droht der Verlust aberhunderter Mandate und damit die Erosion des Funktionärsfundaments der Partei).

Doch noch Übleres droht bei den EU-Wahlen: Die seinerzeit von der Parteivorsitzenden Andrea Nahles nach Brüssel abgeschobene Spitzenkandidatin Katarina Barley zieht demonstrativ unter dem Zeichen des Sowjetsterns in den Wahlkampf. Ihr und ihrer Partei droht nach dem Fiasko von 2019, als die "Volkspartei" nicht einmal mehr auf 16 Prozent kam, ein Absturz in die einstellige Bedeutungslosigkeit.

Denkzettel voraus

Im politischen Berlin rechnen alle Parteien des demokratischen Block derzeit damit, dass die sogenannte "Europawahl" zum Tag des großen Denkzettels werden: Wählerinnen und Wähler, die jegliches Vertrauen in die Bundesregierung verloren haben, mehr noch aber die übergriffige EU-Kommissarswirtschaft ablehnen, könnten die weitgehend als bedeutungslos verstandene Abstimmung zum größten halbdemokratisch gewählten Parlament der Welt als Gelegenheit nutzen, mit dem Wahlzettel gegen immer neue Richtlinien, Einschränkungen, Überwachungsmaßnahmen und Vorschriften zu protestieren.

Die SPD hat sich in Berlin entschieden, dem ein entschiedenes "Weiter so" entgegenzusetzen. Der braune Popanz wurde geschwenkt, der eigene Kanzler gefeiert, der Vertrauensverlust, den die älteste deutsche Partei genießt, auf böse Feinde in der Opposition und eine verbesserungswürdige Kommunikation geschoben. Angeführt von einer Parteispitze, deren letzter Kontakt mit dem normalen Leben von Millionen Bürgern aus der Zeit datiert, als Gerhard Schröder noch im Kanzleramt saß, Kevin Kühnert ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf absolvierte, Lars Klingbeil im Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Heino Wiese das Politbürokratenalphabet lernte und Saskia Esken als Vorsitzende des Ortsvereins Bad Liebenzell amtierte, leitet die SPD die letzte Phase ihres Niedergangs ein. 

Ein kräftiger Linksruck

Kein verschämtes Linksblinken, sondern ein richtig kräftiger Linksruck soll es sein, der jeden Verdacht ausschließt, Scholzens Beteuerung, die "Genossinnen und Genossen im ganzen Land" müssten nun "allen sagen", "wir" seien "für euch da", sie machten "Politik euretwegen" und "sorgen dafür, dass es besser wird - und gerecht!" könne ernstgemeint sein. Statt sich einem Zeitgeist anzubiedern, der so schwer nicht zu entschlüsseln ist, geht die deutsche Sozialdemokratie dorthin, wo all die anderen Weltbeglücker, Volkserzieher und Menschheitserlöser schon sind. 

In diesem Land Irrealien wird ein proletarisches Lied angestimmt, wenn die Gegenwart nicht gefällt. Wo Geld fehlt, wird es gedruckt, wo die Preise steigen, werden die Löhne per Verordnung erhöht und weil die Demokratie es leider immer noch zulässt, dass auch widersprechende Ansichten formuliert und zur Abstimmung gestellt werden dürfen, gilt jeder, der das tut, nicht als politischer Gegner, der argumentativ bekämpft werden muss. Sondern als Feind einer Ordnung, die nur so sein darf, wie die SPD sie am liebsten hätte. 

Abschied einer Volkspartei

So nimmt eine Volkspartei ihren Abschied, sie gesellt sich zu den übrigen radikalen Angeboten, die um die Gunst des Bionadeadels, der grünen Beamtenschaft und der Volvoveteranen konkurrieren.Der Vorwurf, die SPD habe immer noch nicht begriffen, was die Bevölkerung wünsche, wolle und zunehmend garstig und gnatzig einfordere, geht vollkommen fehl. 

Der "Rot Front"-Ruf ist die Antwort auf die Frage, wie eine so alte und immer noch so große Partei so jenseits der Wirklichkeit in ihren Untergang marschieren kann. Die SPD hat keine Antworten auf die Fragen, die die Gegenwart stellt, weil ihre Ausrichtung ideologisch und nicht pragmatisch ist. Statt also keine Antworten für das Heute zu geben, singt sie die Lieder von gestern und siegt singend gegen die Feinde, die nur sie selber sieht.


4 Kommentare:

  1. Nach dem Absingen der Internationale spielten die Delegierten noch bis Mitternacht 'Kapitalist und Proletarier'. Die Umbenennung von 'SPD' in 'Rote Rollenspiele Partei' ist beschlossene Sache.

    OT Google-Doodle mit Bezug zur deutschen Kultur? Hat die AfD Google übernommen?
    Zumindest hat man da Witterung bekommen, dass Vielfaltskitsch grad nicht so gefragt ist.

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  2. Macht auf, ihr Schäfchen dieser Herde, die man erneut zum Schlachter bringt ...

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  3. A Popo Google - Habe unnötig lange darüber gebrütet, wer sich diese unglaublich saublöden Fragen ausdenkt: Ist Seroquel ein starkes Medikament? Sind zehn Knoten schnell? Welches ist der beste Beatles Song? Ofenkundig die künstliche Nicht-Intelligenz. Dass mir das nicht gleich angefallen ist ...

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  4. Bernd guckt servus TV - Tichy zerhackt die hübsch bürgerlichen , höheren Töchter die ihre auswendig gelernten Texte dahersagen - man möchte diesen unbegründet überheblichen Klimamädchen Schmerzen zufügen

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