Dienstag, 19. September 2023

Zu zahm, zu sanft: Klimaschutzprotest muss schmerzhaft sein

Die Taliban machten vor, wie konsequenter Protest aussieht.

Nun jammern sie wieder, heulen getroffen auf und hetzen gegen eine angebliche Verunzierung des Brandenburger Tors in Berlin, als sei das monumentale Bauwerk nicht errichtet worden, um das Heraufziehen eines vermeintlich goldenen Zeitalters Preußens zu verkünden. Dabei steht das Bauwerk, das im Unterschied zu Reichsgründer Bismarck bis heute als Nationalsymbol gilt, nicht schon seit mehr als 200 Jahren als Zeichen für den brutalen und völkerrechtswidrigen Einmarsch preußischer Truppen in die Republik der Vereinigten Niederlande.  Aber nicht der geschichtsvergessene Umgang mit den Symbolen der unseligen Vergangenheit empört die deutsche Öffentlichkeit. Sondern eine harmlose Farbaktion von Klimaaktivisten, bei der diesmal nicht einmal jemand zu Schaden kam.

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl prangert den fehlenden Mut bei der Klimabewegung an, dort zuzuschlagen, wo es wirklich wehtut.

Svenja Prantl fordert Härte fürs Klima.

Eine "vergleichsweise zahme" (Taz) Sache verglichen mit Angriffen auf den rollenden Verkehr oder der Entlüftung von klimafeindlichen Autoreifen. Traut sich die Letzte Generation nicht mehr zu? Ist die Angst der Aktivisten vor der unheilvoll schweigenden Bevölkerungsmehrheit oder Racheaktionen des Staates schon so groß, dass ihr in den 18 Monaten seit der vielbeachteten "Aktion Essen retten" am ersten Tag des Krieges keine neuen Protestformen mehr einfallen?

Klebaktionen ohne Echo

Dabei ist kaum mehr zu übersehen, dass sich die Klebeaktionen und der von Anfang an wenig diverse Rest der aufrüttelnden Klimaschutzproteste totgelaufen haben. Der Sprühanschlag auf das bis heute mit einem Eisernen Kreuz versehene Berliner Tor war zweifellos ein eher hilfloser Versuch, die Offensive zurückzugewinnen. Im ersten Moment sogar leidlich erfolgreich: Endlich einmal wieder wurde überhaupt Notiz genommen von der LG. Endlich einmal wieder ließen sich die bigotten Verteidiger des fossilen Zeitalters Empörung entlocken. Aber reicht das? Kann irgendjemand wirklich damit zufrieden sein?

Nein. Angemessen wären angesichts der angespannten Klimalage - der heißestes Sommer aller Zeiten liegt eben erst hinter der Menschheit - ganz andere Maßnahmen. Immer noch verweigert die Ampelkoalition ein drastisches Klimaschutzgesetz, immer noch ist das Essenretten-Gesetz nicht beschlossen, dafür aber hat sich der Preis für das Neun-Euro-Ticket verfünffacht - selbst angesichts der allgemeinen Inflation ein einsamer Rekord. 

Alles nach Recht und Ordnung

Nun führen werden offenbar selbst bei der Letzten Generation "Listen" (Taz) darüber geführt, was Protest gegen die Zerstörung unseres Planeten alles nicht darf. Monatelang schon wurden keine Gasleitungen mehr zugedreht, von Blockaden der Baustellen der LNG-Anlandestationen ist nichts zu hören. Sanft wie bei Fridays for Future früher, als noch "Klimastreiks" während der Schulzeit veranstaltet wurden, soll alles beinahe nach Recht und Ordnung ablaufen. 

In Zeiten des nahenden Untergangs, der nach Aussagen von Millionen Klimawissenschaftlern schon so nahe sind, dass nicht nur das 1,5-, sondern auch das zwei-Grad-Ziel in unerreichbare Ferne rücken, wäre mehr notwendig, viel mehr. Dass die Letzte Generation versucht, allen zu gefallen, ist menschlich verständlich, dient aber nicht dem großen Ziel, zumindest Deutschland bis Anfang 2024 klimaneutral zu machen. 

Harmlos statt hart

Statt hilflos wirkender Symbolaktionen, die am Tag danach schon wieder vergessen sind, weil der klimaverzehrende Pendlerverkehr in die Wohlstandsvorstädte wieder rollt und die städtischen Reinigungsarbeitenden fleißig Steine und Bilderrahmen geschrubbt haben, böten sich gezielte Blockaden von Herstellern fossiler Heizungen, Proteste bei Gaswasserheizungsinstallateuren und das Beschmieren und Verunzieren von relevanten Teilen der Entschuldigungsindustrie an. 

Bildern in Museen angreifen, aber so, dass nichts kaputtgeht, ist keine Heldentat. Einmal im Jahr  "globaler Klimastreik" mit 50 Hansel*innen in Bückeburg und Henkelhofen, das ist wie Weihnachten - eine sehr schöne, sehr vertraute Tradition. Doch um aus dem Mustopf der Gewohnheit zu kommen, die schon in absehbarer Zeit zu einer Akzeptanz des anrollenden Unglücks führen wird, muss sich "die Bewegung mal wieder Mühe geben", wie auch die Verbandszeitung Taz fordert.

Farbe und hohles Geschwätz

Nicht immer nur Talkshow und hohles Geschwätz, nicht immer nur Protest auf Termin. Eine Letzte Generation kann schon ihrem eigenen Selbstverständnis nach nichts kaputt machen, was nicht ohnehin in nächster Zeit kaputtgehen wird. Was also hindert die LG, großen Vorbildern wie den Maschinenstürmern in England, den mutigen Aktivisten der Boston Tea Party  oder den Taliban in Afghanistan nachzueifern, die vor 22 Jahren nicht lange zögerten und die beiden monströsen Buddhaskulpturen von Bamiyan, eine 38, eine gar 55 Meter hoch, in konsequenter Umsetzung des islamischen Bilderverbotes ausradierten.

Was genau weg muss, ist dabei klar: Alle Widerstände gegen die sofortige Umsetzung von umfassenden und europa- wie weltweiten Klimaschutzschritten müssen weichen. Die Bundesregierung, die zuletzt erst wieder angekündigt hat, Klimaschutzproteste als "sinnlose und verwerfliche Aktionen" eines Tages "strafrechtlich konsequent" ahnden werden zu müssen, muss nachgeben und den gesellschaftlichen Rückhalt für den Klimaschutz per Gesetz oder per Verordnung anweisen.

Zu Corona-Zeiten, als die Lage längst nicht so bedrohlich war, ging es doch auch.

1 Kommentar:

  1. Wurde eigentlich Zeit, das Tor an den Rest der Stadt anzugleichen.

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