Donnerstag, 12. Oktober 2023

Die Unerschrockene und der Unsichtbare: Wie die SPD die Krise weglächelt

Er unsichtbar, sie unerschrocken. Gemeinsam führen Olaf Scholz und Saskia Esken Deutschland in ein sozialdemokratisches Jahrzehnt.

Katastrophenalarm im Willy-Brand-Haus, die Rauchmelder schrillen und im Keller steigt das Wasser, das Dach droht wegzufliegen und die Rettungstruppen weigern sich, die Ruine zu betreten. Ist das Treppenhaus noch begehbar? Ist das Schimmel im Foyer? Warum reichte es in der Führungsetage so streng? Und weshalb sind alle Toiletten verstopft? Und weshalb stöhnen die Balken so gottserbärmlich, dass die Nerven aller Insassen blank liegen?

Nach dem Tag der Schande

Überall würde sich Unruhe breit machen, würden die Zweifel wachsen, dass das alles noch zu retten ist, Fußballvereine wechseln in solchen Situationen die Trainer, Trainer wechseln die Trikots und die Torhüter, Torhüter die Handschuhe, Musiker die Produzenten und nervöse Politiker die Partei. Die Partei aber, Deutschlands älteste, ruht in sich auch nach dem Tag der Schande, dem Tiefpunkt, als die Rückeroberung der Hochburg Hessen trotz aller Anstrengungen scheiterte und die regionale Formation, die schon einmal eine Räterepublik ausgerufen hatte, weiter Richtung ÖDP schrumpfte.

Die Parteivorsitzende blieb äußerlich ungerührt. Saskia Esken lässt in ihrer großen Rolle als Eiskönigin keine Luft an irgendein Körperteil das erodieren könnte. In einem hellblauen Blazer aus der DDR-Kollektion "Präsent 20", maschinengestrickt aus Dederon, Wolpryla und Grisuten, lächelte die ehemalige Elternaktivvorsitzende die Sorgen der Basis weg. Viel auf den Weg gebracht, 170 Gesetze irgendwie. Das alles und noch viel mehr. Wenn die Leute da draußen auch mal mitmachen würden, dann müsste sich niemand Sorgen machen.

Grundlose Sorge

Es sind tröstliche Worte, die Esken in diesen schweren Tagen immer wieder spricht, manchmal mit dem kleinen Kevin Kühnert neben sich, der als omnipotenter Planer und Architekt der SPD-Wahlkampagnen gilt. Manchmal taucht auf Nancy Faeser auf, die Frau, die mitten im Wahlkampf Grenzen, Mauern und Zäune ringsum Europa errichtete - etwas, wie Esken betont, das keiner ihrer Amtsvorgänger jemals geschafft habe. Esken ist das Herz der SPD, die Feuerlöschfrau, die Glut zu Asche sprechen kann. Olaf Scholz hingegen fungiert als Hirn: Selten zu sehen, aber Garant aller Erfolge, so dünn sie auch ausfallen mögen.

Im Moment beunruhigen den Kanzler nicht wirtschaftlicher Niedergang, eine Abkehr großer Teile der Bevölkerung vom Glauben an die Heilsversprechen der Politik oder die Kriegs- und Krisenherde ringsum. Sondern die Gewinne der AfD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. "Die Stimmen, die auf eine rechtspopulistische Partei in Deutschland entfallen sind, müssen uns besorgen", wies  Scholz nach einem fröhlichen Fischbrötchenessen mit dem französischen Präsidenten in Hamburg an.

Fest und unverbrüchlich

Während das von Terroristen angegriffene Israel mit der "vollen Solidarität Deutschlands" auskommen muss, das "fest und unverbrüchlich" (Honecker 1985, Scholz 2023) an seiner Seite steht und dem Morden tatenlos zusieht, wird an der Heimatfront zur "Verteidigung der Demokratie" geblasen. Scholz und Esken haben die Waffen dabei unter sich aufgeteilt: Er betont, dass die Bundesregierung ja schon "schon sehr lange angefangen" habe, "eine sehr konsistente Politik im Umgang mit Migration zu entwickeln". Sie hingegen weißt darauf hin, dass "nicht sicher" sei, "ob tatsächlich die Migrationspolitik und die Migration als solche das Problem ist".

Vielleicht ist es der Klimawandel? Die schlaffen neuen Heizgesetze? Womöglich liegt es auch an der Wut großer Bevölkerungsteile über die viel zu langsame Digitalisierung, über den zu später Verbrennerausstieg und den als unzureichend konsequent geführte Kampf gegen rechts. Fakt ist, dass die SPD kurz nach Beginn des "sozialdemokratischen Jahrzehnts", wie es der "Zeit"-Inflationsexperte Mark Schieritz genannt hat, nach einem Abwehrzauber gegen alles sucht, was nach einer Alternative aussehen könnte. 

Zurückdrängen der schlechten Stimmung

Dafür wäre der Bundeskanzler auch bereit, öffentlich so zu tun, als würde er "dafür Sorge tragen, dass die irreguläre Migration zurückgedrängt wird". Das Ganze also nicht wegen der "irregulären Migration", sondern wegen der schlechten Stimmung, die sie bei vielen noch nicht von ihren Vorteilen Überzeugten erzeugt. Während die Parteivorsitzende die anderen mitnimmt, denen die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, noch lange nicht zu "zu hoch" (Scholz) ist, weil sie "Platz" (Ricarda Lang) haben. Das Problem ist die "Wahrnehmung" (Esken) einer durchaus gelungenen "Politik mit umfangreichen Maßnahmen zum Ausgleich der Inflation befristet, aber auch langfristig und dauerhaft, damit eben die Menschen mit den gestiegenen Preisen zurechtkommen", wie Esken kämpferisch sagt. 

Nun müsse man allerdings noch "gut hinbekommen", dass der "hohe Zuzug von Menschen auf den Fluchtrouten hierher nach Deutschland, dass wir den gut in den Griff bekommen, dass die, die Schutz brauchen, diesen Schutz auch bekommen, dass andererseits aber die, die nicht bleiben können, auch wieder gehen". So wie Saskia Esken dasteht, in einer Kombination aus rosa Schlafanzug und rosa Turnschühchen, ist deutlich zu spüren, wie ernst es ihr damit ist, nun aber sogar "noch besser" (Esken) zu werden, bis die Verteidiger der Demokratie wieder sorgenfrei regieren können.

3 Kommentare:

  1. Steuermann 1 steuert

    Publikum: Was macht der Trottel da? Wir wollen Steuermann 2!

    Steuermann 2 steuert

    Publikum: Was macht der Trottel da? Wir wollen Steuermann 1!

    ad infinitum

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  2. Ich wage mal einen Blick in die Zukunft. Wir werden bald viele neue tüchtige Flüchtlinge aus Palästina kriegen. Freuen wir uns darauf, wir schaffen das.

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  3. Flüchtlinge aus Palästina ...

    Ich kann noch, aus Studentenzeiten, Scheibe C (Studentenwohnheim Otto Lilienthal) syroarabisch - Juden Morjen, Juden Abend, Jude Nacht, Danke, sowie: Du Sohn einer feilen Metze.
    Schreiben konnte ich einst al-koól, aber wieder vergessen.
    Ach ja, das Glaubensbekenntnis - wäre vielleicht wieder aufzumöbeln, vorsichtshalber.


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