Freitag, 13. Oktober 2023

Naher Osten: So schuld ist Israel immer selbst

Israel besetzt seit Jahren große Teile der arabischen Welt (grün).

Deutschland hätte das alles gar nicht so lange dulden dürfen. Jahr um Jahr hinderte eine falsch verstandene Beflissenheit, aus der eigenen Geschichte gelernt haben zu wollen, eine deutsche Regierung nach der anderen daran, Klartext zu reden mit Israel, einem Staat, mit dem Deutschland verbunden ist wie mit keinem anderen.  

Deutsche haben mehr Juden ermordet als Staatsbürger jeder anderen Nation. Deutsche verdanken den Juden aber auch mehr als Menschen jeden anderen Bekenntnisses oder - wie es der "Spiegel" nennt - jedes anderen Gens. Nicht ist vergessen oder vergeben. Aber verziehen hat man, gerade denen, die erst lange nach den Bluttaten ihrer Eltern und Großeltern geboren wurden.

Viel zu lange blind

Das machte viele lange blind. Selbst die als rational bekannte frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel beließ es trotz vieler Mängel, die der noch jungen israelischen Demokratie eigen sind, beim Bekenntnis, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sei. Keine Verhandlungsmasse.

Dass die israelische Regierung selbst "die Axt an die eigene Demokratie" legt, war in Niedersachsen und im politischen Berlin allerdings früh bekannt. "Israel bedroht sich selbst", warnte der RND in einer flammenden Depesche aus Berlin schon im Juli. Die damit einher gehende Gefahr nicht nur "für den inneren Frieden der tief gespaltenen Gesellschaft, sondern schwächt auch die Vereidigungsbereitschaft", analysierte Eva Quadbeck, die wegen ihrer jahrelangen regelmäßigen Kritik an den Machenschaften der Hamas als ausgewiesene Expertin für die Gefechtslage im Nahen Osten gilt.

Verhallte Forderung

Dennoch verhallte ihre Forderung, dass sich Israels Verbündete endlich "lautstark einmischen" müssten und nicht mehr zuschauen dürften, wie die umstrittene Justizreform die Spaltung der Gesellschaft in ein aufgeklärtes liberales Bürgertum und in konservativ-religiöse Hardliner zementiere und zu den bekannten und aus Berliner Sicht beherrschbaren äußeren Bedrohungen nun noch eine von innen komme, die "für Israel ein Drama" sei.

Eine "Demokratie am Ende" (FR) nach einem "Staatsstreich von oben" (Tagesschau), der als direkter "Angriff auf die Demokratie" (Die Zeit) gelten musste, gegen den nur noch der Aufruf zu "zivilem Ungehorsam" (Handelsblatt) half. Sonst "stirbt die Demokratie" (SWR, Weltspiegel), das Land "versinkt in Chaos, ein Bürgerkrieg droht" (ZDF), denn wenn "nur noch die Mehrheit zählt" (Tagesspiegel), dann "triumphiert die Rechte" (Taz) und die Demokratie steht "an der Klippe" (ND). 

Nur die EU ist nicht wehrhaft

Nur eine einige Nation aber kann wirklich wehrhaft nach außen sein, wie das Beispiel der EU zeigt - im Gegensatz zum amerikanischen, das unter der "tiefen Spaltung" (Spiegel) der US-Gesellschaft leidet. Seit "mit der Einschränkung der Kompetenzen des Obersten Gerichts die Hardliner obsiegten" (RND), hat Israel seine Feinde quasi zum Angriff eingeladen - und Deutschland, das seit 1949 eine Fürsorgepflicht für die einzige Demokratie im nahen Osten für sich reklamiert, hat es versäumt, helfend, lenkend und ordnend einzugreifen.

Deutsche Experten hatten gewarnt: Dieser Bruch in Israels Gesellschaft lässt sich nicht mehr kitten. Deutsche Medien hatten an Benjamin Netanjahu appelliert, das Ende der israelischen Demokratie wenigstens noch hinauszuzögern. Doch die deutsche Politik war "gegenüber der Entwicklung in Israel merkwürdig leise", kritisierte Eva Quadbeck schon immer. Während Ungarn und Polen stets lautstark kritisiert worden seien für ihre Versuche, die liberale Demokratie durch die Beschneidung der Justiz auszuhebeln, rege sich gegen Netanjahus "ultrarechte" (DPA) Regierung kaum mehr Kritik als gegen Hamas, Hisbollah und Islamischen Dschihad. 

Freunde sagen sich die Wahrheit

Offene Worte wären hilfreicher gewesen, ein paar klar formulierte Sätze aus Deutschland, "dass die konservativ-religiöse Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu selbst die Axt anlegt an den demokratisch verfassten Staat" und damit einmal mehr am Ende schuld sein wird, wenn seine Feinde aufmarschieren, um die von den - zurecht tief enttäuschten - deutschen Freunden verlassene Ex-Demokratie auf Abwegen in einem bösartigen Sturmlauf zu Boden zu ringen.

7 Kommentare:

  1. Jetzt, wo der Mob nicht mehr nur hinter Mädchen im Schwimmbad her ist, sondern vor den Kameras politisch unschöne Szenen aufführt, haben wir plötzlich ein Problem.

    Ain't it funny how it happens?
    Ain't it? Ain't it funny how it happens?
    Ain't it? Ain't it funny how it happens?
    Ain't it?


    Danny Brown, Ain't It Funny, 2016

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  2. Chrupalle klingt wie Merkel. Fehlt nur die Staatsräson.

    Der Angriff der Hamas auf Israel ist zu verurteilen. Ich trauere um alle Kriegstote [sic!]. Jetzt müssen die Staaten der Region auf Deeskalation setzen, um einen Flächenbrand abzuwenden. Diplomatie ist das Gebot der Stunde. Eine tragfähige Lösung für alle Seiten muss das Ziel sein!

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  3. zu Kommentar 2:

    Den Text kann sich der Herr Chrupalla nicht selbst ausgedacht haben. Da waren bestimmt die BWHF und Herr Schawidow beratend tätig. Die werden in dieser Sache noch viel zu tun bekommen.

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  4. "...Deutsche haben mehr Juden ermordet als Staatsbürger jeder anderen Nation ..."
    Ja, ich weiß, ich weiß, eine Satireseite.

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  5. Lasst uns doch mal in Ruhe über eure Ängste reden / Also, das finde ich jetzt irgendwie echt total nicht gut, was ihr da gemacht habt ...

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  6. Der lachende MannOktober 13, 2023

    Ich bin über "trauere um alle Kriegstote" auch gestolpert, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr neige ich zu der Ansicht, daß das richtig ist.

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  7. völkerrechtlich gesehen ist es nicht einmal ein krieg

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