Nazis als Pullfaktor: Je weiter Deutschland nach rechts rutscht, desto mehr Menschen wollen offenbar hier leben. |
Irrig, überholt, nicht mehr aktuell: die krude These, dass freigiebige Geldzahlungen, kostenlose Unterkunft und Sprachkurse, Integrationshilfen und Jobvermittlung, aber auch das Versprechen, bei Nichtgelingen lebenslang ein Existenzminimum vom Staat ausgezahlt zu bekommen, Pullfaktoren für irreguläre Migranten sind, ist wissenschaftlich überholt. Vertreter dieser Theorie wollen damit meist eine Kürzung von Sozialleistungen für Geflüchtete durchsetzen, kaschiert mit Namen wie "atmendes System" und "spätere Auszahlung". Aber dadurch bleiben diese Maßnahmen trotzdem "schlicht unmenschlich und der schäbige Versuch einer Profilierung auf dem Rücken Geflüchteter", wie es die Bundessprecherin der Grünen Jugend formuliert.
Es ist nicht der Sozialstaat
Was die Anziehungskraft Deutschlands für Schutzsuchende wirklich ausmacht, war über Jahre umstritten. "It's not the Sozialstaat, stupid", urteilte die "Zeit", die Zahlungen für "Asylbewerber" (Zeit), die vor dem jüngsten Rechtsrutsch stets "Geflüchtete" genannt worden waren, galten der Politik dennoch als Migrationsmagnet, den man abschalten muss. Die Wissenschaft aber zeichnet ein ganz anderes Bild (Grafik oben): Danach ist es das Erstarken neonationaler, deutschtümelnder und faschistischer Kräfte, das offenbar besonders anziehend auf Migranten wirkt.
Der Magnet, der angeblich die Menschen anzieht, die Deutschland nicht haben will, ist in Umfragen bis zu 34 Prozent stark, er dominiert die politische Landschaft im Osten, ist aber auch im demokratischen Westen bis in die Bionadeviertel hinein längst mehr als eine gesichert rechtsextreme Stiefelnazitruppe. Zum deutschen Konsens in der deutschen Migrationspolitik gehört seit Jahren die Annahme, dass zu viele Wählerstimmen für rechte Parteien nicht nur ausländische Großinvestoren abschrecken, sondern auch Menschen, die vor Krieg und Gewalt in ihren früheren Heimatstaaten fliehen.
In Teilen gesichert
Würde niemand mehr rechte oder in Teilen des Landes als in Teilen gesichert rechtsextreme und rechtsextremistische Parteien wählen, könnte Migration geregelt und Integration besser bewerkstelligt werden, heißt es bei Politikern von FDP und Union, aber auch der SPD, den Grünen und bei der Linken, die so fest an vermeintliche „Pull-Faktoren“ glauben, dass Statistiken ihnen recht zu geben scheinen.
Deutschland zahlt am meisten, so besagt es das "magische Denken der vulgärliberalen Fantasiewelt" (Taz), deshalb kommen hier auch mehr Zuzügler an. Der Migrationsforscher Sören Käsebier widerspricht dem entschieden. "Die offiziellen Daten erzählen eine andere Geschichte", sagt er und verweist auf eine unzweideutige Darstellung: Der Aufstieg wachsende AfD-Zuspruch trifft hier auf die Balken des jeweiligen Zuspruchs zum Willkommensangebot Deutschlands. "Anfangs können wir da durchaus noch sehen, dass beide Entwicklungen sich im Gleichklang vollziehen." Je gefragter das politische Angebot der AfD anfangs des vergangenen Jahrzehnts geworden sei, desto höher kletterten die Zuzugszahlen.
Knapp am Rekord vorbei
"Wir sehen aber ab 2017, dass offenbar die Neuhinzugekommenen dafür gesorgt haben, dass die AfD-Zahlen auch ohne neue Zuzugsrekorde hoch blieben." Das wiederum habe nach einem kurzen Einbruch vor und während der Pandemiejahre dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Deutschland als neuer Heimat wieder stieg. "Wir haben das mit den Daten berechnet, die die AfD noch bei 18 Prozent sahen", räumt Käsebier ein. Das aber habe schon gereicht, Deutschland "nur knapp an vergangenen Migrationsrekorden vorbeischrammen zu lassen."
Wie wäre es also, fragt der Forscher, "mit etwas mehr Ehrlichkeit statt neuer unerfüllbarer Versprechen in der Asylpolitik"? Wenn der Erfolg der rechten Parteien, die das politische Spektrum inzwischen deutlich dominieren, die Ursache für das Ausbleiben eines Rückgangs der Flüchtlingszahlen ist, dann nützen auch die aktuellen Forderungen des linken SPD-Flügels nichts, die Asylzahlen stark zu senken, um die rechten Kräfte zu schwächen.
"Wir müssen das Pferd von hinten aufzäumen", rät Käsebier, "weil die Stimmung im Land sonst vollends kippt". Andere EU-Partnerstaaten hätten zwar auch mit Populismus zu kämpfen, Italien werde sogar von einer "Postfaschistin" geführt. "Aber nirgendwo sonst sieht sich der Kontinent mit einer solchen Flüchtlingsdynamik konfrontiert, weil kein anderen Land eine AfD hat".
Problem wird nicht verstanden
Derzeit werde das Problem gesehen, aber nicht verstanden, auch bei der EU nicht. "Auch dort glaubt man an die These, dass die Zuwanderung Populismus und die Unterstützung für rechtsextreme Parteien verstärkt und begreift nicht, dass es umgekehrt ist." Die Behauptung, dass Deutschland im September 2015 seine "Grenzen öffnete" (n-tv) und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung 890.000 Geflüchtete aufnahm, sei schon deshalb falsch, weil die Grenzen zuvor nie geschlossen gewesen seien. "Das war auch schon einmal bekannt", mahnt Käsebier. Den Meinungsumschwung in der Bevölkerung auf dieses Nicht-Ereignis zurückzuführen, sei falsch - "es war vielmehr andersherum".
Mit der Ankunft der Flüchtlinge kam es in Deutschland "zu einem Machtzuwachs rechtspopulistischer Bewegungen" (Collier, 2020; Pianta, 2020; Halikiopoulou, 2020; Reisen, 2022).. Trotz der importierten Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen stagnierte das Wirtschaftswachstum und der Arbeitsmarkts entwickelte sich ungünstig. Käsebier hält es nicht für einen Zufall, dass die AfD ihre Wahlergebnisse von 2013 zu 2023 von 4,7 % auf über 15 Prozent mehr als verdreifachen konnte. "Im selben Zeitraum hat sich der Ausländeranteil in der Bevölkerung von zehn auf 17 Prozent erhöht."
So lange es noch geht
Bei den Nochnichtsolangehierlebenden sind unterdurchschnittliche Haushaltseinkommen häufiger, ebenso unter den Wählerinnen und Wählern der AfD. "Für mich ist der Pullfaktor hier unübersehbar", sagt Käsebier, "die Auswirkungen von Migration auf das Wahlverhalten sind unabstreitbar, nur funktioniert der Mechanismus andersherum."
Im Allgemeinen werde davon ausgegangen, dass vermehrte Zuwanderung zu vermehrter Ablehnung der Zugewanderten führe und damit die Unterstützung für rechtsextreme Kandidat:innen erhöhe. "Wir können aber aus den Zahlen klar ersehen, dass Geflüchtenseiende sich durch einwanderungsfeindliche Wahlentscheidungen nicht etwa abschrecken lassen, sondern wohl eher die Entscheidung treffen, ihre Zuwanderung durchzuführen, so lange es noch möglich ist."
Niger schickt noch mehr Negromitbürger (JF)
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