Es geht um alles am Golf, um so viel sogar, dass Beobachter vor Ort von einem Endspiel um acht Milliarden Menschenleben sprechen. Kann das Klima noch einmal gerettet werden? Bleibt der frühe Wintereinbruch im deutschen Herbst eine Ausnahme.? Kommt es zum wärmsten November seit Jahren, wie es der wissenschaftliche Konsens beschlossen hat? Und wird das der weltweiten Populariät des deutschen Energieausstiegs zuträglich sein?
Klimamister glänzt durch Fehlen
Klimaminister Robert Habeck hätte heute, so war es in der Ampel vereinbart, vor Ort in den klimatisierten Kongresshallen den Staffelstab von Bundeskanzler Olaf Scholz und Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze übernehmen sollen. Gerade nach den am Wochenende bekanntgewordenen Angriffen der fossilen Lobby auf Wissenschaft und Fortschritt ein wichtiges Signal an die Weltgemeinschaft: Kein Fußbreis den Fossilisten. Es bleibt beim Beschluss des eben erst neu gegründeten Klimaklubs der fortschrittlichen Vorbildstaaten, nun noch schneller Tempo aufzunehmen, wie ihn Olaf Scholz vor Ort verkündet hatte.
Robert Habeck sollte nun nachwaschen, die Beschlusslage in trockene Tücher und die Kuh vom Eis bringen, rasche Lösungen anmahnen und keine Luft an die Notwendigkeit lassen, hier und da noch nachzuschärfen. Dann aber der Schock: Plötzlich passt die Klimarettung nicht mehr in den Terminkalender des früheren Grünen-Politikers! Statt sich ins Flugzeug nach Dubai zu setzen, nahm der Vize-Kanzler lieber Platz in der letzten Sendung der ARD-Moderatorin "Anne Will". Und nach Sendeschluss ließ er dann die Bombe platzen und verkünden, er werde vielleicht später oder womöglich gar nicht nach Dubai "reisen" (®© BWHF) und seinen weltweiten Beitrag zu den globalen Klimazielen für dieses Jahr aufschieben.
Affront für alle Klimafans
Ein Affront nicht nur für die Klimaschützer*innen, die so zahlreich ins Emirat am Golf geflogen sind, sondern auch für die wissenschaftliche Gemeinde und die vielen Staatsführer aus aller Welt, die die sich von Robert Habeck Ratschläge und Hinweise zur Adaption des erfolgreichen deutschen Energieausstiegsplanes auf ihre jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse erhofft hatten. Habeck aber, ein geborener homo politicus instinctus, hat aus dem Kaffeesatz der Umfrageergebnisse seiner Partei längst herausgelesen, dass sich mit grünen Themen, mit Klimaschutz und Glyphosat, Entbehrungspredigten und Gürtelenger-Parolen kein Blumentopf mehr gewinnen lässt.
So saß der 54-Jährige, der schon vor seinem Amtseid als Superminister in Berlin die Nachfolge der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel als ständiger Stargast im "Will"-Studio angetreten hatte, lieber noch einmal dem größten deutschen Fernsehgericht vor, um mit der Gastgeberin und einer Reihe zugeführter Zähldiskutanten die Frage zu klären, ob "Deutschland mehr Verantwortung übernehmen" müsse, obwohl es doch seit Jahren schon nicht mehr in der Lage ist, für sich selbst Verantwortung zu tragen. Kann so ein Staat, viel belächelt und noch weniger verstanden, mehr Führung wagen? Würde jemand, irgendjemand, denn folgen?
Geburtstagstorte für Anne Will
Das Gespräch glich einer Geburtstagstorte für Anne Will auch, ein "unvollständiger Streifzug durch die Weltkrisen", bei dem nicht Halt gemacht wurde, um der Klimakatastrophe zu gedenken. Ukraine, Nahost und Haushaltslücke, sie gelten aktuell als vollständiger Gleichklang, der eine "Welt in Unordnung" (Anne Will) perfekt untermalt.
Die Zustromkrise aus dem Herbst, die Angriffe der AfD auf die Wahlurnen, der Glaubenskrieg um die revolutionäre Kraft der extremistischen Klimakleberbewegung, Taiwan, Berg Karabach, Putins schwere Erkrankungen, der Bundeswärme- und der Bundesimpfplan - all das ist weit weg, als Robert Habeck seine Dankesworte an Anne Will spricht: 16 Jahre, so lange wie ihre Kanzlern, hat die gebürtige Kölnerin der Bevölkerung Halt und Unterhaltung gegeben. "Stilprägend", so Habeck, waren viele Stichworte, die oft und mittelbar nach ihrer Produktion in der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin hier ihren ersten Wirklichkeitstest absolviert hatten.
Umzingelt von der Wirklichkeit
Habecks neue Merksätze lauten "Wir sind umzingelt von der Wirklichkeit" und "Wir haben die Wirklichkeit noch nicht voll reingeholt in unsere politische Diskussion". Runter von der Prioritätenliste ist hingegen das Klimathema, nicht nur in der festlichen Abschiedssendung für die, die für die mächtigen ARD-Intendanten einst nur zweite Wahl hinter dem favorisierten Günther Jauch gewesen war, aufgrund ihres Alters aber nun selbst als präsidiabel und zu Höherem bestimmt gilt. Während acht Milliarden Schicksale auf dem Spiel stehen und die Welt bei der COP 28 in Dubai auf Rat und Tat aus Deutschland wartet, hat sich die Ampelführung entschlossen, sich in ein deutsches Schneckenhaus aus Privatproblemen zurückzuziehen.
Es klingt zynisch angesichts der Klimaschäden, die gerade Deutschland als eines der am schlimmsten betroffenen Gebiete zu beklagen hat, doch die "Lösung der Haushaltskrise" ist auf einmal wichtiger als das Leben von Milliarden. Habeck, zuletzt wieder häufiger als "Wirtschaftsminister" denn als "Klimaminister" bezeichnet, reist ganz offiziell nicht zur COP 28, weil in Berlin die Entscheidung aussteht, wie kurzfristig 17 Milliarden Euro zum Stopfen des Lochs im Staatsetat erfunden werden können.
Formsache als Ausflucht
Eigentlich eine reine Formsache, der die EU am Ende nur noch zustimmen muss. Ungleich größere Geldmengen hat der Bundeskanzler zuletzt sogar über Nacht in Einzelsitzungen erdacht. Doch Habeck findet in dem überschaubaren Problem eine willkommene Ausrede, um sich vor dem Auftritt am Arabischen Golf zu drücken: Der bringt daheim kaum Rückenwind für seine derzeit daniederliegende Partei und ihn selbst als künftigen Kanzlerkandidaten. Droht hingegen, Deutschland weiter zu isolieren und die Ampelregierung aufgrund ihrer technologie- und fortschrittsfeindlichen Politik als Geisterfahrer der globalen Zukunftsfahrt dastehen zu lassen.
Statt auf der großen Bühne der Weltklimakonferenz noch mehr Tempo, kluge Entscheidungen, ein Zusammenstehen aller gegen die Erwärmung und deutsche Hilfe in Milliardenhöhe zu fordern und zu versprechen, gab Robert Habeck seine Abschiedsvorstellung für den historischen Augenblick bei Anne Will. In intensiven Verhandlungen will die Spitze der Ampelkoalition nun in den kommenden Tagen eine Einigung über kommende Steuererhöhungen, neue Abgaben und mögliche verfassungsgemäße Tricks zur Umgehung von Grundgesetz, Schuldenbremse, Verfassungsgerichtsurteil und EU-Schuldenregeln finden. Jede freie Minute werde "unter den Mitgliedern der Regierung genutzt, um einen Haushaltsentwurf für 2024 nach den Maßgaben des Verfassungsgerichtsurteils aus Karlsruhe aufzustellen", schürte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die Spannung.
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